„Kaufen bei heimischen Firmen“

Die Exportorientierung hilft Siemens Oberösterreich, auftragsschwächere Zeiten gut zu überbrücken: Josef Kinast.
Josef Kinast: Der Siemens-Chef von Oberösterreich über den Facharbeitermangel, die Globalisierung und Zukunftsstrategien.
„Kaufen bei heimischen Firmen“

Josef Kinast ist seit rund einem Jahr Vorstand der Siemens-Niederlassung Linz. Der 54-Jährige stammt aus Strengberg im Mostviertel.  Er hat in Wien Jus studiert und begann  anschließend seine Laufbahn bei Siemens. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und wohnt in Linz.

KURIER: Das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab.  Spüren Sie das bei den Auftragseingängen?Josef Kinast: Wir sind in Oberösterreich in allen Einheiten noch gut ausgelastet, aber man merkt schon eine Verflachung.

Es gehen die Aufträge zurück?So ist es. Aber dank unserer Struktur, wo wir auch für den Export produzieren, haben wir noch eine gute Auftragslage. Da wir im Anlagengeschäft tätig sind, gibt es einige langfristige Projekte, die für eine gute Auslastung sorgen. Zum Beispiel mit der Produktion von Transformatoren.

In welchem Ausmaß bewegt sich der Rückgang?Das ist schwer zu sagen. Denn das sind  Trendbewegungen. Wir sind in Oberösterreich jedenfalls breit aufgestellt und exportorientiert. Wir sind in vier Sektoren tätig:  Industrie, Energie, Medizintechnik, Infrastruktur und Städte. Hier im vierten Bereich geht es viel um die Mobilität, um Züge, um den öffentlichen Verkehr und um die Energieeinsparung in Gebäuden.

Sie haben nun einen großen Auftrag  aus Indien requiriert.Es geht hier um die Siemens-VAI.  Sie  haben laufend Großaufträge, überwiegend aus dem Ausland.  DieSiemens-VAI ist eine  eigene  Einheit im Konzern unter dem Namen Metals Technologies und ist weltweit führender Lifecycle Partner für die metallurgische Industrie,  die hier in Linz die Zentrale hat. Siemens verfügt  in Linz über 3000 Mitarbeiter, davon sind 116 Lehrlinge. Rund 1600  Mitarbeiter  sind in  der Siemens VAI beschäftigt. Werner Auer  ist für das weltweite Metallurgiegeschäft von Siemens verantwortlich, meine Wenigkeit für das  Siemens-Geschäft in Oberösterreich.

Gibt es bereits Überlegungen, zum Beispiel auf Kurzarbeit umzustellen?Nein. Wir haben noch eine gute  Auslastung, weil es längerfristige Projekte sind. Wir betreuen Projekte in der Automobilindustrie, Projekte bei der voestalpine in Linz und viele andere. Ich war in den vergangenen drei Jahren in einer anderen Funktion verantwortlich für den  Einkauf  von Siemens in Österreich und Central Eastern Europe und von daher kann ich sagen, dass manchmal  der Eindruck vorherrscht, dass österreichische Firmen im Zuge der Globalisierung nicht zum Zug kämen, weil alles   in Billiglohnländer verlagert wird.  Tatsächlich ist es anders. Der Siemens-Konzern hat im vergangenen Geschäftsjahr  in Oberösterreich bei 2000 Lieferanten um mehr als 400 Millionen Euro  eingekauft. Das sind direkt und indirekt 4000 Arbeitsplätze, die Siemens mit seinen Aufträgen sichert. Das zeigt die Leistungskraft der oberösterreichischen Unternehmen. Wenn Firmen Qualität bieten, innovativ  und  liefertreu sind, haben sie die Chance, dass sie bei Konzernen unterkommen.

Wird das Potenzial, das Siemens bietet, ausgeschöpft oder ist noch mehr drinnen?Es ist immer noch mehr drinnen. Als Niederlassungsleiter sehe ich es auch als eine  meiner Tätigkeiten an, Firmen Informationen zu vermitteln, dass sie die Möglichkeit haben,  Lieferanten vom Weltkonzern Siemens zu werden.

Siemens ist eine große Marke. Was charakterisiert den Konzern mit den weltweit 360.000 Mitarbeitern?Siemens gibt es schon seit mehr als 160 Jahren, in Österreich seit  mehr als 130 Jahren. In Oberösterreich feiern wir heuer 110 Jahre. Wir legen auf drei Punkte Wert. Auf die Innovationskraft, also auf die ständige Erneuerung. Wir haben weltweit  27.000 Forscher und Entwickler, allein 17.000 Software-Ingenieure. Wir sind bei den Patenten europaweit und in Österreich die Nummer eins.  Wir streben zweitens nach exzellenten Leistungen. Wir wollen Qualität und zufriedene  Kunden. Der dritte Punkt ist Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft. Wir setzen auf nachhaltiges Handeln und Umwelttechnologie. Wir streben an, dass 40 Prozent des Umsatzes aus der Umwelttechnologie wie Windkraftanlagen, Gebäudetechnologie etc. kommt.

Firmen beklagen  einen Facharbeitermangel. Merken Sie davon etwas?Wir merken ihn sehr stark. Wie haben viele Stellen ausgeschrieben und bekommen nicht  die entsprechenden Mitarbeiter. Hintergrund ist auch die demografische Entwicklung.Einerseits  ist es sehr gut, dass in Oberösterreich Vollbeschäftigung herrscht, andererseits  ist die Nachfrage nach qualifizieren Arbeitskräften sehr hoch.

Welche Mitarbeiter suchen Sie?Wir brauchen Lehrlinge, Facharbeiter für unsere Anlagenprojekte,  HTL-Ingenieure und Absolventen von Fachhochschulen. Uni-Absolventen suchen wir derzeit weniger. Es kommt sehr auf die richtige Mischung an. Wir suchen Elektrotechniker, Elektroniker, Mechatroniker, Maschinenbauer, Automatisierungstechniker, Hardware- und Softwareingenieure .

Beeinträchtigt der Facharbeitermangel die Entwicklung?Derzeit noch nicht, weil wir im Konzern das Glück haben, Ressourcen tauschen und Synergien nutzen zu können, indem wir aus anderen Regionen Mitarbeiter holen. Noch geht es. Über kurz oder lang wird es ein Problem, weil wir bestimmte Aufträge nicht mehr werden abwickeln können.Es ist uns ein Anliegen, dass man Frauen in die Technik holt. Es ist wichtig, die Kinder bereits  im Kindergarten und in den Schulen für Technik zu interessieren  und Mädchen für technische Berufe zu begeistern.

Es gibt bereits viele Initiativen, die versuchen Frauen in technische Berufe zu bringen. Bisher mit wenig Erfolg. Noch immer werden die meiten Mädchen Friseurinnen,  Verkäuferinnen und Sekretärinnen.Die Interessensvertretungen arbeiten hier sehr intensiv. Wir unterstützen das auch. Das ist ein kulturelles Thema. Man könne  hier auch etwas bei der Lehrerausbildung  machen. Das ist ein entscheidender Hebel. Man muss an dem Thema ständig dranbleiben. Es bedarf auch der Vorbilder.

Sie waren auch im Einkauf von Siemens tätig.Im Leitungskreis werden die Spielregeln und die Organisation festgelegt, wer  für welche Teilbereiche verhandelt. Jeder Euro, den man im Einkauf einspart, ist mitentscheidend für das Ergebnis. Mein ehemaliges Einkaufsteam und ich haben  im vergangenen Jahr den Preis für den weltweit besten Einkauf erhalten, was mich sehr gefreut hat.

Wohin wird sich Siemens  langfristig entwickeln?Megatrends sind zum Beispiel der Klimawandel und die Urbanisierung. 70 Prozent der Weltbewohner werden in großen Städten  leben. 2025 wird es 27 Megacitys mit mehr als zehn Millionen Einwohnern geben. Das sind große technische Herausforderungen für den Verkehr und die Infrastruktur. Dazu kommt der demografische Wandel. Wir werden immer älter, eine  Herausforderung für das Gesundheitssystem. Der vierte Trend ist die Globalisierung, die weltweite Vernetzung und die stärker werdenden Schwellenländer. Das ist für mich  das Faszinierende, hier einen bescheidenen Beitrag für die sinnvolle Entwicklung der Welt leisten zu können.

 

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