Kaineder: „Ich werde neue Windparks genehmigen“
Stefan Kaineder ist seit 2020 Landesrat für Umweltschutz in der Landesregierung. Der 38-Jährige ist Landessprecher und stellvertretener Bundessprecher der Grünen.
KURIER: Die Studie des Landesumweltanwalts Martin Donat, wonach das Potenzial für Windkraft in Oberösterreich „gering bis äußerst mäßig“ ist, versetzt Ihrer Forderung nach Ausbau dieser Form der Energiegewinnung einen Schlag. Umweltaktivisten fordern eine Reduzierung des Mindestabstands von 1.000 Meter zu bewohnten Anlagen. Auf wie viel Meter soll dieser Abstand reduziert werden?
Stefan Kaineder: Es ist notwendig und realistisch, 100 Windräder bis 2030 zu bauen. Der Landesumweltanwalt sagt, aus seiner Sicht ist ein Ausbau kaum mehr möglich. Auf der anderen stehen die Wirtschaftskammer und die IG Windkraft, die von 300 bis 400 Windrädern reden. Das ist mit dem derzeitigen Rechtsrahmen möglich. Es ist sehr ambitioniert, 100 zusätzliche Windräder zu installieren, denn die Genehmigungen dauern. Die Projekte werden von unserer Behörde, für die ich zuständig bin, auf Umweltverträglichkeit geprüft. Wenn Windparks umweltverträglich gebaut werden können, werde ich sie genehmigen. Ich werde das machen. Da bin ich entschlossen.
Bleibt der 1.000-Meter-Abstand oder nicht?
Wir haben momentan keine Not, an der Abstandsbestimmung etwas zu ändern, weil selbst mit dieser Abstandsbestimmung 400 Windräder möglich sind. Die Übung ist keine Änderung des Rechtsrahmens, sondern ein politischer Konsens.
Wir brauchen Windräder für die Energiesicherheit. Wir müssen unseren Strom mit Gaskraftwerken produzieren. Gas kommt von einem Regime, das Krieg führt und als Kriegswaffe einsetzt. Noch dringlicher ist die Transformation von Wirtschaft und Industrie.
Der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte ursprünglich Pellets- und Holzheizungen von seinem Heizungsgesetz ausschließen, hat das aber dann aufgrund von Widerständen zurückgenommen. Achim Dittler, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, ist gegen diese Heizungen, denn kein Brennstoff emittiere, bezogen auf den Energiegehalt, mehr Kohlendioxid und Schadstoffen. Pellets seien ebenso klimaschädlich wie Scheitholz und damit schädlicher als Gas oder Öl. Sie hingegen forcieren diese Heizungsform. Ist das angesichts dieser Kritik vertretbar?
Ja. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in Oberösterreich im Silicon Valley der Holzverbrennungskessel leben. Wir haben viele Häuser mit älterer Bausubstanz. Sie brauchen vor allem viel Wärmeenergie, weil viele noch Heizkörper haben. Da sind Verbrennungskessel viel effizienter als Wärmepumpen.
Pellets sind ein Abfallprodukt der Holzwirtschaft. Wir müssen für die Klimaneutralität stark darauf setzen, dass mehr aus Holz gebaut wird. Bäume speichern CO2. Wenn sie umgeschnitten und verbaut werden, ist das gespeicherte CO2 im Möbelstück oder im Haus gespeichert. Der Abfall in der Sägewirtschaft wird zu Pellets verpresst. So wird aus dem Abfallprodukt ein Wertstoff, mit dem wir die Häuser heizen können. Die Pelletskessel sind ein wichtiger Teil der Energiewende.
Der Klimaphysiker Felix Creutzig von der TU Berlin sagt aber, dass Holzverbrennung nicht klimaneutral ist und viele Studien gezeigt hätten, dass die Holzverbrennung die Erderwärmung für Jahrzehnte und Jahrhunderte verstärken werde. Deshalb sollte es keine Förderung für Pelletsheizungen geben. Ganze Wälder werden in Osteuropa für die Pelletsindustrie gerodet.
Ich kann das nicht nachprüfen. Holzverbrennung setzt CO2 frei, das ist völlig logisch. Es wurde aber vorher gespeichert. Der Wald regeneriert sich, wenn nachhaltige Waldbewirtschaftung passiert, wie das in Österreich der Fall ist. Die nachwachsenden Bäume speichern das CO2 wieder. Der gefällte Baum wird nicht verheizt, das gespeicherte CO2 wird in der Bausubstanz gespeichert. Namhafte europäische Wissenschafter werben deshalb für eine Baukultur aus Holz.
Die Pelletsindustrie erlitt durch den Preisanstieg von Pellets einen deutlichen Einbruch.
Es hat auch damit zu tun, dass sich einige um den Brennstoff gesorgt haben und viel eingekauft haben. Ich unterstütze die Forderung nach einem Bevorratungsgesetz.
So wie der Staat Gas- und Ölreserven vorhält, sollten wir auch Pelletsvorräte anlegen. Damit eine genügend große Menge an Brennstoff da ist, die diese Preisschwankungen ausgleichen.
In der Diskussion um den Klimaschutz geht es auch um Bodenversiegelung. Werner Sobek, deutscher Bauingenieur und Architekt, Professor an der Universität Stuttgart und Gründer des Instituts für Leichtbau, fordert, den Neubau von Einfamilienhäusern zu verbieten. Im Bezirk Hamburg-Nord werden schon heute keine Einfamilienhäuser mehr genehmigt, mit dem Argument, dass der Bausektor 40 Prozent aller klimaschädlichen Gase verursacht. Sollte der Bau von Einfamilienhäusern untersagt werden?
Bevor wir darüber diskutieren, reden wir über Ohlsdorf. Über das Vernichten von 20 ha Wald, dafür, dass ein Mann Millionen verdient und das Grundstück einem internationalen Konzern gehört. Von den versprochenen Arbeitsplätzen ist nichts zu sehen. Ich kritisiere sehr scharf, dass die Landeskoalition kein ordentliches Raumordnungskonzept zustande bringt, das solche Dinge verhindert.
Das Problem sind nicht die Einfamilienhäuser, sondern die riesigen Firmen und Supermärkte an Kreisverkehren mit Hunderten Parkplätze, die nie besetzt sind und die man eigentlich nie braucht. Die Frage des Flächenfraßes entscheidet sich an der Widmungspolitik der Gemeinden. Es braucht andere Leitplanken für deren Entscheidungskompetenz und die heißt Raumordnungsgesetz.
In Wahrheit wird sich in den nächsten 20 Jahren entscheiden, ob die Kartoffel, die wir essen, in Oberösterreich produziert werden können, weil wir zu wenig Äcker haben.
Die Realität ist doch, dass sich die Anzahl der Vollerwerbsbauern weiter reduziert, es geben viele die Landwirtschaft auf, die nächste Generation verkauft häufig die nicht bewirtschafteten Gründe, und es werden darauf Gewerbe- und Industriebetriebe gebaut. Die Anzahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft geht weiter zurück, die Zahl der in Wirtschaftsbetrieben Tätigen steigt. An der Orts- und Stadträndern siedeln sich Betriebe auf Flächen an, die früher von Bauern bewirtschaftet wurden. Diesen Strukturwandel kann man schwer verhindern.
Da widerspreche ich vehement. Wir beobachten nicht, dass es so viel mehr Arbeitsplätze im Gewerbe und in den Supermärkten gibt. Wir bemerken, dass die Ortszentren leer werden. Dort gab es die Geschäfte und Arbeitsplätze, die Geschäfte sind leer, jetzt haben wir einen Kreisverkehr und einen Supermarkt. Diese Verschiebung ist der Strukturwandel. Das kann und soll man verhindern. Es ist viel schöner und nachhaltiger, wenn es im Ortszentrum die Geschäfte gibt und man dort einkaufen kann.
Die Konsumenten kaufen kaum mehr in den Ortszentren, sondern fahren mit dem Auto zu den Supermärkten am Ortsrand, bleiben auf den Parkplätzen stehen, räumen den Kofferraum voll und fahren zufrieden wieder nach Hause.
Ich nehme das ganz anders wahr, ich bin jedes zweites Wochenende im Wirtshaus. Ich erlebe das Gegenteil, die Menschen stoßen sich an dieser Flut an Beton in diesem Land und sie stoßen auch daran, dass unsere Dörfer keine Dörfer mehr sind, und außen die Gewerbegebiete wuchern. Sie finden das nicht schön und haben das richtige und wichtige Anliegen, dass das unterbunden wird. Und Schwarz-Blau weigert sich.
Die Realität ist auch, dass die Menschen in Einfamilienhäusern wohnen, dass sie ins Auto steigen und möglichst schnell zum Supermarkt, zum Arzt, zum Kindergarten und zum Arbeitsplatz kommen wollen.
Ich erlebe das tatsächlich anders. Ich erlebe Menschen mit einer echten Leidenschaft dafür, dass das Zubetonieren ein Ende hat.
Beim Ausbau der Windkraft gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Ihrer Politik und der Ihres Vorgängers Rudolf Anschober, der die Windkraft nicht so forciert hat wie Sie.
Der Beginn der Windkraft in Österreich war interessanterweise in Oberösterreich unter Energielandesrat Anschober. Wir Grüne haben dafür gesorgt, dass dieses Land einen Windkraft-Masterplan hat, mit ausgewiesenen Vorrangzonen, die definiert haben, wo die Windparks hinkommen sollen. Das war in der Zeit der schwarz-grünen Landesregierung und das war eines der ersten Dinge, die von Schwarz-Blau gekübelt wurden. Heute sagen ÖVP und FPÖ, wir wollen keine Windräder und damit sagen sie, wir wollen keine Energiesicherheit in Oberösterreich. Das ist ein Schaden.
Greenpeace hat eine Wasserstudie vorgelegt, wonach auch das Wasser des Attersees Mikroplastik enthält. Bisher hatte es immer geheißen, dass unsere Seen Trinkwasserqualität haben. Das ist doch eine bedenkliche Entwicklung.
Ja. Hier müssen wir gut achtgeben. Das wird eine gemeinsame Anstrengung in den nächsten 20 Jahren sein, dass wir die Plastikflut eindämmen.
Was kann man hier wirklich tun?
Ein riesiger Beitrag ist, und das ist ein Erfolg der Grünen in der Bundesregierung, dass für Einwegverpackungen ein Pfand erhoben wird. Unser größtes Problem ist, dass Verpackungsmaterial sorglos in die Umwelt gerät. Das muss aufhören. Wir sorgen dafür, dass unsere Kinder und Enkelkinder ihre Zukunft auf einem riesigen Müllberg beginnen. Aufhören tut das dann, wenn die Verpackungen ein Pfand bekommen und man das Geld zurückbekommt, wenn es wieder zurückgegeben wird. Damit schaffen wir eine 90-prozentige Recyclingquote. Damit verlagern wir das Verpackungsmaterial dorthin, wo es hingehört, nämlich ins Altstoffsammelzentrum. Und nicht dort, wo es nicht hingehört, in die Natur.
Wird das reichen?
Das ist ein riesiger Schritt.
Sie sind auch stellvertretender Bundessprecher. Wie ist der Zustand der schwarz-grünen Koalition?
Ich habe immer dafür plädiert, dass man in dieser Koalition arbeiten muss. Ich bin sehr stolz auf einige Dinge, die wir erreicht haben. Das beginnt beim Klimaticket und geht über die Vervielfachung der Förderung für erneuerbare Energie. Zehntausende machen das Dach jetzt zum Sonnenkraftwerk. Weiters die öko-soziale Steuerreform und die Abschaffung der kalten Progression.
Für das letzte Jahr gibt es noch einiges zu tun. Der Schaden, den wir beim Klimaschutz zu beheben haben, ist etwas größer als wir geglaubt haben, weil die Regierungen vor uns geschlafen haben. Durch Beharrlichkeit haben wir Grüne dafür gesorgt, dass Entscheidung für Entscheidung getroffen wurde. Genau das erwarte ich mir auch für das letzte Jahr.
Sollen die Grünen nach der Nationalratswahl wieder in die nächste Regierungskoalition eintreten?
Unbedingt. Aber die Frage entscheiden zuerst die Wählerinnen und Wähler. Die Grünen sollen immer Verantwortung in der Regierung tragen. Wir sehen, wenn die ÖVP mit der FPÖ regiert, dann ist der Klimaschutz nicht einmal in der Prioritätenliste. Da ist die Energiewende nur dann gewollt, solange die Menschen das selbst machen. Wenn man Klimaschutz haben will, braucht es uns in einer Regierung. Das ist nicht leicht. Für uns ist es auch nicht leicht. Es wäre einfacher, nur zu kommentieren, was gut und schlecht ist. Aber erst wenn man Veränderung herbeiführt, verändert sich die Wirklichkeit.
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