"Jammervolle Vorstellung"

"Jammervolle Vorstellung"
Der Karikaturist Gerhard Haderer über Faymann und "Spindelbauer": Hoffnungslos, überfordert und eine traurige Veranstaltung.

Der Linzer Karikaturist und Gesellschaftskritiker Gerhard Haderer (60) zur politischen Situation im Land und über seine Angst in Sachen Finanzkrise.

KURIER: Die SPÖ Oberösterreich hat gestern ihren Landesparteitag abgehalten. Sie will sich erneuern. Wie sehen Sie die Entwicklung dieser Partei?
Gerhard Haderer: 2003 hatte sie wegen der Privatisierung der voestalpine einen großen Erfolg. Als dieses Thema weg war, folgte 2009 das Desaster. Jetzt ist Josef Ackerl, die Nachwuchshoffnung der SPÖ, angetreten, um die Partei mit neuen Inhalten zu füllen. Ackerl ist mir persönlich sehr sympathisch, weil er vielleicht etwas einfache, aber griffige und ehrliche Ansichten hat. Er spricht eine Sprache, die die Menchen verstehen. Man weiß, wofür er steht.
Über die Nachfolge bin ich nicht ganz am letzten Stand. Aber wenn die Babsi Prammer von Wien nach Linz kommt, um die SPÖ zu führen, dann habe ich wieder eine gute Zeit. Ich würde sie mir wünschen. Ich weiß nicht, was mit der Generation der 40-Jährigen los ist. Ich würde mir von ihnen Signale wünschen. Nicht nur von jenen in der SPÖ, sondern insgesamt in der Politik. Denn ich bekomme Angst um die Demokratie, wenn die Menschen nicht mehr bereit sind, sich zu beteiligen. Wir sollten für die Demokratie sehr dankbar sein, denn das Eis ist dünn. Es gibt derzeit eine negative Selektion, weil die, die eine Alternative haben, nicht in die Politik gehen, sondern viel lieber etwas anderes machen.

Es gibt nicht wenige, die wie Ackerl den SPÖ-Vorsitzenden Bundeskanzler Werner Faymann kritisieren.
Sehr persönlich gesagt, muss ich gestehen, dass ich über diesen Mann nichts zu zeichnen und daher auch nichts zu sagen habe. Er ist eine Figur, die keine Ecken und Kanten hat. Ich kann nichts festmachen an dem. Das ist so wie mit dem Spindelbauer ...

Spindelegger ...
...Spindelbauer (lacht). Diese Herrschaften sind in ihrer Hoffnungslosigkeit und Überfordertheit jeden Tag neu zu studieren. Wenn die beiden gemeinsam auftreten, ist das eine jammervolle Vorstellung. Sie können sich gegenseitig nicht mehr riechen, dennoch müssen sie eine gemeinsame Politik machen, weil keine andere Alternative besteht. Das ist eine sehr langweilige und traurige Veranstaltung.

Diese Performance treibt dem Strache die Wähler zu.
Genau das ist es.

Ich glaube, man darf Sie als Linken bezeichnen, oder?
Wenn man diese Kategorien bedienen will, dann bin ich logischerweise ein Un-Rechter. Wenn man einen sozialen Urreflex hat, bin ich lieber links als rechts.

Was ist die Meinung des Un-Rechten zur Finanz- und Eurokrise? Wie geht es Ihnen damit?
Angst. Weil man sich gar nicht vorstellen kann, welchen Ausgang es nimmt, wenn das Finanzsystem wirklich crasht. Ich bin kein Wirtschaftsexperte, aber der Finanzkapitalismus der vergangenen drei Jahre ist gegen die Wand gefahren und er ist in alle Teile zerbröselt. Es stehen jetzt erschreckende Visionen am Horizont. Die Euro-Krise ist keine Krise, sondern ein Desaster. Das ist schlimm für alle zivilisierten Staaten.

Wie lauten die Antworten bzw. wie sehen die Alternativen aus? Die Linke weiß, dass sie mit ihrer Kritik Recht hat, aber sie hat keine Antworten.
Es wird Sie vielleicht wundern, dass ich genauso naiv bin wie ich zeichne. Ich habe sehr einfache Sichtweisen. Ich bringe hier den Begriff der Gerechtigkeit in die Diskussion. Diese Perspektive ist sehr wichtig. Geld ist eine vernünftige Erfindung, aber sie wurde pervertiert. Die Geldmärkte terrorisieren heute die Regierungen. Sie führen uns ins Desaster. Ich bin immer auf der Seite der Schwächeren. Es gibt eine unglaubliche Menge von Menschen, die sozial durch die Finger schauen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander.

Wie soll es gehen? Wir haben noch kein alternatives System.
Das System ergibt sich daraus, dass man die Lehren aus den vergangenen drei Jahren zieht. Indem man andere Strukturen einführt, indem man die Menschen am Wirtschafts- und Gesellschaftssystem teilnehmen lässt. Nachdem keine Lehren gezogen wurden, geht es in die falsche Richtung weiter. Man soll die Menchen ermutigen, sich an der Demokratie zu beteiligen, sie sollen ihren Anteil einfordern.

Die Staaten des Westens sind überschuldet: Japan, die USA, Europa. Die Schulden müssen reduziert werden.
Ich bin kein Wirtschaftsexperte. Es hat sich eine perverse Szene von Geldwirtschaft etabliert, die gescheitert ist. Dieses Scheitern hat so viele Chancen in sich getragen, die nicht erkannt wurden. Es gab keine Umkehr, sondern ein Weiterwurschteln. Dass die Schulden der Staaten schwindelerregende Dimensionen haben, darf einen nicht verwundern. Es ist ein Umdenken, ein Paradigmenwechsel notwendig. Wir wollen eine andere Form von Arbeit, von Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln.

Die Gewerkschaften und die SPÖ fordern Erbschafts- und Vermögenssteuern. Ich nehme an, das liegt auf Ihrer Linie?
Absolut, selbstverständlich. Das ist aber für die Reichen eine große Chance, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Nämlich zu sagen, es ist selbstverständlich, dass wir uns beteiligen. Wenn sie das nicht machen, werden sie weiter ihre Villen mit hohen Mauern umgeben, weil sie Angst haben vor dem, was in der Luft liegt. Und das heißt Revolution. Die will ja niemand. Aber Unruhen sind nicht auszuschließen.

Was ist für Sie ein Reicher?
Es gibt sehr viele Reiche, auch in unserem Land. Über Geld mache ich mir keine Gedanken. Ich war seit 30 Jahren auf keiner Bank. Mein persönlicher Umgang mit Geld ist ein verschrobener. Wenn ich ins Kaffeehaus gehe, gehe ich zu meiner Liebsten und bitte Sie um 100 Euro.

Wie legen Sie ihr Geld an?
Vor einigen Jahren hat mich ein Bankberater angerufen, um mir ein bestimmtes Produkt zu verkaufen. Ich habe aufgelegt.

Sie haben ein Sparbuch?
Wir haben ein gutes Leben, wir haben ein kleines Häusl. Das ist es. Wir haben kein Vermögen zu veranlagen. Keine Aktien, keine Anleihen.

Konflikt: Überreuter-Verlag ade

Haderer scheut die Konfrontation nicht. Weil er in der Zeitung lesen musste, dass den 32 Mitarbeitern des Überreuter-Verlages in Wien angeboten worden war, nach Berlin zu übersiedeln, beendete er die Zusammenarbeit mit dem Haus, in dem er bisher seine Bücher verlegt hatte. "Das ist widerwärtig", sagt er, "die Mitarbeiter sind großteils nicht in der Lage, nach Berlin zu gehen. Es kann mir keiner erklären, dass es nicht andere Formen gegeben hätte, die Sanierung des Verlags sozialer abzuwickeln."
Er habe sich im Verlag bisher wohlgefühlt, aber er wolle mit dem Haus nichts mehr zu tun haben. Und außerdem lasse sich österreichischer Schmäh nicht nach Berlin verpflanzen. Dort gebe es deutschen Humor.
"Wenn es Freiheit gibt, dann ist es die Freiheit, darauf so zu reagieren. Mein Vater, ein Arbeiter, hat es sich nicht aussuchen können, als er mit 56 Jahren auf die Straße gesetzt wurde."

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