Grubinger: "In Wahrheit lebe ich meinen Traum"

Martin Grubinger
Der weltbeste Percussionist über sein Leben und seine Pläne für 2017.

Martin Grubinger gilt als der weltbeste Percussionist. Der 33-Jährige wohnt in Neukirchen an der Vöckla (Bez. Vöcklabruck). Er hatte mit seiner Band im Juli 2016 einen fantastischen Auftritt bei Klassik am Dom. Am 16. Juli 2017 wird er neuerlich am Domplatz auftreten.

KURIER: Sie spielen im Juli wieder am Domplatz. Warum?

Es war ein besonderes Feeling. Alle meine Kollegen von Percussive Planet haben gesagt, es war einfach toll. Wir sind fast ausschließlich Oberösterreicher. Mit den meisten habe ich am damaligen Brucknerkonservatorium studiert. Es ist wie bei einer Fußballmannschaft. Wenn man zu Hause im eigenen Stadion spielt, ist es etwas anderes als wie wenn man im Ausland antreten muss. Es ist ein anderes Feeling in Linz zu spielen als in Schanghai.

Simon Ertl und ich haben programmatische Ideen entwickelt, wie wir uns multimedial noch anders präsentieren wollen. Es ist eine so starke Verbindung da, dass wir gesagt haben, wir machen einfach weiter.

Wie schaffen Sie es, mit einem derartigen Tempo die vielen verschiedenen Schlaginstrumente zu spielen?

Training. Ich bin da hineingerutscht. Mein Vater ist Musikschullehrer in Mondsee. Ich habe mit vier Jahren Schlagzeug zu spielen begonnen. Ich habe es zu spielen gelernt wie essen und trinken. Ich habe es einfach verinnerlicht. Mit den Instrumenten ist es so, dass man sich eins ums andere erarbeitet.

Welchen Umfang hat das Training?

Wenn es ganz intensiv ist, können es 12, 13 Stunden sein. An einem normalen Tag verbringe ich sieben bis acht Stunden am Instrument. Neues einzustudieren kostet richtig viel Zeit.

Der Höhepunkt sind dann die Wochenenden mit den Konzerten.

Absolut. Oft sind wir auf Tournee, da sind wir jeden Tag dahin. Wir spielen in Wien, morgen in München, übermorgen in Berlin, am Samstag in Zürich, am Montag in Tel Aviv.

Das Reisen ist natürlich auch ein Stress.

Absolut. Aber es macht auch Spaß. In Wahrheit lebe ich meinen Traum. Ich habe mir das nie vorstellen können. Dass ich einmal als Schlagzeugsolist die Welt bereisen kann. Ich lebe in Neukirchen an der Vöckla. Das ist ein wunderbarer Ort. Ich bin in der Blasmusik. Ich liebe Neukirchen. Durch die Musikkapellen und durch die Musikschulen ist die Musik ein wichtiger Bestandteil für viele. Das spürt man.

Wenn ich in der Nähe von Neukirchen ein Konzert habe, fahre ich noch in der Nacht nach Hause, weil ich so gerne zu Hause bin.

Wirtschaftsleute finden, dass zu viel Geld für die Musikschulen und die Bruckneruniversität ausgegeben wird.Kunst und Kultur sind in Österreich ein Wirtschaftsfaktor. Mit den vielen Festivals, mit den Konzerten, den großartigen Konzertsälen ist Österreich in der ganzen Welt bekannt. Es fließt viel mehr Wertschöpfung an den Staat zurück als er hier investiert. Was ist Salzburg ohne die Festspiele, Wien ohne das Konzerthaus und die Staatsoper? Ich komme viel herum. Wenn ich sage, dass ich in Linz studiert habe, sagen die Leute, das ist die Stadt, die sich kulturell in den letzten Jahren am stärksten entwickelt hat, wo so viel Neues passiert ist. Es ist ein großes Verdienst ein Musiktheater zu bauen. Das Musikschulsystem ist europaweit einzigartig. Das ist die Trademark Oberösterreichs. Hier weniger zu investieren wäre kontraproduktiv.

Sie wohnen in Neukirchen, haben in Zürich eine Professur und Sie sind weltweit bei Konzerten unterwegs. Wie schaffen Sie das?

Dank meiner Familie. Meine Frau unterstützt mich sehr. Meine Eltern sind auch involviert. Mein Vater ist der Mastmind, der sich um die Programme kümmert, der oft selbst mitspielt, der die Arrangements macht. Meine Mutter ist die Logistikerin. Sie kümmert sich darum, dass die Musiker an den richtigen Orten sind, dass die vielen Schlaginstrumente wieder rechtzeitig da sind. Im Hintergrund ist derartig viel los, dass das gar nicht zu sehen ist.

An der Uni in Zürich bin ich vier, fünf Tage im Monat. Das macht mir Spaß, da ich merke, wie das in der nächsten und in der übernächsten Generation ist. Wir haben dort eine sehr gute Infrastruktur. Die Leute kommen mit 14, 15 Jahren zu uns. Kennen Sie La Masia, das Nachwuchssystem des FC Barcelona? Dieses System, den Nachwuchs selbst heranzubilden, wollen wir auf das Schlagzeug umlegen.

Gibt es im neuen Jahr neue Schwerpunkte?

Ja, wir haben neue Projekte. Eines heißt Percentury of Percussion. Wir präsentieren dieses Programm in der neuen Elb-Philharmonie in Hamburg. Wir haben neue Projekte mit den Salzburger Festspielen. Das sind langfristige Dinge, die wir für die Jahre 2018, 2019 und 2020 machen werden. Aber auch 2017 werden wir in Salzburg ein neues Konzert haben.

Wichtig ist auch, dass man neue Schlagzeugkonzerte in Auftrag gibt. Ich bin mit BBC Philharmonic in ganz Europa unterwegs. Es gibt so viele Projekte, die man über die Rampe bringen will, sodass einem oft die Zeit ausgeht.

Sie spielen nicht nur klassisches Schlagzeug, sondern mit allen möglichen Gerätschaften. Was ist hier das Kriterium? Der Klang?

Ja, der Klang. Wir sind als Schlagzeuger schon ein bisschen Süchtler auch. Wir entdecken etwas Neues und sagen, das muss ich haben. Die Faszination für das andere, zum Beispiel für eine Rahmentrommel aus Afghanistan, für Instrumente aus dem karibischen oder afrikanischen Raum ist groß. Man denkt sich, das muss man haben. Das Feld ist derart groß, dass man vieles einfach nicht kann. Ich möchte gerne spielen können wie die arabischen Trommler. Oder wie die Musiker aus Burkina Faso oder wie die afro-kubanischen Musiker. Das erdet uns Schlagzeuger. Wir wissen was wir können, aber es gibt auch ein großes Feld, was wir nicht können.

Die Impulse kommen aus der ganzen Welt.

So ist es. Ich bin großer Toto-Fan. Toto hat das Album Falling in Between herausgebracht. Mit dem wollen wir nächstes Jahr bei Klassik am Dom einsteigen. Wenn man mit der Idee beschäftigt ist, lässt einen das nicht mehr aus und man überlegt, welche Instrumente wollen wir da dabei haben. Wir tüfteln da herum. Welche Instrumente, wer spielt was? Dann beginnen wir zu streiten. Es ist bei der Probe oft wie in einem Kindergarten. Als Schlagzeuger entwickelt man sich in dem Moment zum totalen Kind. Da lässt jede Vernunft aus. Jeder Schlagzeuger möchte alles spielen. Dann wird diskutiert. Das geht oft über Stunden. Das ist aber auch schön, man sagt sich dann, wir spielen schon seit 20 Jahren zusammen und sind immer noch wie die ganz kleinen Kinder, die mitten im Zuckerlladen stehen. (lacht)

Schlagzeug mit der Intensität zu spielen, wie Sie das tun, ist auch eine große körperliche Herausforderung. Wie halten Sie sich fit?

Als Bub habe ich wahnsinnig gerne Fußball gespielt, aber wir sind am Sportplatz von den Größeren immer vertrieben worden. Mein Traum war es, mir meinen eigenen Fußballplatz zu bauen. Das habe ich in Neukirchen gemacht. Wir haben einen Kunstrasen und Flutlicht. Wir gehen auch oft um 11 Uhr nachts nach der Probe nach draußen und kicken. Oder wir gehen Rennrad fahren.

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