Wir haben mit der Energiekrise eine veritable Rezession im nächsten Jahr zu befürchten. Die Ökonomen sprechen von „Inflacession“, einer Kombination von Inflation und Rezession. Deswegen werden wir uns alle miteinander von Ideologien verabschieden und schauen müssen, was die Menschen und der Wirtschaftsstandort brauchen, um gut durch diese Phase zu kommen.
Hat die ÖVP dafür nicht den falschen Koalitionspartner? Mit der SPÖ oder der FPÖ wäre das leichter umsetzbar als mit den Grünen.
Das Wunschszenario, dass man von heute auf morgen den Koalitionspartner einfach auswechselt, gibt es in der Realität nicht. Es ist Aufgabe beider Parteien in der Bundesregierung, hier Lösungen zu entwickeln.
Wir sollten endlich von der reinen Förderpolitik wegkommen, die immer nur im Nachhinein wirkt und zu Ungerechtigkeiten führt. Der Energiekostenzuschuss ist die Bewältigung der Vergangenheit. Er gilt von Februar bis September und wird voraussichtlich verlängert. Er hilft auch nur einem Teil der Unternehmen.
Wie vielen?
Vielleicht 20 Prozent. Die Energiekosten müssen mindestens drei Prozent der Produktionskosten ausmachen, um ihn beantragen zu können. Nehmen wir meinen Industriebetrieb als Beispiel her. Wir haben keine drei Prozent. Auch die Lebensmittelhändler nicht, obwohl die Kosten durch die Kühlgeräte etc. entsprechend hoch sind. Bei ihren kleinen Margen ist das eine Riesenherausforderung.
Der Energiekostenzuschuss löst das Problem nicht, dass wir aufgrund der hohen Energiekosten exorbitante Wettbewerbsverzerrungen auf dem europäischen und auf Weltmarkt haben.
Es werden Befürchtungen geäußert, dass ein Teil der Unternehmen abwandert. Ist das nur eine verbale Äußerung, um politisch Druck zu machen, oder ist das realistisch? Gibt es konkrete Beispiele?
Es ist ein realistisches Szenario. Wenn es sich für Unternehmen, die Niederlassungen in der ganzen Welt haben, nicht mehr rechnet, in Oberösterreich zu produzieren, werden sie gezwungen, diese in andere Länder auszulagern. Lenzing hat im Burgenland schon reduziert. Das Unternehmen fährt bereits ein Sparprogramm. Aber auch andere Großindustrien aus dem Bereich Zement, Papier, Ziegel, Stahl und Aluminium konkurrieren mit Weltmarktpreisen.
Es ist wieder einmal die Zeit der Befürchtungen. Alle Branchen befürchten, befürchten, befürchten. In der Corona-Krise haben die Betriebe derartig viel Staatsgeld bekommen, dass die befürchtete Pleitewelle nicht eingetreten ist. Wird das nun nicht wieder so sein?
Die Pleitewelle ist deshalb nicht eingetreten, weil Maßnahmen großzügig, richtig und sehr schnell gesetzt worden sind.
Das wird nun wieder passieren.
Wir haben die Lösungen noch nicht. In Deutschland wird es einen Gas- und Srompreisdeckel geben. Österreich hat das noch nicht. Das erwarte ich mir. Am liebsten hätte ich natürlich die Entkoppelung von Gas und Strom auf europäischer Ebene, nur wird das so schnell nicht kommen.
Wir können bei unserer wirtschaftlichen Situation nicht zusehen, wie Deutschland deckelt und wir nicht. Denn dann wird Wirtschaftskraft nach Deutschland abfließen. Wenn Europa nicht funktioniert, brauchen wir eine österreichische Lösung.
Die Wirtschaftsvertreter reden von einer Pleitewelle. Wie viele Betriebe werden pleitegehen?
Es wird Betriebe geben, denen es richtig schlecht gehen wird. Und es wird Betriebe geben, die gute Geschäfte machen. Ich hoffe, dass so wenig Betriebe wie möglich in Konkurs gehen müssen. Auch das Schrumpfen und Restrukturieren tut schon weh. Das bedeutet den Abbau von Arbeitsplätzen und die Verlagerung von Produktion. Das wollen wir aber nicht. Es wird wahrscheinlich eine spürbare Erhöhung bei den Konkursen geben.
Bei vielen Betrieben erhöhen sich die Energiekosten mit Jahreswechsel um den Faktor fünf bis zehn. Denn die meisten Verträge laufen mit Jahresende aus. Es melden sich viele Betriebe, die sagen, sobald die neuen Energieverträge zu laufen beginnen, können wir nicht mehr wirtschaftlich produzieren. Wir brauchen kalkulierbare, wettbewerbsfähige Preise.
Wird sich durch die Rezession der Mangel an Arbeitskräften entspannen?
Es wird ganz sicher zu Freisetzungen kommen.
In welchem Ausmaß? Derzeit herrscht mit einer Arbeitslosenrate von 3,5 Prozent de facto Vollbeschäftigung.
Die Freisetzungen werden sehr branchenspezifisch sein. Derzeit werden immer noch Mitarbeiter gesucht, es fehlen 35.000, die beim AMS gemeldet sind. Diese Zahl kann man verdoppeln, denn die Hälfte ist gar nicht mehr beim AMS gemeldet.
Es werden viele Fachkräfte schnell aufgesaugt werden, aber es wird im niedrig qualifizierten Bereich eine steigende Arbeitslosigkeit geben. Eine um ein bis zwei Prozent höhere Arbeitslosigkeit ist sicher ein realistisches Szenario. Die Phasen der Arbeitslosigkeit dürften auch wieder länger werden.
Es hat nun eine Diskussion um die Höhe der Entschädigungen für den steirischen Wirtschaftskammerobmann Josef Herk gegeben. Er erhält neben der bundeseinheitlich geregelten Basisfunktionsentschädigung 4.416,90 Euro brutto (zwölfmal im Jahr), dazu kommt künftig eine 50-prozentige Mehraufwandszulage.
Vom Wirtschaftsbund erhält er noch 4.000 Euro pro Monat. Also kommt er auf monatlich 12.000 Euro brutto (zwölfmal). In seiner Funktion als Geschäftsführer seiner eigenen Spenglerei bezieht er 3.700 Euro brutto. Wie ist das bei Ihnen geregelt?
Es gibt für mich den klassischen Bezug über die Wirtschaftskammer. Es gibt diese Funktionsentschädigung. Vom Wirtschaftsbund gibt es keine Zusatzgelder.
Das sind dann rund 4.400 brutto.
Es sind um die 6.000 Euro brutto, zwölfmal im Jahr. Das sind 3.000 Euro netto im Monat.
Das bedeutet, dass Sie in Ihrem Unternehmen arbeiten müssen.
Ich will arbeiten. Ich halte es für wichtig, dass ich in meinem Unternehmen operativ tätig bin. Allein von der Büroarbeitszeit ist das eine Hälfte-Hälfte-Sache. Abendtermine und Wochenendeinsätze sind da nicht eingerechnet.
Wenn man als Spitzenfunktionär für die Wirtschaft spricht, soll man wissen, was einen in der Branche und im Umfeld jeden Tag herausfordert und was zu lösen ist. Wenn man länger nicht im operativen Geschäft tätig ist, wird man systemblind.
Das will ich weder bei mir selbst noch bei meinen Funktionärinnen und Funktionären haben. Ich will lieber die Lösungen als die Probleme am eigenen Leib spüren.
Ich versuche auch, mir alle Produkte, die wir uns in der Kammer einfallen lassen, im eigenen Unternehmen anzusehen, ob sie sich bewähren. Momentan schaue ich mir die Neuregelung der Rot-Weiß-Rot-Card gemeinsam mit meiner Personalistin an.
Welche Mitarbeiter könnten Sie im EU-Ausland requirieren?
Wir haben zum Beispiel eine Bewerbung aus Bosnien. Eine Fachkraft für meinen metallverarbeitenden Industriebetrieb.
Er muss eine bestimmte Höhe verdienen.
Er muss eine gewisse Ausbildung haben und kollektivvertraglich eingestuft sein. Das ist nicht mehr die Hürde. Die Hürden vorher waren eher Deutschkenntnisse. Es gibt aber andere Hürden in der Verwaltung. Man muss zum Beispiel bei der Bezirkshauptmannschaft persönlich den Antrag einbringen. Oder die Hürde der Bewertung der Qualifikation.
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