Hochwasser "noch nie so schlimm"

OÖ: Schärding Hochwasser Lokalaugenschein
Die Lage in der Barockstadt hat sich drastisch verschlimmert. Ein Situationsbericht aus Schärding.

Christian A. aus Schärding wird Vater. Seine Freundin liegt seit den Morgenstunden in den Wehen. „Es wird ein Mädchen“, sagt der 28-Jährige voller Vorfreude, aber einen Haken gibt es schon: Wenn er zu ihr will, muss er erst knietief durch das Wasser waten.

„Sie liegt im zweiten Stock in unserer Wohnung, dort ist es trocken. Die Hebammen sind informiert – wir haben sowieso eine Hausgeburt geplant. Wenn es kalt wird, müssen wir aber ins Spital“, sagt er. Der Schärdinger erlebt bereits das dritte Hochwasser – „so schlimm wie diesmal war es noch nie.“

Nach der ersten Schwemme am Sonntag hat sich die Lage in der Barockstadt drastisch verschlimmert. Der Inn schwoll am Montag auf den Höchststand von 10,70 Meter an. Beim Jahrhunderthochwasser 2002 waren es 8,70 Meter, der Normalpegel liegt bei vier.

Große Teile der historischen Innenstadt sind überflutet und das Wasser stieg bis Montagnachmittag ohne Erbarmen. „Wir können fast zuschauen, wie es immer weiter vordringt“, sagt ein Feuerwehrmann. Im Burggraben, wo die Familie A. ein Geschäft hat, steht das Wasser schon bis zum ersten Stock.

„Wir müssen halt unsere Fenster zu Haustüren umfunktionieren“ scherzt ein Pensionist, der vom oberen Geschoß aus Feuerwehrmänner in ihrer Zille empfängt. Ihren dringenden Rat – „Verlassen Sie das Haus“ – befolgen nicht alle Bewohner der 240 Häuser in der Hochwasserzone.

So wie Christian S., der sich für eine kalte, feuchte Nacht im Salzstadl am Inn rüstet. Der 45-Jährige wohnt im Burggraben im zweiten Stock und befürchtet, dass das Wasser bald an seinem Dielenboden leckt. „Im Salzstadl haben wir Brennholz, Trinkwasser und ein Plumpsklo. Wir kommen schon zurecht. Ein echter Schärdinger geht nicht unter“, sagt er.

Bevor er sich dort mit dem befreundeten Besitzer einquartiert, will er noch zwei Dinge aus seiner Wohnung holen: „Meinen Hund Balu, den hab ich in der Hektik zurücklassen müssen, und die Espressokanne.“

Infrastruktur

Die Einsatzkräfte ziehen ununterbrochen mit Zillen ihre Runden durch das überflutete Gebiet, schauen bei den Daheimgebliebenen nach dem Rechten und hatten nebenbei noch zwei Zwischenfälle zu bewältigen: Eine Pumpstation brannte und eine Frau musste laut Wasserrettung reanimiert werden.

Von der Feuerwehr arbeiten 200 Mann rund um die Uhr, sagt Ernst Mair vom Einsatzstab. „Momentan kämpfen wir um die Infrastruktur. Der Strom ist teilweise abgeschaltet, jetzt wird die Wasserversorgung problematisch.“ Die Kläranlage habe ebenfalls den Dienst quittiert. „Im besten Fall kann sie in etwa zehn Tagen wieder in Betrieb gehen“, erklärt er.

Laut dem Hydrografischen Dienst habe der Inn in Schärding mit 10,70 Metern seinen Zenit erreicht und sei nun am Sinken.
Der werdende Vater Christian A. atmet gegen Abend auf: „Das Baby lässt sich eh noch Zeit und bis das Wasser weg ist, halten wir es in der Wohnung gut aus.“

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