Hintergrund der Neffentrick-Bande

Telefon-Keiler aus dem Ausland betrügen Senioren
Innerhalb weniger Tage wurden in Oberösterreich bereits 17 Keiler-Anrufe bei der Polizei angezeigt.

Unermüdlich attackiert derzeit eine raffinierte Bande von Telefonbetrügern den Großraum Linz in Oberösterreich. Mittlerweile 17 Anzeigen über hinterlistige Anrufe bei älteren Leuten wurden bei der Polizei angezeigt. Wegen der Art und Weise, wie die sogenannten Neffentrickbande agiert, sind Kriminalisten überzeugt, dass es sich um jenen Clan handelt, den der inhaftierte 49-jährige Andrusz L. gemeinsam mit Verwandten von Polen aus über zwei Jahrzehnte aufgebaut hat.

Erst Anfang September wurde in St. Pölten ein sogenannter "Abholer" von der Polizei auf frischer Tat geschnappt. Der Verdächtige hatte den Job, bei einem Opfer das per Telefon vereinbarte Geld abzuholen. Doch dort warteten schon Kriminalisten auf ihn. Auch in OÖ laufen derzeit die Ermittlungen auf Hochtouren. Gab es doch hier 2015 mit 640.000 Euro den bislang größten publik gewordenen Betrugsfall an einer Innviertlerin. Die beiden letzten bekannt gewordenen Fälle spielten sich am Freitag in Traun ab. Eine 66-Jährige wurde von einem Hochdeutsch sprechenden Mann, der sich als ihr Cousin ausgab, kontaktiert. Er wolle ein Grundstück in Grenznähe kaufen und sich dafür kurzfristig 90.000 Euro ausleihen. Obwohl die Frau erklärte, kein Geld zu haben, kündigte er einen Besuch an. Zu dem Treffen kam es aber nicht. Bei einer weiteren Traunerin meldete sich am Freitag eine angebliche Schwägerin aus Deutschland. Auch hier flog die Betrugsabsicht auf.

Telefonbuch

"Die Namen ihrer Opfer suchen die Keiler, die vermutlich in Polen sitzen, aufgrund von älter klingenden Vornamen aus dem Telefonbuch aus. Ein Logistiker, den er dabei hat, dirigiert einen Abholer, der im jeweiligen Land der Opfer aktiv wird", schildert ein kundiger Fahnder die Arbeitsweise der Betrüger. Bei den aufgeflogenen Keilern zeigte sich, dass es manche von ihnen auf mehr als hundert Anrufe pro Tag bringen, berichtet der Kriminalist. Am Telefon zeigen sich die Gauner als talentierte Schauspieler und bescheren ihren angeblichen Verwandten oft enormen psychischen Druck, warnen die Ermittler.

Der in St. Pölten Festgenommene ist ebenfalls ein Verwandter des in Posen in Polen angeklagten Andrusz L. Der war unter dem Spitznamen "Hoss" in den Fahndungslisten vieler europäischer Länder dick angestrichen. Im vergangenen März wurde er in Warschau verhaftet. Mittlerweile muss er sich in Posen vor Gericht verantworten. In Deutschland, der Schweiz und in Luxemburg soll er Senioren um mehrere hunderttausend Euro erleichtert haben. Bei einer Verhandlung Anfang Oktober zeigte er sich aber wenig auskunftsfreudig. Sein nicht minder aktiver Sohn "Lolli" ist in Hamburg inhaftiert. Gegen ihn wurden 62 Prozesstage anberaumt. Insgesamt, so schätzen die Ermittler, dürfte der Neffentrick-Clan im deutschsprachigen Raum einen Schaden von einer Milliarde Euro verschuldet haben. Auch ihn Österreich sind mehrere Europäische Haftbefehle offen.

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