„Hier ist die musikalische Kornkammer Österreichs“

"Botschaft an die Welt": Percussionist Martin Grubinger
Multipercussionist Martin Grubinger (35) steht am Donnerstag, 5. Juli, um 20.45 Uhr mit 25 anderen Musikern auf der Bühne am Linzer Domplatz. ORF 2 überträgt das Konzert.

KURIER: Was erwartet die Konzertbesucher?

Martin Grubinger: Wir haben einen Europaschwerpunkt. Wir wollen Europa hochleben lassen, auch jetzt, wo Österreich die Ratspräsidentschaft übernimmt. Mit „Pumping up the European rhythms“ wollen wir einen zwölf Minuten Querschnitt über Europa und seine verschiedensten Rhythmen feiern. In einer Suite präsentieren wir das Schlagzeug als Instrument in seiner ganzen Vielfalt, aus der klassischen Musik, dem Salsa, Tango, African Drumming, Tico Drumming, Funk, Rock, Fusion und Jazz.

Beim großen Abschnitt „Trains“ ist der Bischof musikalischer Pate. Wir lassen musikalisch die Züge über den Domplatz rauschen: Den Nostalgiezug, ICE, Railjet. Wir machen unter dem Titel „Zug“ Kompositionen von Oscar Peterson, Michel Petrucciani und den Breaker Brothers. Wir haben auch eine Nummer, die heißt „ Beirut“ (Libanon, Anm. Red.). Da ist der Bundespräsident musikalischer Pate. Sie hat tatsächlich dieses arabische Flair.

Warum ist der Bundespräsident Pate für dieses Stück?

Weil wir mit „Beirut“ anfangen und wir uns gedacht haben, am Beginn ist der Bundespräsident. Auch, wenn er nicht kommen kann. Er ist an diesem Abend in Erl bei den Festspielen. Aber ich habe mit ihm Schlagzeug gespielt. Und wir präsentieren ihn im Video-Clip.

Am Beginn haben wir „Beirut“, weil wir kommunizieren wollen, dass die Musik eine Weltsprache ist. Dass sie einen anderen Weg geht in Zeiten, wo wir uns wieder renationalisieren, zurückziehen wollen und glauben, wir müssen uns abschotten und große Mauern und Zäune errichten. Sie sagt, wir glauben an das Völkerverbindende. Egal, wer mit uns auf der Bühne sitzt, welchen Glauben oder welche Hautfarbe er hat, woher er kommt, wir machen Musik. Die Emotion, an die wir glauben, dass Musik für alle da ist, wollen wir vermitteln.

Dieses Mal ist auch das Bruckner Orchester dabei?

Ja. Wenn wir den letzten Ton gespielt haben, übernimmt das Bruckner Orchester gemeinsam mit dem Linzer „Hard Chor“ und präsentiert die Europahymne aus der Stiftsbasilika St. Florian. Das ist unser Gruß. Wir haben mit Ludwig van Beethovens neunter Symphonie, „Ode an die Freude“, die schönste Hymne der Welt. Es ist den wenigsten bewusst, was das für uns bedeutet.

Dieses Mal wird das Konzert über die EBU, die European Broadcasting Union, ausgestrahlt. Der ORF hat live Deutschland und Skandinavien dabei. Dann geht es nach Japan zur NHK. Das Konzert wird später weiter verwertet. Es gibt auch eine Live-Übertragung nach Mossul (Irak, Anm. Red.). Dort grüßen wir unsere europäischen Schwestern und Brüder. Wir sprechen ja oft von Werten. Unser wichtigster Wert ist Beethovens neunte Symphonie, es sind die Grundüberzeugungen, die Schiller im Text dieser Ode veröffentlicht hat. Ich glaube, jemand, der bei uns lebt, weil er aus einem anderen Land geflohen ist, versteht sehr gut, woran wir Europäer glauben, wenn er Beethoven hört. Das sind die Grundprinzipien unseres Zusammenlebens.

Wer wird heuer in den Video-Clips vorkommen?

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bischof Manfred Scheuer, Armin Wolf, Angelika Niedetzky, Cesár Sampson, Markus Poschner.

Inwieweit beeinflusst die Übertragung das Konzert?

Es hat großen Einfluss. Wir haben seit Wochen genaue Berechnungen, wie lange ein Stück dauert. Das ist wichtig, weil nach 120 Minuten die „Zeit im Bild“ kommt. Aber man muss sich vorstellen, es gibt das Philharmoniker-Konzert aus Schönbrunn, das Konzert aus Grafenegg, die Salzburger Festspiele und aus Bregenz die Eröffnung. Dass wir es geschafft haben, zum Hauptabend zwei Stunden Konzert live aus Linz zu bringen, das ist natürlich schön, weil Oberösterreich und Linz sind die musikalische Kornkammer Österreichs.

Warum? Wegen den Musikschulen, dem Bruckner Orchester, der Bruckneruni?

Genau, dieses goldene Dreieck ist einzigartig. Die Familien lernen in der Musikschule, spielen in der Blasmusik. Julia aus St. Martin im Mühlkreis ist zwölf Jahre alt und sagt, sie will später an der Bruckneruni studieren. Im besten Fall spielt sie irgendwann im Bruckner Orchester.

Oder bei den Wiener Philharmonikern.

Ja, das ist ein Schatz, um den die ganze Welt diese Region bewundert.

Wie macht man die Auswirkungen dieses Dreiecks fest?

An der Basis, wenn man in die Blasmusiken geht, weil die wesentlich besser spielen und groß besetzt sind. Die Familien sind dort verankert. Weltweit trifft man auf Oberösterreicher, die in den besten Orchestern spielen. Die Leute hier sind Musikanten im pursten, traditionellsten und ideellsten Sinne. Hier wird Musik als Grundnahrungsmittel gelebt.

Wie bereiten Sie sich auf das Konzert vor?

Wir trainieren seit Monaten, seit Dezember. Für uns ist es ein entscheidender Termin, weil das Fernsehen dabei ist, weil es ein Heimspiel ist und wir ein ganz neues Programm haben. Außerdem spielen wir nicht nur auf der Bühne, sondern auch zwei Mal aus dem Dom heraus. Wichtig ist, dass wir fit sind und, dass alles geprobt ist. Die Vorbereitung war noch nie so intensiv.

Das ist körperlich anstrengend. Wie schaffen Sie das?

Mit Training. Man steht bis zu zwölf Stunden pro Tag am Instrument, macht Sport, bereitet sich vor, lebt professionell und weiß, was auf einen zukommt.

Das heißt, kein Alkohol, bald ins Bett gehen, halbwegs gesund ernähren und so intensiv arbeiten, dass man ein gutes mentales Gefühl hat.

Ist das für Sie heuer das wichtigste Konzert?

Was die Masse betrifft an Zuhörern pro Konzert, ist es das größte, ja. Weil wir mit der EBU, den darauffolgenden Sendungen und den Streams über die Millionengrenze kommen werden. Wir sind auch wieder bei großen Festivals im In- und Ausland und haben Tourneen im Herbst.

Derzeit läuft die Fußball-WM. Was ist Ihnen bisher aufgefallen?

Ich habe das Gefühl, manche Stars sind ein bisschen ausgebrannt. Und die kleinen Mannschaften können Paroli bieten, weil sie weniger Spiele hatten.

Wer ist Ihr Lieblingsspieler?

Messi ist der Größte!

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