„Sich neue Belohnungen suchen“

„Jede Veränderung macht uns unsicher und fordert uns. Der innere Schweinehund sagt, lass es beim Alten“: Helga Obermair
Lebensberaterin Helga Obermair erklärt, warum so viele Neujahrsvorsätze so schnell versanden.

Helga Obermair ist seit vielen Jahren in Linz NLP-Lehrtrainerin, Lehrtrainerin für Lebens- und SozialberaterInnen-Ausbildungen, Systematische Psychotherapeutin und Supervisorin und Coach.

KURIER: Viele Menschen nehmen sich zum Jahresbeginn vor, Dinge in ihrem Leben zu ändern. Leider versanden die Vorsätze oft ebenso schnell, wie sie gefasst wurden. Warum ist das so?
Helga Obermair: Weil man nicht beim ersten Punkt anfängt, der notwendig ist, um etwas zu verändern. Man muss sich die Ist-Situation sehr ehrlich anschauen und entscheiden, was man wirklich genau machen will. Es gibt sich viele, die sich etwas wünschen. Man wünscht sich zum Beispiel etwas vom Christkind.

Die Wünsche ans Christkind gehen oft in Erfüllung.
Das ist etwas anderes. Vorsätze muss ich mir selbst erfüllen. Hier muss man ganz genau schauen. Jemand wünscht sich, dass er zum Beispiel zum Rauchen aufhört. Bei der Ist-Analyse muss man sich fragen, wozu will ich, dass ich damit aufhöre? Es muss eine Motivation geben. Die Person, die zum Rauchen aufhören will, sollte sich fragen, was will ich damit erreichen? Ist es aus gesundheitlichen oder kosmetischen Gründen? Will man Luft haben, um auf die Berge zu gehen? Je größer die Motivation ist, umso einfacher ist es. Die Motivation muss ich schon ganz am Anfang klären. Das Wozu ist das Wichtigste. Sich zu fragen, warum man raucht, bringt nichts. Das ist eine Frage in die Vergangenheit. Dagegen richtet sich die Frage nach dem Wozu in die Zukunft.

Was ist der zweite Schritt?
Dass man das anerkennt. Wenn man etwas erkennt, kann man es anerkennen. Anerkennen bedeutet, dass das bedrückt. Man weiß zum Beispiel, dass man übergewichtig ist. Wenn ich es anerkenne, beschäftige ich mich mehr damit. Nach dem Anerkennen kommt die Frage, was ist die Motivation für die Zukunft, dass ich wirklich aufhöre. Und wenn die Motivation stimmt, ist es wichtig, dass man sich wirklich ein Ziel setzt.
Der erste Schritt ist das Erkennen, was ist. Das Zweite das Anerkennen, daraus erfolgt die Motivation für die Zukunft. Das Dritte ist, das Ziel verbal zu kreieren, es positiv zu formulieren. Dann muss man sich das Ziel vorstellen können, ein Bild entwickeln können, und man muss spüren können, wie es ist, wenn man das Ziel erreicht. Wie fühlt sich das an, wenn ich es erreiche? Ist es das, was ich will? Denn wir bestehen nicht nur aus dem Denken, wir sind ganzheitlich. Körper, Seele und Geist haben damit zu tun, was ich will. Ich fühle es und frage meinen Körper, wie es sich anfühlt.
Ich arbeite nur mit Leuten, die entschieden sind. Das sind andere Qualitäten.

Es gibt manche Menschen, die sich zu hohe Ziele setzen. Zum Beispiel 20 Kilogramm abzunehmen.
Das Ziel ist negativ formuliert. Abnehmen ist negativ. Man könnte zum Beispiel auch sagen, mein Wunschgewicht ist 70 kg. Das will ich erreichen. Und 70 kg sind für mich ein Wohlfühlgewicht. Wenn man große Ziele hat, muss man Zwischenziele formulieren und Zwischenschritte setzen. Zum Beispiel 85 kg. Der nächste Zwischenschritt wären 80, der darauffolgende 75 kg.
Man hat auch zwischen dem Jetzt und 85 kg etwas zu tun. Man muss seine Einstellung überprüfen, denn man ist ja nicht umsonst stärker. Was denke ich über dünne und dicke Menschen? Unser Kopf hat schon etwas gespeichert, das uns sagt, das ist gut, das kann man erreichen oder es gibt hier Hindernisse. Meine Großmutter hat beispielsweise zu meiner Mutter gesagt, es ist gut, wenn man dicker ist, denn dann hat man immer etwas zum Dazubessern. So ein Ausspruch ist ein Hindernis. Solch innere Einstellungen machen uns das Abnehmen schwer.
Es ist ganz, ganz wichtig, dass man entschieden ist. Dann kann man bereits mit dem Planen beginnen. Wie teilt man sich zum Beispiel das Essen ein? Eine Variante wäre, abends keine Kohlenhydrate zu essen. Man kann auch einen Ernährungsberater aufsuchen, der einen unterstützt. Man braucht auch ein Bewegungsprogramm dazu.
Schließlich und endlich geht es um das Tun. Hier stellt sich die Frage, wie man mit dem inneren Schweinehund umgeht.

Was ist der innere Schweinehund genau?
Er ist ein Teil von uns allen, der uns nicht den ersten Schritt machen lässt.

Ist es Bequemlichkeit?
Bequemlichkeit kann es ganz leicht sein. Wenn man das Programm tatsächlich durchzieht, ändert sich etwas. Jede Veränderung macht uns unsicher und fordert uns. Der Schweinehund sagt, lass es beim Alten. Wir nennen das in der Systemarbeit Homöostase (Aufrechterhaltung des Gleichgewichts). Es ist der Versuch, das alte System wieder herzustellen. Der innere Schweinehund ist ein beharrender, ein bewahrender Teil. Wenn man etwas Neues machen will, braucht man tatsächlich mehr Energie. Der Übergang ins Tun ist ein heikler Punkt. Daran kann man ersehen, dass es umsonst ist, wenn man sich bloß Vorsätze vornimmt. Das kann man für kleine Vorhaben machen, zum Beispiel fürs Zusammenräumen der Küchenkästchen. Je größer das Ziel und die Motivation sind, umso mehr Arbeit hat man damit. Vorsätze umzusetzen ist eine harte Arbeit an sich selbst. Aber sie bringt uns weiter.

Wenn man einen Partner hat, sollte dieser die Umsetzung unterstützen.
Es gibt hier den Punkt, wer unterstützt mich bei der Umsetzung meines Vorhabens?Wenn man einen Partner hat und man weiß, es ist nicht so leicht umzusetzen, ist es wichtig, ihn einzubinden. Die Unterstützung ist schon erheblich, wenn man in Systemen lebt.

Wie lange sind die Zeiträume für die Umsetzung?
Man muss das schnell machen. Jene, die zum Rauchen aufgehört haben, haben sich gesagt, das schadet mir, und haben auf der Stelle aufgehört. Rauchen muss sofort umgesetzt werden, während die Abnahme von 20 Kilogramm länger dauert. Ich hatte eine Teilnehmerin in der Ausbildung, die ganz viel abgenommen hat. Aber sie hatte eine ganz schlechte Strategie, weil sie fast nichts gegessen hat. Nach vier Monaten ist sie krank geworden, sie musste das radikale Abnehmen abbrechen und sie hat wieder zugenommen. Jetzt weiß sie, dass sie das langsam angehen muss, in Zwischenschritten, und dass Bewegung dazugehört. 20 Kilogramm abzunehmen ist ein Programm für mindestens ein Jahr. Süchte zu beenden muss man hingegen schnell umsetzen. Zu viel zu essen ist letzten Endes auch eine Sucht.

Eine Sucht wonach?
Dass man eine innere Leere spürt, die man füllen will, dass man sich einsam und alleine fühlt. Die meisten Menschen sehen Essen als Belohnung. Eine Möglichkeit für einen Vorsatz zum Jahreswechsel wäre, sich neue Belohnungsmöglichkeiten zu suchen. Man sollte sich fragen, was tut einem gut, was liebt man sonst noch? Man nimmt sich beispielsweise Zeit zum Lesen, man trifft Menschen zum Spazierengehen. Es soll etwas sein, was einem gut tut.

Ihre Kernbotschaft in ein paar Worten?
Ein Vorsatz ist einfach ein guter Beginn, um Ziele umzusetzen. Bei kleinen Dingen könnte es funktionieren, bei großen Dingen muss man daran arbeiten. Zur Umsetzung ist ein Programm notwendig.

Wie erreiche ich meine Ziele?

1. Erkennen, wo ich stehe
2. Anerkennen, was ist (Motivation)
3. Das Ziel verbal kreieren
4. Sich das Ziel in Bildern vorstellen, fühlen, wie es ist, am Ziel zu sein
5. Sich fragen, will ich es wirklich?
6. Wie gehe ich es an? Planung
7. Welche Einstellungen helfen mir dabei, welche hindern mich?
8. Wer kann mir dabei helfen?
9. Handeln und Tun (den inneren Schweinehund überwinden)

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