"Haben Öffnung verabsäumt"

Maria Buchmayr
Die Grüne Landessprecherin über die Ursachen für das katastrophale Wahlergebnis.

Maria Buchmayr ist Landessprecherin der Grünen. Die 47-jährige Mutter von drei Kindern gehört seit 2009 dem Landtag an und war von 2003 bis 2009 Gemeinderätin in Linz.

KURIER: Welche Erkenntnisse haben Sie gezogen, nachdem die Grünen aus Parlament geflogen sind?Maria Buchmayr: Der 15.Oktober war der schwärzeste Tag in der Geschichte der Grünen. Der große Schock ist immer noch da. Wir haben auf allen Ebenen begonnen, das Ergebnis schonungslos zu analysieren. Was ist schon seit mehreren Jahren schief gelaufen?

Gibt es schon Erkenntnisse?

Für mich haben sich drei wesentliche Punkte herauskristallisiert. Es sind in den vergangenen Monaten operative Fehler passiert. Es sind falsche bzw. zu schnelle Entscheidungen getroffen worden. Stichwort junge Grüne. Hier sind auch Kommunikationsfehler passiert.

Ein weiterer Punkt war der Rücktritt von Bundessprecherin Eva Glawischnig. Dazu kam die Art und Weise der Erstellung der Kandidatenlisten für den Nationalrat. Hier ist ein starkes basisdemokratischer Ansatz da. Das ist eine große Belastung für die KandidatInnen. Denn es findet vor der Listenwahl der interne Wahlkampf statt, der sehr viel Energie bindet. Diese Energie geht ausschließlich nach innen statt nach außen. Die Listenerstellung führt dazu, dass manche KandidatInnen zutiefst verletzt sind. Diese Verletzungen, die auch im zwischenmenschlichen Bereich passieren, schwächen uns. Es ist ganz schwer, nachher wieder zusammen zu finden und einen positiven Wahlkampf zu führen.

Sie streben ein neues Verfahren zur Listenerstellung an. In welche Richtung soll es gehen?

Wie es aus jetziger Sicht ausschauen könnte, kann ich noch nicht sagen. Hier muss man etwas verändern, um zu einem gemeinsamen Team zu finden. Was passiert, wenn man nichts ändert, hat man am Beispiel von Peter Pilz gesehen. Ich bin nach wie vor menschlich schwerstens von ihm enttäuscht. Wir müssen unsere gesamte Parteistruktur anschauen, wo man etwas verbessern kann.

Sie haben nach der Landesversammlung die basisdemokratische Listenerstellung verteidigt. Zudem wurde nach der Abwahl von Pilz argumentiert, dass es eben nun einen Generationenwechsel gibt.

Das ist genau die Frage, wie wir zu einem Generationenwechsel kommen, der uns gemeinsam weiterarbeiten lässt und keine Streitereien und Verletzungen stattfinden. Das kann man nicht sich selbst überlassen. Wie schaffen wir es, dass wir gut dastehen? Man muss bereits vorher schauen, wie das Team aussehen soll, wie breit es altermäßig und thematisch aufgestellt sein soll.

Damit bin ich bei einem weiteren Punkt. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Öffnung verabsäumt. Wir waren doch sehr auf unsere Gremien und den dortigen Diskussionen bezogen.

Sie haben zu sehr im eigenen Saft geschmort?

So kann man es auch ausdrücken. Wir sollten die Augen und Ohren wieder mehr draußen haben. Wie erweitern wir unsere Blickwinkel? Wir kommen wir zu einer größeren Breite an Menschen, die sich bei uns aktiv betätigen?

Ich habe sehr viele Gespräche geführt und ich toure durch das Land, um mit unseren AktivistInnen das Gespräch zu suchen. Auf meinen Aufruf um Stellungnahme haben ich per Mail einen sehr starken Rücklauf erhalten. Unsere Werte und Grundhaltungen sind unumstößlich: Umweltschutz, Ökologie, Menschenrechte, Gleichberechtigung und Gleichstellung. Aber wir haben es verabsäumt, in die Breite zu gehen und zu hören, was die Menschen im täglichen Leben bewegt. Das kam zu kurz, wir haben uns zu sehr auf die internen Diskussionen konzentriert und zu wenig auf das , was draußen passiert.

Wir sollten uns darauf besinnen, warum sich die Grünen gegründet haben. Es ist wichtig, dass es die Grünen gibt und das Gemeinsame wieder mit den Menschen zu erarbeiten.

Warum haben so viele traditionelle Grün-Wähler aus strategischen Gründen die SPÖ gewählt?

Ich kann nur Vermutungen anstellen. Offenbar ist es uns nicht gelungen klar zu machen, warum es wichtig ist Grün zu wählen. Gerade in einer Situation, wo die Parteien rechts der Mitte stärker werden. Unsere Antwort war zu wenig überzeugend. Durch unsere operativen Fehler hat auch ein Vertrauensverlust stattgefunden. Da haben sich offensichtlich viele gedacht, wir stärken Kanzler Kern. Es war ein strategischer Fehler , dass wir nicht rechtzeitig klar gemacht haben, dass es um alles geht. Es hat sich keiner vorstellenkönnen, dass die Grünen nicht mehr im Nationalrat sind.Wir hätten das viel stärker vermitteln müssen.

Aber es ist nun folgendes Phänomen eingetreten. Wir verzeichnen seit dem 15. Oktober sehr viele Mitgliedsbeitritte. Es gibt eine starke Solidarität. Wir wollen das nützen, um zu vermitteln, dass Grüne Politik im Nationalrat wichtig ist. Unser Ziel ist es, bei der Wahl 2022 wieder im Nationalrat vertreten zu sein.

Die Bundespartei ist nun mit Schulden von fünf Millionen Euro belastet. Wird die oberösterreichische Landesgruppe einen Beitrag zum Schulden-Abbau leisten?

Es ist ganz klar, dass sich alle neun Bundesländer daran beteiligen werden. Es finden Arbeitssitzungen aller neun Landesgeschäftsführer darüber statt.

Wie hoch wird der Beitrag sein?

Wir werden es transportieren, wenn das Konzept fertig ist. Das wird in unseren Gremien intensiv diskutiert werden.

Sie haben dann weniger Geld zur Verfügung.

Das ergibt sich daraus.

Wird es in der Landesgruppe zu einem Personalabbau kommen?

Nein. Es ist wichtig, dass die Landesorganisationen stark bleiben. Im nächsten Jahr finden in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg Landtagswahlen statt. Es ist wichtig, das alle gute Ergebnisse haben und dadurch ein starkes Lebenszeichen der Grünen geben. Dadurch kann sich wieder eine starke Bundesbewegung bilden.

In unserem Interview vom 30. Juli sprachen Sie von einer Aufbruchsstimmung. Ähnlich ist es der Landes-ÖVP 2015 ergangen. Da war die Stimmung auch sehr gut, aber bei der Wahl hat sie mehr als zehn Prozent verloren.

Es war so. Das Feedback der Menschen war positiv. Da haben wir schon ganz Anderes erlebt. Aber die letzte Überzeugung, den Grünen die Stimme zu geben, war offensichtlich zu gering. Deswegen ist die Enttäuschung und Trauer unserer Leute entsprechend groß.

Ein wichtiges Thema bei der Wahl war die Migration. Peter Pilz hat hier mit dem Kampf gegen den politischen Islam und der Begrenzung eine völlig konträre Meinung zu den Grünen vertreten. Es ist soeben ein Sammelband linker Autoren zur Migration ("Flucht, Migration und die Linke in Europa") erschienen. Deren Kritik: Die Linke hat sich zuwenig mit den durch die Migration verursachten Spannungen in der Gesellschaft auseinander gesetzt. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?Die Abgeordnete Gabiele Moser hat erklärt, dass sie sich mit ihrer Position in der Partei nicht hat durchsetzen können. Die Grünen hatten bisher das Image, dass sie für den ungebremsten Zustrom eintreten und dass alle, die da kommen, gut und arm sind und deshalb unserer Hilfe bedürfen.

Ich habe das bei meiner Analyse bereits angesprochen. Die Grund- und Wertehaltung ist unumstößlich. Wir halten die Menschenrechte und die Würde der Menschen hoch. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wir müssen Menschen, die vertrieben werden, Asyl geben.

Wir haben uns aber in den vergangenen Jahren sehr auf unsere internen Herangehensweisen konzentriert. Es ist ganz wichtig, mit den Menschen zu sprechen, ihre Ängste wahrzunehmen und diese in die politische Arbeit auch einfließen lassen. Unsicherheiten, Ängste und Bedenken sind da. Es ist unsere Aufgaben sie ernst zu nehmen. Das wird ganz wichtig sein. Wir müssen begreifen, was die Menschen verunsichert. Was braucht es, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen? Das müssen wir uns vor Augen führen und zum Thema machen.

Welche Konsequenzen hat das katastrophale Wahlergebnis für die Landtagswahl 2021? Wird es einen Generationenwechsel geben? Wer sind die Leute, die nachkommen?

2021 wird eine sehr wichtige Wahl werden. Es beginnen nun die Arbeit an der Struktur und an der Art der KandidatInnenfindung. Es ist viel zu früh, über konkrete Personen zu sprechen. Die Reformen betreffen nicht nur unsere Landesorganisatin, sondern auch die Bundesebene.Wir wollen 2021 mit einem KandidatInnenteam antreten, das gut, stark und vielfältig ist.

Die schwarz-blaue Regierung ist nun die ideale Konstellation, an der sich die Grünen hocharbeiten können.

Ihre Maßnahmen sind höchst unsozial. Es ist unsere Aufgabe das aufzuzeigen und unsere Grünen Gegenentwürfe zu liefern.

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