Dr. Graugans und Mag. Waldrapp: Was Menschen von Vögeln lernen können

Waldrapp
In der Konrad Lorenz Forschungsstelle im Wildpark Grünau ist die Bevölkerung in die Beobachtung der Tiere eingebunden.

Graugänse sind erstaunliche Tiere. Sie fliegen täglich in kleinen Gruppen los, eine Gans übernimmt die Führung. In Forschungen wurden den Tieren Persönlichkeitseigenschaften zugeordnet, die Ergebnisse sind überraschend: Ganz vorne fliegt nicht jene Gans, die am dominantesten ist, sondern die mutigste, die die anderen vor Fressfeinden und weiteren Gefahren beschützt.

"Dahinter kommen dann jene Tiere, die erkundungsfreudig sind. Die suchen sich aus, wer die Führung innehat", erklärt Sonia Kleindorfer. Daraus könnten auch Menschen viel über Führungsstile und Hierarchien lernen, nämlich: "Das Kollektiv bestimmt, wer die Verantwortung übernimmt."

In der Konrad Lorenz Forschungsstation der Uni Wien, die im Cumberland Wildpark im Almtal angesiedelt ist, forscht ein Team aus internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seit 1973 zu den Vögeln - und zu weiteren Arten. Kleindorfer leitet die Einrichtung, die ständig erweitert wird - demnächst durch ein neues Open Science Center.

Was kann uns das tierische Verhalten noch aufzeigen? Da fällt der Verhaltensbiologin und Ornithologin Kleindorfer sofort ein weiteres Beispiel ein:

Dr. Graugans und Mag. Waldrapp: Was Menschen von Vögeln lernen können

Sonia Kleindorfer

"Gesicht, Charakter und Stimme sind bei jeder Graugans individuell. Trotzdem sind es extrem soziale Tiere, die immer aufeinander achten. Unsere Gössel (Gänseküken, Anm.) werden von uns mit der Hand aufgezogen. Dabei gibt es immer eine wild lebende Gans, die versteht, dass wir Zieheltern dem Nachwuchs nicht das Fliegen beibringen können. Dabei hilft die ausgewachsene Gans dann", erzählt die Forscherin. Das soziale Bewusstsein für die Befindlichkeiten aller sei bei Graugänsen sehr groß.

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Die Forschungsstation ist direkt in den Cumberland Wildpark integriert, viele Besucherinnen und Besucher gehen daran vorbei. Prinzipiell sieht es das Team sowieso als Aufgabe, die Bevölkerung in die Forschungsarbeiten einzubinden.

Mit Apps den Vogel melden

Das funktioniert zum einen über speziell entwickelte Apps, die aktuell von 1.500 Menschen genutzt werden. Über das Smartphone können Sichtungen von Graugans, Waldrapp und Kolkrabe gemeldet werden, wer mag, gibt noch Details zum Aufenthaltsort und Verhalten der Tiere bekannt: "Das sind sehr nützliche Daten für die Wissenschaft."

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Zum anderen werden Kinder und Schulklassen bewusst in die Sammlung von Daten integriert, wenn sie vor Ort sind: "Alle Graugänse sind beringt und können so identifiziert werden. Wir haben die Daten der Kinder mit jenen der Ornithologen verglichen, die sind ähnlich robust."

Daten aus den 1950er-Jahren

Die Graugans ist die am längsten markierte, individuell beobachtete Tierart auf der ganzen Welt, 70 Jahren gehen die Daten zurück. Konrad Lorenz begann im Jahr 1952 systematisch, alle Tiere aufzuschreiben, die Forschungsstation im Almtal gibt es seit 1973. Doch nicht nur die Graugans, auch Kolkrabe und Waldrapp spielen mittlerweile eine große Rolle:

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Letzter war 350 Jahre lang ausgestorben. Ab 1997 wurde im Almtal eine Population aufgebaut, mittlerweile gibt es wieder 150 frei lebende Waldrappe in Europa und weltweit rund 700 der seltenen Vögel.

"Es ist unglaublich, wie sich die Waldrapp-Kolonien gegenseitig finden. Kein Mensch weiß, wie diese geographische Ortung funktioniert. Tiere, die bei uns geboren wurden, finden Tiere in Salzburg, verlieben und paaren sich. Wir haben mittlerweile ein Liebespärchen in Italien, ein anderes in der Schweiz", freut sich Sonia Kleindorfer.

Die Erkenntnis: "Wenn wir alle zusammenhelfen, können wir gemeinsam vom Aussterben bedrohte Arten retten."

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