Glückseligkeit am Freinberg
Samstag, 10 Uhr Vormittag, am Freinberg in Linz: Die Stimmung als „entspannt“ zu bezeichnen, wäre pure Untertreibung. Sie ist schier transzendent. Hunderte sitzen auf der Wiese hinter dem Aloisianum auf bunten Decken – teils mit geschlossenen Augen und tief in der Meditation. In ihrer Mitte ein Bauwerk, verhüllt von einem gelben Vorhang. Auf den Stufen stehen Opfergaben: Blumen, Statuen, Kerzen und Schriftrollen.
„Dass heute der Stupa enthüllt wird, ist für uns ein ganz besonderes Ereignis“, sagt eine Linzerin in weißem, wallenden Chiffon. Sie unterbricht mitten im Satz, als der tibetische Stupa-Meister Lama Chogdrup Dorje sein Mantra anstimmt. Wie ein Bienenschwarm summt die Menge mit.
„Für jemanden, der in einem katholischen Umfeld sozialisiert ist, mag das ein bisschen komisch ausschauen“, räumt ein 54-jähriger Besucher ein. Walter ist Psychotherapeut und seit zehn Jahren Buddhist – und er lernt immer noch, täglich bei seiner Meditation. Was der Glaube ihm bringt, wie er ihn verändert hat? Er überlegt eine Weile, sagt dann: „Er hilft mir, glücklich zu sein.“
No Time for Ego
„Frieden, Glück, Freiheit und Harmonie“ soll es bringen, das Bauwerk mit einem sogenannten Lebensbaum als Zentrum. Stupas sind ein bedeutendes Symbol im Buddhismus: Wer um sie herumgeht, darf sich etwas wünschen – Gesundheit, Glück, Liebe. Im Idealfall „allen Lebewesen“, denn im Buddhismus gilt: „No Time for Ego“, wie das T-Shirt eines jungen Mannes bei der Zeremonie mahnt.
Nach der feierlichen Enthüllung am Samstag folgt heute, Sonntag, die Übergabe an die Stadt Linz. Der politische Wirbel um die Erbauung des Stupa am Freinberg hat sich mittlerweile beruhigt. ÖVP und Grüne hatten kritisiert, Bürgermeister Franz Dobusch hätte den Gemeinderat vorab zu wenig über das Projekt informiert. Anrainer beklagten, das Sechs-Meter-Heiligtum würde ihnen die Aussicht verstellen. „Ganz im Gegenteil, es bereichert die Gegend“, sagten am Samstag viele.
25.000 Buddhisten gibt es in Österreich – und sie werden immer mehr. Laut ÖBR, der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, treten jedes Jahr 250 neue Mitglieder bei. Wie viele es in Oberösterreich sind, lässt sich nicht exakt beziffern, erklärt Karin Beate Kraml vom Diamantweg-Zentrum in Linz: „Es ist keine Religion mit einem fixen Mitgliedsregister, sondern mehr eine Philosophie mit vielen unterschiedlichen Strömungen. Unser gemeinsamer Nenner ist das Ziel der Erleuchtung.“
Die Diamantweg-Gruppe in Linz ist in einem Netzwerk von weltweit 640 Gruppen und zählt 70 Mitglieder. Die Zahl der Interessenten sei drei Mal so hoch, sagt Kraml. Das spirituelle Oberhaupt der Karma-Kagyü-Schule, einer Linie des tibetischen Buddhismus, ist Thaye Dorje in Indien. „Im Vorjahr war er in Linz und hat den Spatenstich für den Stupa gemacht. Das war eine große Ehre. Die buddhistische Welt schaut jetzt auf Linz, wenn wir den Stupa mit einer Zeremonie eröffnen“, sagt Kraml.
Bevor der Förderverein die Stupa am Freinberg erbauen ließ, traten die Linzer auf ihrer Suche nach Erleuchtung öffentlich kaum in Erscheinung. „Buddhisten sind keine Hausierer, sie arbeiten mit dem eigenen Geist. Wir fallen nur jenen auf, die uns suchen.“
Neue seien jederzeit willkommen, unverbindlich „reinzuschnuppern“, betont sie. Eine gute Gelegenheit sei die wöchentliche Meditation – jeden Freitag um 20 Uhr im Buddhistischen Zentrum (Hauptplatz 15, Linz).
Kommentare