Gebärende Maria: VP-Kulturstadträtin will Skulptur für Linz kaufen
Die Ausstellung der Skulptur "crowning" von Esther Strauß, Performance- und Sprachkünstlerin und Lektorin für Sprachkunst an der Kunstuniversität Linz, im Linzer Mariendom hat hohe Wellen geschlagen. Die Künstlerin zeigt Maria auf einem Felsen sitzend im Moment der Geburt Jesu, genau zu dem Zeitpunkt, als der Kopf des Kindes zum Vorschein kommt.
Das Werk nimmt Bezug auf die 1913 von Sebastian Osterrieder fertiggestellte Krippe im Mariendom, die mit 40 Figuren aus Lindenholz zu den größten Krippenszenerien der Welt zählt.
"Esther Strauß, die sich in ihrer künstlerischen Arbeit gezielt Lücken und Geheimnissen widmet, greift mit der Figur crowning rund 110 Jahre nach der Fertigstellung der Krippe die Leerstelle der Geburt Christi aus feministischer Perspektive auf", erläutert die Diözese Linz die Intention des Kunstwerks.
Kopf der Skulptur abgesägt
Wenige Tage nach Beginn der Ausstellung, als es schon massive Anfeindungen gegeben hat, eskalierte der Protest: Ein bislang unbekannter Täter ist an einem Montagvormittag in den Ausstellungsraum im Mariendom gegangen und hat die gebärende Maria mit einer mitgebrachten Säge geköpft.
Zwei Verdächtige gibt es. Einen 73-jährigen Linzer und einen 31-jährigen Wiener. Beide seien schon am Tag der Tat als Besucher des Mariendoms verdächtig gewesen. "Personen wurden befragt, dabei ist er aufgefallen", sagt Ulrike Breiteneder von der Staatsanwaltschaft Linz. Außerdem habe er sich bei der Befragung kritisch gegenüber der Skulptur geäußert, ergänzt Breiteneder, fügt aber hinzu: "Er sagt, er hat nichts mit dem Köpfen der Maria zu tun."
Zwei Verdächtige
Der zweite Verdächtige war auch zum Tatzeitpunkt am Tatort, wurde aber bislang nicht einvernommen. Vorerst wird überprüft, ob die gefundenen Blutspuren zu dem jungen Mann passen, gegen den übrigens auch wegen "Gutheißens einer mit Strafe bedrohten Handlung" ermittelt wird. Er soll auf diversen Internetforen den Vandalenakt abgefeiert haben.
"Auf Einladung des Kollektivs DonnaStage entwickle ich ein ortsspezifisches Kunstwerk für den Linzer Mariendom.
In der acht Meter langen Domkrippe finden sich zwei Marienfiguren: Die erste kniet mit gefalteten Händen neben ihrem Kind, die zweite stützt ihr Kind auf dem Schoß.
Ich stelle diesen beiden Figuren eine dritte Maria zur Seite. Das Kind, für das die anderen beiden Marien Sorge tragen, wird von der dritten Maria zur Welt gebracht.
Der Titel des Kunstwerks crowning meint im Englischen zweierlei: Er lässt sich einerseits mit Krönung übersetzen, bezeichnet aber auch den Moment im Geburtsprozess, bei dem der Kopf des Kindes in der Vagina am höchsten steht und von der Vulva wie einer Krone umschlossen wird."
Abseits der strafrechtlichen Ermittlungen wird über Möglichkeiten diskutiert, ob und wo die gebärende Maria wieder in Linz ausgestellt werden könnte.
Herbergssuche in Linz statt Bethlehem
Während die Diözese Linz sich bereits festgelegt hat, dass die Skulptur nicht mehr im sakralen Umfeld des Mariendoms gezeigt werden wird, ist eine neuerliche Herbergssuche der gebärenden Maria im Gang - Linz statt Bethlehem sozusagen.
Und in dieser Debatte lässt ÖVP-Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer aufhorchen: "Ich werde vorschlagen, dass wir als Stadt Linz diese Skulptur von Esther Strauß ankaufen. Das würde ich gut finden."
Sie werde das bei nächster Gelegenheit in den entsprechenden Gremien mit den Kuratorinnen und Kuratoren besprechen: "Durch die vielen Debatten und den Vandalenakt ist die gebärende Maria auch zu einem Zeitdokument der Stadt Linz geworden."
Linz soll Skulptur kaufen und im Nordico zeigen
Deshalb sei das Nordico Stadtmuseum ein passender Ort, um der Skulptur einen neuen Raum zu geben, schlägt sie vor und erinnert gleichzeitig an die höchst erfolgreichen feministischen Ausstellungen wie "Heimat großer Töchter" oder "What the fem": "Die gebärende Maria würde gut ins Nordico passen."
Wichtig sei darüber hinaus, dass weiterhin eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Werkes der Künstlerin erfolge: "Was ist die Bedeutung der Figur, welche Rolle hat die Frau in der Kirche?" Vor allem, weil die Skulptur sofort zu heftigen Reaktionen geführt habe, sei es wichtig, in dieser Frage den Dialog zu suchen.
Der Diözese spricht Lang-Mayerhofer erneut ein großes Kompliment aus: "Ich schätze die Offenheit der Kirche, der Diözese Linz und des Mariendoms, sich auch über die Kunst mit zeitgemäßen Themen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen."
Landeshauptmann Stelzer verweist auf Fachleute
Thomas Stelzer, ÖVP-Landeshauptmann und Kulturreferent des Landes, hält "gar nichts davon, etwas zu zerstören, weil es einem nicht gefällt oder widerspricht". Denn in der Kunst müsse nicht jedem alles gefallen, "aber Gewaltakte sind niemals eine akzeptable Lösung", betont er.
Zur Frage einer neuerlichen Ausstellung der gebärenden Maria und ob sich das Land diesbezüglich engagieren wolle, will sich Stelzer im Gegensatz zur Linzer ÖVP-Kulturstadträtin nicht positionieren: "Ausstellungen kuratieren bei uns die Fachleute, das sind keine politischen Entscheidungen."
Was sagt die Künstlerin?
Auch Künstlerin Esther Strauß hat dem KURIER schriftlich einige Fragen beantwortet.
KURIER: Wie geht es Ihrer Skulptur crowning, der gebärenden Maria und wo ist sie jetzt?
Esther Strauß: Maria befindet sich in meinem Atelier.
Konnten Sie ihre Wunden heilen, wie Sie es nach der Attacke formuliert haben?
Ich habe nie gesagt, dass ich die Wunden der gebärenden Maria heilen werde. Ich habe gesagt: Ich werde Marias Wunden versorgen. Das tue ich; das braucht Zeit.
Was sagen Sie zur Entscheidung der Diözese Linz, Maria nicht mehr im Ausstellungsraum im Mariendom und gar nicht mehr im kirchlichen Umfeld zu zeigen?
Es stand weder von Seiten der Diözese noch von meiner Seite zur Diskussion, „crowning“ noch einmal im Mariendom auszustellen. Martina Resch hat in Wien darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, „crowning“ in einem Linzer Ausstellungsraum im Kontext der zeitgenössischen Kunst und unabhängig von den Kunsträumen der Diözese Linz zu zeigen. Die Gespräche dazu laufen gerade.
Können Sie die Kritik und die Verstörung, die viele empfunden und artikuliert haben, nachvollziehen?
Ich wurde eingeladen, mich aus feministischer Perspektive mit der Heiligen Familie auseinanderzusetzen – das habe ich getan. Es steht jeder und jedem frei, die Skulptur abzulehnen. Für mich persönlich ist eine Geburt, sofern ihr Freiwilligkeit zugrunde liegt, ein Ausdruck von Kreativität und Mut.
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