Gekippte Mindestsicherung: Verwirrung um Landesgesetze

SPÖ-Landesrätin Birgit Gerstorfer
Nach dem Spruch der Verfassungsrichter müssen die Landtage zur Gesetzesreparatur antreten.

Nach dem Spruch der Verfassungsrichter müssen die Landtage zur Gesetzesreparatur antreten. Weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Kernpunkte des neuen türkis-blauen Sozialhilfegesetzes aufgehoben hat, ist in etlichen Abteilungen der Landesregierungen in Ober- und Niederösterreich der Weihnachtsfrieden gestört. In beiden Ländern werden mit 1. Jänner Umsetzungsgesetze rechtskräftig, die in zwei Hauptpunkten nicht verfassungskonform sind. Der richtige Umgang mit dieser Situation dürfte bei den zuständigen Soziallandesräten und Landesjuristen für rauchende Köpfe sorgen.

„Sozialhilfe neu“ gekippt: Nur zwei Länder wollten sie umsetzen

In seiner Art recht forsch will der in NÖ zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl vorgehen. Die vom VfGH verpönten Regelungen, nämlich Sprachkenntnisse als Bedingung für die Sozialhilfe zu verlangen und diese mit der Anzahl der Kinder zu senken, sollen in NÖ einfach von den Bezirksbehörden nicht vollzogen werden, so Waldhäusl.

Für Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer in OÖ, die auch SPÖ-Landeschefin ist, tut sich mit dem VfGH-Urteil eine delikatere Situation auf. Mit schwarz-blauer Mehrheit wurde im oö. Landtag das Umsetzungsgesetz gegen SPÖ und Grüne beschlossen. Gerstorfer, die das Gesetz „handwerklich schlampig mit niedrigen Motiven“ nennt, müsste es als Regierungsmitglied umsetzen.

Zwar machte auch sie in mehreren Medien klar, dass die gekippten Regeln in OÖ nicht umgesetzt werden können. Gerstorfer hat aber vorerst die Verfassungsjuristen des Landes beauftragt, zu erkunden, wie der Spruch des VfGH abzuarbeiten sei. Die Landesrätin Gerstorfer dürfte eine laute Ankündigung eines Nichtvollzugs des Gesetzes aber auch meiden, weil es in ihrem Umfeld Stimmen gibt, die meinen, man könne ein beschlossenes Landesgesetz nicht so einfach nicht umsetzen. Das müsse ebenfalls durch den Spruch eines Höchstgerichts gedeckt sein. Doch eine Beschwerde gegen das schwarz-blaue Landesgesetz wurde nicht eingereicht. Gut möglich, dass der oö. Landtag also sein Gesetz im Jänner zurückwirkend reparieren muss.

Forderungen

Sachpolitisch deponierte Gerstorfer Mittwoch zur „Sozialhilfe Neu“ drei Forderungen an die türkis-grünen Regierungsverhandler: „Eine Kinder-Grundsicherung für Familien in prekären Situationen wäre ein erster Schritt im Kampf gegen Kinderarmut“, sagte sie. Zweitens müsse das AMS zum „One-Stop-Shop für Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werden, um Arbeitsvermittlung und finanzielle Hilfe unkompliziert aus einer Hand zu erhalten“. Drittens soll den 300.000, die in Österreich armutsgefährdet sind, obwohl sie arbeiten, geholfen werden. Ein steuerfreier Mindestlohn von 1.700 Euro wäre die Antwort darauf, so Gerstorfer.

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