„Gai-Fahrer“: Brot, Milch und ein offenes Ohr
Wenn in den Dörfern rund um Niederkappel ein Gong erklingt, ist es Zeit zum Einkaufen – und zwar direkt vor der Haustür. Markus Pumberger ist Bäcker in der 970-Seelen-Gemeinde im Bezirk Rohrbach. In seiner rollenden Filiale, die neben Gong- auch Straßenbahn-Klingeltöne abgeben kann, hat er von frischen Obst über Gebäck und Grundnahrungsmittel alles für den täglichen Bedarf dabei – „und ein offenes Ohr noch dazu". Für viele, besonders ältere Menschen, ist der sogenannte „Gai-Fahrer" nicht nur Nahversorger, sondern oft auch der einzige Ansprechpartner, weiß Pumberger.
So werden zwischen Brot, Milchprodukten und erstaunlich großen Mengen an Katzenfutter auch Tipps zur Gartenpflege, Kochrezepte und handwerkliche Kniffe ausgetauscht, erzählt Verkäuferin Veronika Hötzendorfer. Schon als siebenjähriges Mädchen ist sie mit einem Brotkorb durch die Dörfer gezogen.
Täglicher Bedarf
Wie wichtig ein Gai-Fahrer in Ortschaften ist, in denen es keinen Nahversorger mehr gibt, beschreibt Chefin Gabriele Pumberger anhand der Nachbargemeinde Obermühl an der Donau. „Der nächste Supermarkt ist sieben Kilometer entfernt. Wenn man einen Liter Milch braucht, kostet der plus Benzinkosten schnell das Vierfache. Wer kein Auto hat, hat keine Chance. Wir spüren eine große Dankbarkeit."
Im rollenden Geschäft führt das Paar auf wenigen Quadratmetern ein Vollsortiment. Groß sei die Auswahl nicht, dafür unterscheide sich der Preis kaum von den großen Supermarktketten. Das dazugehörige Kaffeehaus gleiche an Gewinnspanne aus, was beim Vollsortiment wegen der moderaten Preispolitik nicht zu holen sei, erklärt Pumberger.
Die wichtigste Ware ist und bleibt für den Bäckermeister aber das selbst gemachte Gebäck. „Damit macht man sich unverwechselbar. Das ist im Einzelhandel, der es zusehends schwer hat, überlebenswichtig geworden", sagt Pumberger. Das Gai-Fahren sei ein Zuverdienst, der am Land ganz selbstverständlich sei. Bei fast jedem Bäcker stehe die Fahrt durch die Dörfer an der Tagesordnung.
Pumberger hat zwei Lieferwägen, mit denen er vier bis sechs Mal pro Woche je 50 Haushalte anfährt. Rund 100.000 Euro kämen pro Jahr und Auto zusammen. Wenn man die Spritkosten und die Arbeitszeit abzieht, bleibe zwar kein Vermögen, aber daran, das Gai-Fahren aufzugeben, denken Pumberger und sein Team nicht. „Durch den Brotverkauf rentiert es sich. Alles, was wir sonst noch liefern, ist eine Dienstleistung, die wir gerne machen."
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