Für jede Krankheit ein Kräuterl
Der neueste Renner im Kurhaus ist der Aderlass, obwohl die Menschen dabei tatsächlich bluten müssen. Der Novembertermin ist bereits ausgebucht. Ein Arzt nimmt zwischen 60 und 100 Milliliter Blut ab. Danach werden die Gäste, die das nüchtern hinter sich gebracht haben, mit einem Frühstück nach Hildegard von Bingen belohnt. Es gibt Dinkelkaffee oder Fencheltee, Dinkelbrot, Maronihonig, Dinkelflockenmüsli. Vier Tage sollte Diät gehalten werden: keine Milch und kein Fleisch.
Manche absolvieren den Aderlass ambulant, andere nehmen sich eine Woche Zeit. Die Blutanalyse gibt Auskunft über den körperlichen und psychischen Zustand. Die Gäste erhalten Tipps, wie sie ihre Gesundheit und die Vorbeugung verbessern können.
Das Kneipp Traditionshaus Bad Kreuzen der Marienschwestern vom Karmel ist das Erste Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM). „Dieses jahrtausendealte Wissen ging im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Schulmedizin verloren", erklärt Betriebsleiter Fritz Kaindlstorfer. „Wir haben vier Jahre für das Forschen und Lernen benötigt." Erst heuer startete das Haus mit der traditionellen Medizin, die neben dem herkömmlichen Kneippen der zweite Schwerpunkt ist. „Diese Lehre begann mit Hippokrates, dazu gehören unter anderem Paracelsus, Kneipp und Hildegard von Bingen."
Während das indische Ayurveda drei Typen kennt, unterscheidet die TEM vier: die Choleriker, die Sanguiniker, die Phlegmatiker und die Melancholiker. Um den richtigen Archetypen herauszufinden, werden die Gäste gebeten, einen sieben Seiten langen Fragebogen auszufüllen. Wie bei Ayurveda trägt jeder Mensch jeden der vier Typen in sich, doch in verschiedener Zusammensetzung. Entsprechend jedem Typus werden die Ernährung, die Therapien, die Wickel, die Güsse und Massagen abgestimmt. Denn Krankheit bedeutet, dass die Zusammensetzung im Ungleichgewicht ist.
Zusätzlich zum Fragebogen kommt die TEM-Untersuchung. Der Arzt sieht in die Augen, nimmt eine Pulsdiagnostik vor und macht sich ein Bild von der Struktur des Körpers. Er führt Gespräche über den Lebensrhythmus und die Probleme.
In der Traditionellen Europäischen Medizin gibt es für jede Krankheit ein Kräuterl. Die Marienschwestern haben im Garten 110 Kräuter angebaut. Frisch gegessen wirken sie besser als getrocknet. Monika Kronsteiner, die Käuterspezialistin des Hauses, weiß um ihre Wirkungen: „Brennnessel sind zum Beispiel das beste Antidepressivum." Bei Schlafproblemen werden Lindenblüten, Baldrian, Lavendel und Johanniskraut empfohlen. Jeden Dienstag führt sie ein Teeritual durch: „Da erkläre ich, wie wichtig der Tee ist."
Der Gästezuspruch belegt, dass der mit der TEM eingeschlagene Weg richtig ist. Das Haus ist voll. Die Marienschwestern führen zwei weitere Häuser. In Bad Mühllacken ist der Schwerpunkt neben dem Kneippen Ernährung und Fasten, in Aspach Stress und Burn-out.
Die Heilgymnastik der keltischen Druiden
Bei der Suche nach den Wurzeln der europäischen Medizin ist das Kneipp Traditionshaus auf Wyda gestoßen, eine Heilgymnastik aus der keltischen Zeit. „Es ähnelt dem chinesischen Qigong", erzählt Geschäftsführer Fritz Kaindlstorfer. Wyda ist ein gälischer Begriff und heißt wörtlich „durch den Schleier gehen". Die Übungen helfen, durch den Schleier der Reizüberflutung zu gehen.
Von den Druiden weiß man, dass sie als Priester, Heiler, Seher, Sternenkundige und Barden die geistigen und kulturellen Führer der Kelten waren. Sie wurden als „Eichenkundige" bezeichnet, was ihre Erd- und Naturverbundenheit spiegelte. Über ihr Wirken gibt es nur wenige Zeugnisse. Die Druiden gaben ihr Wissen nur mündlich an ihre Schüler weiter. Die Lehrzeit bis zum Meister dauerte 20 bis 30 Jahre. Sie wurden im Gegensatz zur Normalbevölkerung meist sehr alt und das bei guter Gesundheit. Zu einem guten Teil führt man dies heute auf die Bewegungsübungen, Wyda genannt, zurück.
Wyda war eine Geheimlehre und setzt auf die drei Energiefelder: das Emotionalfeld im Brustbereich, das Vitalfeld im Bereich des Nabels und das Mentalfeld im Kopfbereich.
Kommentare