„Förderprogramme statt Frauenquoten“

„Förderprogramme statt Frauenquoten“
Andrea Heimberger hat Karriere gemacht. Aus der Verkäuferin in Braunau wurde die Direktorin der Arbeiterkammer.

Andrea Heimberger ist seit Jahresbeginn neue Direktorin der Arbeiterkammer Oberösterreich (Budget 2021 rund. 91 Mio. €, 465 Mitarbeiter). Die 46-Jährige stammt aus Braunau, wo sie Verkäuferin gelernt hat und in der Gewerkschaftsjugend groß geworden ist. Sie hat einen älteren und einen jüngeren Bruder, ihr Vater war Bilanzbuchhalter bei einem Steuerberater, ihre Mutter hat von zu Hause aus gearbeitet. Der ehemalige Braunauer Bürgermeister AK-Bezirksstellenleiter Gerhard Skiba (1947–2019) hat sie gefördert. Sie hat im Jugendzentrum der Gewerkschaftsjugend gearbeitet, ihr Vorgänger war Andreas Stangl (51), der heute SPÖ-Stadtrat in Leonding und Vizepräsident der Arbeiterkammer (AK) ist. Der damalige GPA-Landessekretär und heutige AK-Präsident Johann Kalliauer (67) hat sie nach Linz geholt und ihr ermöglicht, die Sozialakademie zu absolvieren. 2003 ist sie in die Arbeiterkammer gewechselt und sie hat mit Unterstützung des damaligen Direktors Josef Peischer die Berufsreifeprüfung gemacht. 2018 hat sie das Master-Studium der Organisationsentwicklung abgeschlossen.

KURIER: Wie ordnen Sie sich inhaltlich-ideologisch ein? Sind Sie Marxistin oder eher Pragmatikerin?

Andrea Heimberger: Ich bin eine Pragmatikerin. Ich habe die sozialdemokratischen Wurzeln schätzen gelernt. Gerade als Braunauerin hat mich die antifaschistische Haltung geprägt.

Würden Sie sich als Linke bezeichnen?

Ja, als pragmatische Linke. (lacht)

Sie haben Karriere gemacht. Vom Verkäufer-Lehrling zur Direktorin. Wie sehen Sie Ihren Aufstieg?

Es ist eine große Verantwortung. Ich finde es schade, dass die Lehre in der Gesellschaft einen zu geringen Stellenwert hat. Denn die Lehrlinge werden zu gut ausgebildeten Facharbeiterinnen und Facharbeitern. Die Lehre sollte eine wesentlich höhere Anerkennung haben. Lehrlinge haben sowohl Praxis als auch Theorie und entwickeln sich stark weiter. Viele haben sich hochgearbeitet.

Meine Laufbahn hat sich Schritt für Schritt weiterentwickelt. Eine wesentliche Entscheidung war der Wechsel von der Privatwirtschaft zur Gewerkschaftsbewegung. Da war ich 18 Jahre alt. Ich habe mir das lange überlegt, denn ich bin kein Mensch des Risikos, ich brauche Sicherheit. Ich habe das nie bereut. Die Gewerkschaftsbewegung ist ganz wichtig für Österreich.

Eine politische Karriere haben Sie nie überlegt?

Nein, an vorderster Front nicht. Ich war im Braunauer Gemeinderat. Es war eine gute Erfahrung, die kommunalpolitischen Gegebenheiten kennenzulernen. Es ist nicht meine Sache, auf der politischen Bühne in der ersten Reihe zu stehen.

Meist zahlt man einen Preis dafür, wenn man Karriere macht. Welchen Preis haben Sie bezahlt?

Ich habe nicht die gesamte Weiterbildung in einem durch gemacht. Es waren Jahre dazwischen, in denen ich normal gearbeitet und mein Leben gelebt habe. Bei der Berufsreifeprüfung und beim Masterstudium habe ich schon einiges in Kauf genommen. Einen Preis habe ich nicht dafür bezahlt, denn die Arbeit war und ist für mich etwas Sinnstiftendes und Wertvolles. Es ist nichts auf der Strecke geblieben. Ich habe nach wie vor mein privates Umfeld sowohl in Braunau als auch in Linz. Das pflege ich auch. Der Ausgleich ist wichtig.

Was ist Ihr Hobby?

Die Familie und der Freundeskreis. Ich gehe laufen, um den Kopf freizubekommen, die Ideen sprühen auch, das tut gut.

Müssen Frauen noch immer mehr leisten als Männer, um in Führungspositionen zu gelangen?

In der großen Mehrheit ja. Organisationen und Unternehmen brauchen einen guten Mix aus Frauen und Männern, aus jüngeren und älteren Dienstnehmern. Das macht sie stark.

Darum müssen Organisationen und Unternehmen schauen, wie sie Frauen in Führungspositionen bringen. Auf allen Ebenen. Frauenförderprogramme sind wichtig.

Halten Sie Frauenquoten für angebracht?

Nein. Es braucht Förderprogramme. Johann Kalliauer und Josef Peischer haben vor 20 Jahren gesagt, wir wollen, dass 50 Prozent der Mitarbeiter der Arbeiterkammer Frauen sind. Bei den Nachbesserungen sollte jede zweite eine Frau sein. Das wird seit Jahren umgesetzt. Bei uns sind 50 Prozent der Führungskräfte weiblich. So etwas muss in Organisationen wachsen. Dadurch wird es stärker akzeptiert.

Wirtschaft und Arbeitsmarktexperten meinen, das Arbeitskräftepotenzial der Frauen werde ungenügend ausgeschöpft. Auch im internationalen Vergleich. Warum ist das so? Manchmal fehlt es an der Förderung von Frauen. Und es braucht auch Mut. Sowohl von den Organisationen als auch von den einzelnen Personen. Es stellt sich immer die Frage, gehe ich jetzt diesen Schritt oder gehe ich ihn nicht. Natürlich ist auch Risiko dabei. Man muss abwägen, ob man ihn geht oder nicht. Viele Frauen sind in frauenspezifischen Berufen.

Die schlecht bezahlt sind, wie zum Beispiel Verkäuferin oder Friseurin.

Auch wenn Frauen denselben Job machen wie Männer, sind sie schlechter bezahlt. Das darf im 21. Jahrhundert nicht mehr sein.

Sollte die ungleiche Bezahlung einklagbar sein?

Ja. Solange man über Geld nicht redet und es nicht transparent ist, wer was verdient, wird das immer so sein.

Warum entscheiden sich noch immer so viele Frauen für die traditionellen Frauenberufe, die schlecht bezahlt sind?

Ich habe auch so einen Beruf gelernt. Es hat sich so ergeben, ich habe mir gedacht, das macht mir Freude.

Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken, um von diesen traditionellen Frauenberufen wegzukommen. Aber der Wechsel in bisherige Männerberufe wird den Frauen auch erschwert. Ich sehe das in unseren Beratungen. Es gibt Hindernisse, wie zum Beispiel das Fehlen von eigenen Umkleidekabinen für Frauen. Es gibt einen Schritt in die richtige Richtung, aber es muss noch viel passieren, damit das flächendeckend wirkt. Auf beiden Seiten.

Die Frage ist, wer macht dann die Arbeit, die Frauen bisher machen? So werden zum Beispiel zwei Drittel der systemrelevanten Berufe in der momentanen Corona-Krise von Frauen gemacht.

Ist es der richtige Schritt zu sagen, Frauen sollen etwas anderes machen? Ich plädiere dafür, die Frauen ordentlich zu bezahlen und für entsprechende Arbeitsbedingungen zu sorgen. Zum Beispiel in der Pflege, in der Reinigung und im Handel. In der Pflege braucht es auch mehr Personal.

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