Fließband ins Ungewisse
So lange die Summe am Lohnzettel passt, ist die Welt in Ordnung", lautet die Philosophie von Carmen R. und Christian G.* Sie „verleihen" ihre Arbeitskraft an das BMW-Werk in Steyr und wollen von polemischen Schlagworten wie „modernes Sklaventum", die der Branche anhaften, nichts hören. Die 25-jährige Mutter ist wie viele ihrer Kollegen eine Pragmatikerin. Als Teenager wurde sie schwanger, beendete die Lehre ohne Abschluss und wollte schlicht einen Job, mit dem sie sich und ihren Sohn über Wasser halten kann.
Einen „Traumberuf“ hatte sie nie. Dafür spricht sie mit Enthusiasmus von ihrer Schichtarbeit am Fließband: „BMW ist ein großer Name. Ich bin glücklich, dass ich dort arbeiten darf. In meinem Lehrberuf würde ich viel weniger verdienen.“ Einziger, aber gewaltiger Wermutstropfen, ist für die junge Mutter die Unsicherheit. „Als Leiharbeiter ist man austauschbar. Ich kann nichts, was nicht jeder andere auch kann.“ Die Angst, in Krisenzeiten nicht mehr gebraucht zu werden, hat sie immer im Hinterkopf – einen Plan B hingegen nicht. Eine Fixanstellung bei BMW sei für eine ungelernte Arbeiterin wie sie ein schönes, aber unrealistisches Ziel. Bei ihrem Zeitarbeiter-Kollegen Christian G. ist „Zeit“ relativ geworden. Fast 20 Jahre arbeitet er schon leihweise im Motorenwerk und hofft, bis zur Pension bleiben zu können. „Die Chance, dass ich jemals übernommen werde, wird mit dem Alter immer geringer“, sagt der 46-Jährige.
25 Prozent
Fälle wie der von Christian G. sind für den Betriebsratsvorsitzenden Clemens Jura „eine absolute Katastrophe“. Bei Hofmann Personal ist er für rund 750 Leasingkräfte im Raum Steyr im Einsatz. „Der psychische Druck ist enorm, wenn der Lebensunterhalt ständig in der Schwebe ist“, sagt er. Als großen Sieg verbucht die Gewerkschaft den Kollektivvertrag. Man müsse allerdings stetig daran arbeiten, die Position der Betroffenen zu stärken.
BMW-Pressesprecher Peter Weixelbaumer betont die wichtige Rolle der Leiharbeiter im Steyrer Werk, nennt aber keine Zahlen: „Im Sinne einer absoluten Kundenorientierung tun wir alles, die Flexibilität unserer Produktion zu optimieren. Die Zahl an Zeitarbeitern ändert sich täglich."
Betriebsrat Andreas Brich wird konkreter. Er schätzt den Anteil auf etwa 25 Prozent der Gesamtbelegschaft. „Man muss sich natürlich die Frage stellen, ob eine so hohe Flexibilität wirklich nötig ist", sagt er. In Teilschritten wolle die Gewerkschaft den Leasingarbeitern fixe, sichere Dienstverhältnisse ermöglichen. Gefühlsmäßig seien sie ohnehin „gleichwertige Kollegen".
(* Namen von der Redaktion geändert)
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