Experten: Keine Beweise für weitere Nazi-Stollen

Hier soll sich laut Filmemacher Andreas Sulzer der Eingang des bisher unbekannten Stollens befinden - Experten haben dafür aber keine Beweise gefunden.
Angebliche Hinweise hielten Überprüfung nicht stand - Filmemacher bekräftigt Vermutungen.

Es gibt keinen einzigen Beweis und keine Vermutung von Herrn Sulzer, die einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hätte“, bringt Werner Kreisl, Bezirkshauptmann von Perg (OÖ), am Montag die Ergebnisse der Experten-Untersuchungen zur Nazi-Stollenanlage St. Georgen an der Gusen auf den Punkt. Die These des Linzer Filmemachers, dass neben den Tunnelanlagen für das Geheimprojekt „B8 Bergkristall“ – das eine Serienproduktion von „Messerschmitt Me 262“-Düsenjagdflugzeugen zum Ziel hatte – ein weiterer Stollenkomplex errichtet wurde, sei nicht verifizierbar.

Wie berichtet, geht Sulzer davon aus, dass auch ein unterirdisches Atom- oder Raketenforschungszentrum existiert hat. Im Dezember sorgte er für Aufregung, als er auf dem Gelände des Schützenvereins in St. Georgen Bagger auffahren ließ, weil er dort den Eingang zu einer unbekannten Stollenanlage vermutet. Zwar legte er ein verschüttetes Mauerwerk frei, die Grabungen konnte er aber nicht zu Ende führen – sie wurden behördlich gestoppt.

Keine neuen Quellen

Forscher verschiedener Disziplinen erhielten den Auftrag, Sulzers Theorie und seinen Fund zu begutachten. Ihre einhellige Meinung: Er sei einem Trugschluss aufgesessen. „Es ist ein Problem, wenn einzelne Dokumente ohne Kontext hervorgezogen werden und man daraus abliest“, betont Bertran Perz, Professor für Zeitgeschichte der Uni Wien. Sulzer habe beispielsweise auf angeblich neu entdeckte Baupläne zur Stollenanlage verwiesen, die aber seit Jahrzehnten frei zugänglich sind. „Er hat Quellen auch falsch interpretiert und etwa angenommen, dass auf einem Plan die Ortschaft Langenstein bei St. Georgen zu sehen sei, tatsächlich handelt es sich aber um Langenstein in Sachsen-Anhalt.“ Ein anderer mutmaßlicher Erweiterungsplan für „Bergkristall“ entpuppte sich als Plan eines Stollenprojekts in Mainz-Weisenau (Deutschland). Und Sulzers „unbekannte Führerprotokolle“ seien schon 1969 publiziert und seit damals laufend in der Wissenschaft erwähnt worden.

Nur Lüftungsanlage

Auch die archäologischen Überprüfungen fielen negativ aus: Sulzers „Raketenabschussrampe“ ist eine Lüftungsanlage, sagt Claudia Theune-Vogt vom Institut für Historische Archäologie. Und bei seinen im Dezember freigelegten Mauern handelt es sich nur um den Unterstand einer SS-Schießanlage.

Experten des Instituts für Hochenergiephysik und des Forschungszentrums CERN können außerdem bei einem 2014 gefundenen elektrischen Bauteil ausschließen, dass es – anders als von Sulzer behauptet – in Zusammenhang mit einem Teilchenbeschleuniger steht. „Tatsächlich ist es der Schleifring eines Drehstrommotors.“

Sulzer, der sich aktuell für Recherchen zu der ZDF-Doku „Die Suche nach Hitlers Bombe“ in den USA aufhält, glaubt weiter an seine Thesen. Über seinen Anwalt lässt er ausrichten, dass er auf ein neues Konvolut aus einem Nachlass gestoßen sei, das seine Annahmen untermauert.

88 – diese Zahl kennt man aus der Naziszene als Code für „Heil Hitler“. Die Stadt Salzburg verwendet diese Zahl jetzt für eine Initiative gegen Rechtsextremismus. 88 Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Sport haben sich der Initiative angeschlossen – darunter auch Ex-Skirennläuferin Alexandra Meissnitzer. „Wir nehmen den Neonazis das Symbol weg“, sagt Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) mit einem Schmunzeln.

Der Hintergrund ist durchaus ernst: In der Stadt hat es seit Herbst 2013 immer wieder rechtsradikale Vandalenakte gegeben. Im Kurpark wurde das Euthanasie-Mahnmal zerstört, das Kriegerdenkmal am Kommunalfriedhof sowie die Landesbüros von SPÖ und den Grünen wurden mit Naziparolen beschmiert. Gelöst ist bisher nur die Serie von Stolperstein-Beschmierungen im Oktober 2013. Die zwei mutmaßlichen Täter – 21 und 22 Jahre alt – müssen sich heute, Dienstag, am Landesgericht verantworten.

Experten: Keine Beweise für weitere Nazi-Stollen
Aktion gegen rechts Salzburg

Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) findet die Initiative gerade deshalb wichtig, weil es sich bei den bekannten Tätern nicht um „typisch stramme Rechte“, handle: „Die gehen verwirrt durchs Leben. Daher der Aufruf: Überlegt euch, was ihr da tut.“

Unter dem Titel #88gegenrechts! sind alle Salzburger eingeladen, über soziale Medien mitzumachen (facebook.com/88gegenrechts). Geplant sind auch Diskussionsveranstaltungen. Die erste findet heute um 18 Uhr in der TriBühne Lehen statt. Um 14 Uhr werden am Bahnhofsvorplatz elf neue Stolpersteine sowie ein „Erklärungsstein“ verlegt.

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