Linzer Stadträtin fordert: "Männer müssen Verantwortung übernehmen"

BÜRGERMEISTERWAHL LINZ: FOTOTERMIN BÜRGERMEISTER-KANDIDATIN EVA SCHOBESBERGER (GRÜNE)
Die Linzer Stadträtin (Grüne) Eva Schobesberger über die zerstörerische Kraft des Straßenbaus, Gewalt gegen Frauen und Image-Schäden.

Der Bau der A26, auch Westring genannt, schlägt in Linz derzeit hohe Wellen. Dort, wo der Tunnel künftig aus der Erde kommt, beim Areal des Hauptbahnhofs, wird nichts mehr so aussehen wie zuvor. Bürgerinitiativen wettern gegen das teure Infrastruktur-Projekt, besonders die vielen Bäume, die gefällt werden müssen, stoßen den Linzerinnen und Linzern sauer auf.

Die Stadtpolitik hält an den Plänen fest. Eva Schobesberger, grüne Stadträtin, erklärt im KURIER-Gespräch unter anderem, wie und wann man noch aussteigen könnte.

KURIER: Wie ist der Status quo bei den 243 Bäumen, die im Zuge des A26-Baus in Linz gefällt werden sollen?

Eva Schobesberger: Grundsätzlich ist es so, dass mich die Asfinag informiert hat, dass diese Bäume gefällt werden. Die Stadt Linz hat durch mehrere Beschlüsse in unterschiedlichen Gremien die betroffenen Grundstücke an die Asfinag verkauft bzw. das Nutzungsrecht eingeräumt. Das ist der Grund, warum ich jetzt nichts mehr machen kann, weil die Bäume nicht mehr im Wirkungsbereich der Stadt sind. Diese Beschlüsse sind von ÖVP, SPÖ und FPÖ gefasst worden. Viele Bäume sind schon weg, aber mehr als 200 stehen noch. Da sind Bäume dabei, die zwischen 50 und 60 Jahre alt sind. Natürlich heißt es: Wir begrünen eh wieder. Aber diese Bäume kann man nicht einfach ersetzen. Die zerstörerische Kraft, die dieses Projekt für das Viertel hat, ist enorm.

Luftaufnahme einer Stadtlandschaft mit einem modernen Bürogebäude und einer Autobahn mit Tunneln.

Rendering der Asfinag, wie die Anschlussstelle des Westrings an den Hauptbahnhof aussehen wird.

Wird es Nachwehen für die Umwelt geben?

Es gibt Fachleute, die davon ausgehen, dass aufgrund der Untertunnelung dem Boden so viel Wasser entzogen wird, dass das alles nicht mehr funktioniert dort. Angeblich soll im Juni mit dem Tunnelbau begonnen werden. Wenn das so ist, muss man die Bäume jetzt schlägern, weil zwischen April und Oktober die Schonfrist für die Vögel ist.

Das Projekt ist voll im Laufen. Welche alternativen Handlungsspielräume gibt es jetzt noch?

Was ich schon sehr kritisiere, ist, dass die Stadt da auch noch mitfinanziert. Selbst wenn man diese Autobahn befürwortet, was ich natürlich nicht mache, dann ist das trotzdem der totale Wahnsinn, dass die Stadt da mit zahlt. Wir sind nicht zuständig für die Finanzierung von Autobahnen. Und wir haben in den nächsten Jahren nicht nur den Westring, sondern auch den Halbanschluss A7, weil da zahlen wir ja auch dazu.

Um welche Summe geht es da?

Für Autobahn-Projekte, die Teile unserer Stadt kaputtmachen, geben wir 70 Millionen Euro aus. Und es sind bereits zwei Mal Beschlüsse gefasst worden, dass man die steigenden Mehrkosten trägt. Das wären ganz klar definierte Ausstiegsmomente, bei denen man sagen könnte: Wir lassen das. Aber die Stadt beschließt das, trotz finanzieller Nöte, immer wieder – ohne Deckelung. Das Projekt wird also immer teurer.

Was wären mögliche Ausstiegsszenarien?

Man müsste jetzt einen Schritt weitergehen und aufgrund der klammen Stadtkassen, auch prüfen, ob man nicht aus dem Vertrag rauskann. Das wäre aus meiner Sicht jetzt eine finanzpolitisch notwendige Maßnahme. Soweit ich weiß, zahlt Wien auch nichts zur Lobau-Autobahn dazu. Viele Menschen in Linz wollen, dass das Geld stattdessen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investiert wird.

Der Linzer Bürgermeister Dietmar Prammer unterstützt das Projekt.

Er gehört zu denen, die glauben, dass die Autobahn gescheit ist. Aber ich würde mir wünschen, dass er selbst mit dieser Sichtweise Ausstiegsszenarien prüft. Zumindest wird er ja wohl nicht mitzahlen bei dem Projekt, das unsere Stadt kaputt macht. Zumal wir Schwierigkeiten haben, dass wir die Öffi-Projekte finanzieren, die wir dringend brauchen.

Wie ist allgemein die Zusammenarbeit mit ihm in der neuen Position?

Sie ist grundsätzlich gut, es hat sich schon atmosphärisch insgesamt zum Positiven verändert. Aber trotzdem gibt es halt inhaltliche Punkte, die aus meiner Sicht problematisch sind. Zum Beispiel, dass er, wie er es heuer gemacht hat im Juni, ohne Vorgespräche angekündigt hat, dass im Magistrat 15 Prozent gespart werden müssen.

Das Budget ist also eine der größten Baustellen in der Stadtpolitik?

Ja, das Budget ist eine der größten Baustellen. Die wird uns in den nächsten Jahren begleiten.

Darunter leiden wichtige Themen, wie etwa die Schulsanierungen.

Wir haben ein Schulsanierungsprogramm beschlossen, von dem aber – bis auf die Mira-Lobe-Schule – meines Wissens jetzt gar nichts umgesetzt worden ist. Bei manchen Schulen gibt es neue Zubauten, aber jene, die wirklich dringend eine Sanierung brauchen würden, bleiben auf der Strecke. Die Ankündigung, dass eine Sonderschule gebaut wird, hat uns sehr geärgert. Man baut keine Sonderschule mehr. Der Schulunterricht muss inklusiv stattfinden.

In drei Wochen steht der ehemalige Bürgermeister Klaus Luger wegen Untreue vor Gericht. Wie viel Schaden ist für Linz aus dieser Causa entstanden?

Ein enormer Imageschaden. Wenn ein Bürgermeister so etwas macht und so ein Verhalten setzt, das ihm seine Funktion und seinen Posten kostet, dann macht das allgemein was mit dem Vertrauen der Linzerinnen und Linzer in die Stadt. Das hat pauschal auch immer Auswirkungen auf die Verwaltung und die Politik – egal wie das Gerichtsverfahren ausgeht.

Kommende Woche beginnt die Aktion „16 Tage gegen Gewalt gegen Frauen“. Was muss passieren, damit die Femizide in Österreich weniger werden?

Es ist notwendig, dass Männer Verantwortung übernehmen, nämlich auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen. Männer müssen beginnen, das als Gesamtproblem zu begreifen und nicht als etwas, worum sich eh die Frauenpolitik oder die Frauen kümmern. Wir haben ein massives Problem mit Männergewalt in unserer Gesellschaft. Männer müssen Verantwortung für Männergewalt übernehmen.

Wo setzt man am effektivsten an? In den Schulen? In der Bildung?

Man muss überall ansetzen. Es reicht nicht, dass Politiker zum Fahnenhissen kommen, sie müssen Verantwortung übernehmen. Gewalt gegen Frauen ist Ausdruck einer massiven Ungerechtigkeit, die wir in unserer Gesellschaft haben. Es ist die Schieflage in den Geschlechterverhältnissen. Das wird sich nicht ändern, wenn der eine Teil so tut, als wäre alles okay. Ich finde das Beispiel gut, dass jede Frau eine andere Frau kennt, die betroffen ist. Aber wenn man mit Männern redet, ist da kaum einer, der sagt, ich kenne Männer, die gewalttätig gegen Frauen sind.

Warum ist das so?

Das ist immer noch so ein Tabu, also schauen wir da nicht hin. Es geht auch darum, wie über diese Gewalttaten berichtet wird. Bei dem Fall mit dem 12-jährigen Mädchen in Wien hat sich die ganze Nation darüber Gedanken gemacht, was sie gesagt hat bei der Verhandlung, warum sie überhaupt mit diesen Typen beisammen und unterwegs war. Der Fokus muss aber sein: Was haben diese Jugendlichen und jungen Männer gemacht? Wir haben da ein massives Thema mit einer Schuld- und Verantwortungsumkehr. Und das muss man wieder richtigstellen. Das sollten wir uns auf jeden Fall von Gisèle Pelicot mitnehmen: Die Scham muss die Seite wechseln.

Was braucht es konkret?

Wir müssen diese Ungerechtigkeit bekämpfen, mit all ihren Auswirkungen, die sie hat. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche, das betrifft, wenn es um Maßnahmen geht, das Arbeiten mit jungen Menschen, mit Kindern, mit Buben, mit Mädchen. Das betrifft Einkommensgerechtigkeit, Rollbilder. Es gibt einfach keinen Bereich, der nicht betroffen ist. Wir machen das gezielt im städtischen Frauenressort, zum Beispiel bei unserer K.-o.-Tropfen-Kampagne. Frauen müssen wissen: Es ist nicht dein Fehler. Auch da passiert es, dass Frauen danach gefragt werden, wieso sie das Getränk aus den Augen gelassen haben und warum sie fort waren.

Mann mit einem Spruch

Kampagne "Mann spricht's an"

Was tut sich sonst auf diesem Gebiet?

Es hat letztes Jahr zum Internationalen Frauentag einen Antrag der FPÖ gegeben, dass das Frauen- und das Integrationsressort was gegen Gewalt gegen Frauen machen sollen, weil die laut FPÖ hauptsächlich von Migranten ausgehe. Wir haben einen Abänderungsantrag gestellt und gefordert, dass der blaue Gesundheits- und Sicherheitsreferent Michael Raml eine Kampagne zur Verantwortungsübernahme von Männern machen soll. Das passiert jetzt: Ab Dezember übernimmt Linz als erste Landeshauptstadt die Kampagne „Mann spricht’s an“ vom Bund.

Für viele Menschen ist der Alltag nur mehr schwierig leistbar. Welche Möglichkeiten gibt es, sich etwas zu sparen oder Vergünstigungen zu bekommen?

Das trifft speziell Frauen besonders hart, weil sie noch weniger verdienen als Männer. Auch Altersarmut betrifft vermehrt Frauen. Wir haben in Linz den Aktivpass, der eine breite Zugänglichkeit zu Vergünstigungen schafft. In meinem Ressort können Volkshochschulkurse zum Halbpreis besucht werden. Auch die Monatskarte für die Linzer Öffis ist vergünstigt. Wir haben gekämpft, dass wir in den städtischen Kindergärten nicht die Erhöhungen vom Land umsetzen müssen. Wir haben ja in Linz einen Nulltarif für einkommensschwache Familien oder Personen, bei dem man nichts zahlen muss. Ich gehe davon aus, dass das so bleibt.

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