„Eine herzlose Bürokratie“

„Eine herzlose Bürokratie“
Pfarrer Josef Kammerer kritisiert das klerikale Machtstreben.

Josef Kammerer ist Priester  und  wohnt in Wels-Neustadt. Er  stammt ursprünglich aus Kopfing. Trotz seiner 87 Jahre liest er täglich im  Alten- und Pflegeheim  der „Bruderliebe“ die Frühmesse. Er war Pfarrer in Lenzing, Trimelkam-Riedersbach, Stroheim und Waldneukirchen.

KURIER: Der Winter ist in der Landschaft ebenso eingekehrt wie in der Kirche.
Josef Kammerer: Aber nicht immer und überall. Winter ist  oben in den Institutionen. Wir haben eine herzlose, auf Machterhalt ausgerichtete Bürokratie. Sie steht oft schon über dem Papst. Sie hat uns in diesen Reformstau hineingeführt. Beim Konzil herrschte hingegen Aufbruch. Papst Johannes XXIII. ist in seiner Bauernschlauheit über diese Leute einfach hinweggegangen. Er war offen für das Wirken des Heiligen Geistes. In der Verwaltung herrscht  Basisferne. Die Kirche muss nicht verwalten, sondern leben. Sie lebt nicht in den Institutionen, sondern in den kleinen Gemeinschaften. Hier ist die  Subsidiarität, die Stärkung der kleinen Gemeinschaften entscheidend. Das ist  ein Prinzip der  katholischen  Soziallehre. In den kleinen Gemeinden wird das Laienpriestertum sehr ernst genommen. Wenn die Menschen nur noch dirigiert werden und nichts mitzureden haben, werden sie uninteressiert. Diese Uninteressiertheit drückt sich zum Beispiel in der Bildung von Freikirchen und dem stillen Auszug aus der Kirche aus.

Aber die Subsidiarität wird nicht gelebt.
Das ist leider Gottes so. Das Konzil hat aber die Diözesen aufgewertet. Die Subsidiarität gilt aber auch im Verhältnis der Diözese zu den Pfarren. Es muss auch gelten bei der Ernennung der Bischöfe. Man ernennt heute Bischöfe ohne Rückbindung auf das Volk. Man sollte den Diözesen das Recht auf die Bischofsernennung geben. Die Gegenbewegung zum Konzil begann schon mit Paul VI. und seiner Anti-Pillen-Enzyklika. Er ist hier über seine Berater hinweggegangen und hat auf Leute wie den späteren Papst Johannes Paul II. gehört. Das war ein großer Dämpfer für die  Konzilsbewegung.
Der autoritäre Stil hat sich bei Johannes  Paul II. fortgesetzt. Wir leiden in Österreich immer noch unter seinen Bischofsernennungen.  Wunderbare  Leute  wie Dom Helder Camara in Brasilien  wurden durch  ganz Konservative ersetzt. Damit hat man den Schwung des Konzils getötet.
Wir müssten heute das Konzil weiterführen. Wir benötigen Treue zum II. Vatikanum.  Wir brauchen Menschen mit Gehorsam im Sinn des Hörens auf Jesus Christus, auf das Evangelium und das  Wirken des Heiligen Geistes. Die Eingebung des Heiligen Geistes erfahren wir in den Zeichen der Zeit. Im Kozilsdokument „gaudium et spes“ heißt es:  Daher obliegt  der Kirche die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit  zu schauen und sie im Lichte des Evangeliums zu deuten.

Man müsste das Konzil wieder ernst nehmen.
Der gegenwärtige Papst nimmt das Konzil leider nicht so ernst. Das drückt sich zum Beispiel aus im Zugehen auf die Pius-Bruderschaft. Heute sind die Bischöfe weitgehend Vollzugsorgane Roms.  Das Autoritäre wird stärker als schwächer. Die Demokratisierung wird überhaupt nicht gern gesehen. Wenn wir die Menschen gewinnen wollen,  dann müssen wir sie und das Laienpriestertum ernst nehmen.

Sie betonen, es sei  wichtig trotz der Widrigkeiten positiv zu denken.
Wir müssen die Zeichen der Zeit positiv sehen. Auch wenn es sehr viele konservative Bischofsbesetzungen gibt. Es gibt  viele Menschen, die auf das Evangelium hören.  Sie sind auch immun gegen das klerikale Machtstreben,das eine große Gefahr ist. Die  Kirche  braucht diese Menschen, die frei sind für das Evangelium. Ganz im Sinne des Konzilpapstes  Johannes XXIII.

Pessimismus herrscht nicht nur in der Kirche, sondern in der gesamten Gesellschaft.
Es wäre Aufgabe der Kirche, Optimismus zu verbreiten. Man muss aber diese Aufgabe  sehen und nicht nur Nabelschau betreiben. Jesus sagte, geht hin in alle Welt. Die Kirche muss die Menschen dort abholen, wo sie sind. Die Kirchengeschichte müsste in der Theologie ernster genommen werden. Man verbaut sich alles durch Dogmen.  Ich staune immer wieder über Franz von Assisi. In einer Zeit, in der die Kirche auf Macht gebaut und der Kirchenstaat Kriege geführt hat,  hat sich Franz von Assisi gegen die Clique da oben durchgesetzt. Das ist ein  Wunder.  Die autoritäre Führung hat die  Spaltungen herbeigeführt.
 Um die Jahrtausendwende die Trennung von den Orthodoxen. Die Kreuzritter haben  1204 Konstantinopel erobert und zerstört. Die zweite Fehlentscheidung   war die Reformation. Martin Luther wollte ursprünglich keine eigene Kirche gründen. Aber die Führung hat  nicht mit sich reden lassen.

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