„Dort, wo es geht, sollte das Auto reduziert werden“

„Dort, wo es geht, sollte das Auto reduziert werden“
Die Grünen wollen das Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs stecken. Der Straßenbau muss warten, Autos auch. Ein Interview mit Landesgeschäftsführerin Ursula Roschger.

Ursula Roschger ist seit 2019 Landesgeschäftsführerin der Grünen und seit 2003 Gemeinderätin in Linz. Die 46-Jährige ist Mutter einer Tochter.

KURIER: Der Baubeginn für die Linzer Stadtbahn hängt an der fehlenden Zusage der grünen Infrastrukturministerin Leonore Gewessler zur Finanzierung durch den Bund. Sowohl Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) als auch Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) kritisieren Gewessler, weil sie die Themen 1-2-3-Ticket und Stadtbahn in unzulässiger Weise vermische. Für die Grünen war die Stadtbahn immer ein Herzensprojekt, jetzt gibt es durch sie plötzlich Probleme.

Ursula Roschger: Ich sehe keine unüberbrückbaren Probleme. Wir haben das Projekt Stadtbahn schon unter Jürgen Himmelbauer (Grüner Stadtrat 2003–2009) intensiv verfolgt. Der Bürgermeister behauptet zwar, dass das mit dem 1-2-3 Ticket vermengt wird, aber das

wage ich zu bezweifeln. Es sind zwei verschiedene Projekte, die parallel verhandelt werden. Es wird sowohl für das eine als auch für das andere eine Entscheidung geben. Von einer Junktimierung weiß ich nichts. Seit es eine grüne Ministerin gibt, gibt es endlich Bundesgeld in großem Ausmaß für den öffentlichen Verkehr gerade auch in Oberösterreich.

Wer soll die 20 Millionen Euro bezahlen, die Gewessler von Linz für das 1-2-3-Ticket haben will?

Dieses Österreich-Ticket muss vom Bund kommen. Ich gehe davon aus, dass das Projekt Stadtbahn demnächst unterschrieben wird.

Ihr Spitzenkandidat Stefan Kaineder möchte die FPÖ in der Regierungskoalition ablösen. ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer sagt, dass der Klimaschutz keine Arbeitsplätze in der Industrie vernichten darf. Der Klimaschutz ist das Hauptthema der Grünen. Wie wollen Sie diesen Konflikt lösen?

Man muss beides machen. Das unterscheidet uns massiv von der ÖVP. Wir haben in Oberösterreich die Chance, in der Verbindung von Industrie und Klimaschutz voranzugehen. Es geht darum, mit dem vielen Geld, das aufgrund der Corona-Krise vorhanden ist, die Industrie klimafit aufzustellen und Jobs zu schaffen. Es gibt hier keine Option des Scheiterns.

Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa warnt in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vor den Öko-Radikalen, die ihm Angst machen. Diese seien streng und irrational, sie seien die neuen Systemkritiker, die einen Umsturz anstrebten. Sind Sie öko-radikal?

Wir sind nicht öko-radikal und ich kann dieses Bild weder für Österreich noch für die Grünen teilen. Wir sind überzeugt, dass der Umbau nicht radikal, sondern nur gemeinsam mit der Wirtschaft und der Industrie zu schaffen ist. Es muss aber schnell und mutig gehen, denn wir haben nicht mehr viel Zeit. 2020 war zwar das Jahr der Pandemie, aber auch das wärmste in der Messgeschichte Europas.

Einer der Kritikpunkte der ÖVP an Kaineders Politik ist, dass er die Ergebnisse bei der Koran- und Moscheenstudie schuldig sei und, dass er keine klare Kante gegenüber dem politischen Islam zeige.

Das ist ein Ablenken davon, dass Stefan Kaineder auch für ÖVP-Wählerschichten interessant ist. Die Grünen lehnen Extremismus, in welcher Form auch immer, ab. Kaineder hat erst kürzlich ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen extremistisch motivierte Aktivitäten vorgelegt. Hier sind alle Ressorts gefragt, wie Bildung, Zugang zum Arbeitsmarkt etc. Das Paket ist interessanterweise gar nicht angenommen worden, sondern wurde in einen Unterausschuss des Landtags verschoben, weil alle zuständig sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat das Kopftuchverbot in Volksschulen aufgehoben, die ÖVP will es wieder einführen. Wie ist Ihre Meinung?

Wir nehmen dieses Urteil zur Kenntnis.

Sie stehen inhaltlich dahinter?

Ja, wir stehen inhaltlich dahinter.

Wie ordnen Sie sich selbst ein? Sind Sie eher bürgerlich oder linksliberal?

(lacht). Das ist eine interessante Frage. Von meiner Sozialisation her würde ich mich nicht als bürgerlich bezeichnen. Ich bin gesellschaftspolitisch liberal erzogen worden. Ich bin aber eine sehr pragmatische Person, die einen Gestaltungsanspruch hat und regieren will.

Zum Thema Straßenbau. Die Grünen sind gegen den Bau des Westrings und der Linzer Ostumfahrung. Sind Sie auch gegen die Fertigstellung der S10 von Freistadt bis zur tschechischen Staatsgrenze?

Die Prioritäten sind seit Jahrzehnten falsch. Die Bagger stehen auf den falschen Baustellen, der Fokus lag beim Straßenbau, der öffentliche Verkehr wurde vernachlässigt. Jetzt muss es umgedreht werden, der Fokus muss beim öffentlichen Verkehr sein. Ministerin Gewessler verfolgt ja das größte Bahnausbauprogramm.

Die Grünen haben bei der Landtagswahl 2015 rund zehn Prozent erzielt. Was peilen Sie für die Herbstwahl an?

Unser Ziel ist, dass wir Taktgeber für den Klimaschutz sind. In Kombination mit der Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir möchten so stark werden, dass wir die Möglichkeit haben, diese Dinge voranzutreiben. Wir wollen beim Rausinvestieren aus der Krise unsere Ansichten gut einbringen können. Wir wollen möglichst stark werden, über Zahlen diskutieren wir nicht.

Wie wollen Sie den -Ausstoß reduzieren?

Der öffentliche Verkehr hat absolute Priorität. Die voestalpine ist so mutig, weltweit bei der Erzeugung von CO2-freiem Stahl der Erste zu sein. Unsere Klimaministerin organisiert einen EU-Topf, um dafür ordentlich Förderung auf die Füße zu stellen.

Was machen Sie mit dem Individualverkehr? Gibt es bei den Grünen noch ein Auto?

Das ist eine weitreichende Frage. Natürlich gibt es ein Auto, aber es muss vernünftig eingesetzt werden und dort, wo es geht, reduziert werden. Sind wir schon so zersiedelt, dass wir bei jeder Fahrt, sei sie noch so klein, wie Einkaufen usw., ein Auto brauchen?

Das kann man sicher anders organisieren. Ist es in der Stadt notwendig, dass man die Kinder in die Schule bringt, die nur 500 Meter entfernt ist? Natürlich gibt es ein Auto, aber es muss vernünftig eingesetzt werden und dort, wo es geht, reduziert werden. Es geht nicht gegen das Auto, sondern um die Schaffung von Lebensqualität für die Menschen in der Stadt.

Den Grünen hängt der Nimbus an, autofeindlich zu sein.

Das sind sie aber nicht.

Aber Freunde des Autos sind sie auch nicht.

Das hat nichts mit Freund und Feind zu tun, wir sind Öffi-freundlich. Der Individualverkehr ist eines der größten Probleme beim -Ausstoß. Darum muss man diese Diskussionen führen.

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