„Digitales Grundwissen ist eine Baustelle“

Werner Arrich
Schreiben und lesen zu können reicht heute nicht mehr. Jede/r braucht auch ein bestimmtes digitales Grundwissen, menin Werner Arrich, Geschäftsführer der GRAND GARAGE.

Werner Arrich (55) ist Co-Gründer und Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation GRAND GARAGE. Sie soll junge Menschen unterstützen, die technische Ideen haben, aber nicht wissen, wie sie sie umsetzen sollen. Es fehlt oft an Wissen, an Maschinen, an Material und an Netzwerken. Sie realisieren auf 5.400 Quadratmetern in der Linzer Tabakfabrik ihre Prototypen und Ideen. Es handelt sich um Projekte der IT, der Robotik, des 3-D-Drucks etc.Im gesamten Öko-System der GRAND GARAGE sind 60 Mitarbeiter beschäftigt.

KURIER: Junge ambitionierte Menschen kommen zu Ihnen. Welche Erfahrungen machen Sie?

Werner Arrich: Sie sind sehr motiviert, kommen aber sehr schnell drauf, dass ihnen wesentliche Know-how-Stücke für ein Projekt fehlen.

Zum Beispiel?

Es kommt jemand aus der Software, dem das Know-how in der Mechanik fehlt. Es anderes Mal kommt jemand aus der Mechanik, für den Elektronik Neuland ist. Mechatronische Projekte sind mittlerweile so komplex und übergreifend, dass immer irgendein Know-how-Stück fehlt. Genau das bekommen sie bei uns im Haus. Seit 2019 haben wir ein Netzwerk an Menschen aufgebaut, die unterschiedliche Disziplinen beherrschen und an gemeinsamen Projekten arbeiten und ihr Wissen in Workshops weitergeben. Und es kommen renommierte Unternehmen mit ihren Leuten aus der Forschung und Entwicklung zu uns. Sie nutzen unseren Makerspace (Fabrikationslabor, Anm.d.Red.), um innovativ an Projekten zu arbeiten. Und dann gibt es noch die Bildungspartner. Wir haben Kooperationen mit Fachhochschulen wie der FH Hagenberg oder mit Unis wie der Kunstuniversität Linz, um nur zwei Beispiele zu nennen. Und wir arbeiten mit Schulen und gestalten gemeinsam mit den Lehrenden Programme.

Wo gibt es die größten Lücken?

Teilweise gibt es in den Bildungseinrichtungen stark verkrustete Strukturen. Das nimmt selbst innovativen Lehrenden die Luft zum Atmen. Unsere Vision ist, unsere Türen nicht nur für Schulexkursionen zu öffnen, sondern Teile des Unterrichts bei uns stattfinden zu lassen. Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits mit der Stadt Linz bei der Lehrlingsausbildung. Eine andere Baustelle ist digitales Grundwissen.

Es gibt zwar Bemühungen, dieses Wissen in den Schulen zu implementieren, es ist aber nicht ausreichend.

Beim digitalen Grundwissen geht es einerseits um Medienkompetenz. Wie gehe ich zum Beispiel mit sozialen Medien um? Auf der anderen Seite geht es um Softwareentwicklung und um Coding. Und Grundkenntnisse im Programmieren sind da auf jeden Fall hilfreich.

Es soll also jeder Programmieren lernen. Überfordert uns das nicht?

Ich rede von einem Basiswissen. Vergleichbar mit dem Erlernen des Zehnfingersystems.

Wozu sollen wir Programmieren lernen?

Programmieren öffnet den Blickwinkel. Wir bieten in Zusammenarbeit mit Coderdojo Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 17 die Möglichkeit, lustvoll programmieren zu lernen. Sie lernen, wie man Code schreibt, Webseiten entwickelt oder Apps und Spiele programmiert. Wesentlich ist dabei der spielerische Zugang zum Thema Logik, welches ja beim Programmieren dahintersteht.

Sie bieten halbjährige Kurse im Programmieren an, die von den Menschen mit unterschiedlichstem Background besucht werden.

Die CodersBay bietet auch halbjährige Kurse im Programmieren für Erwachsene an, die sich neu aufstellen wollen, auch berufsbegleitend. Nach erfolgreichem Abschluss haben Menschen mit ganz unterschiedlichem Background ein Junior-Coding-Level in der Tasche, also ungefähr HTL-Niveau. Derzeit gibt es vier klassische Wege für Unternehmen, um Programmiererinnen und Programmierer zu finden: Universität, Fachhochschule, HTL oder Abwerben. Wir eröffnen mit unserer Ausbildung eine fünfte Möglichkeit. Unser Angebot spricht Menschen an, die zunächst weder mit der Bildung noch dem Programmieren per se etwas zu tun haben, aber zwei Eigenschaften mitbringen. Sie sind motiviert und wollen beruflich über den Tellerrand schauen. IT-Fachkräfte werden in Zukunft noch stärker gefragt sein als heute.

Digitalisierung und das Wissen, sie richtig anzuwenden, verändert die Machtverhältnisse in den Institutionen und Firmen. Der Herr Doktor ist möglicherweise ein digitales Baby, aber die Sekretärin kann programmieren.

Der Einflussbereich von IT-Fachkräften im Unternehmen wird weiter steigen. Digitalisierung ist längst kein Schlagwort mehr, sondern in der Mitte der Unternehmen angekommen. Eines unserer Mitgliedsunternehmen erzeugt ein fahrendes Robotersystem für Intralogistik. Sie entwickelt nun ein digitales Geschäftsmodell. Das heißt, es geht nicht mehr um die Hardware, sondern um die Daten dahinter. Es entwickelt sich von einem Unternehmer, das Roboter baut hin zu einem digitalen Unternehmen. Das hat zur Konsequenz, dass die Führungskräfte vor einer großen Herausforderung stehen, weil sie das nicht wirklich beherrschen. Da kommen dann die jungen Leute, die oft keine passenden Lebensläufe haben. Die IT-Absolvierenden schicken oft keine klassischen Lebensläufe mehr, weil diese teilweise so desaströs aussehen, dass man sie nicht nehmen würde. Sie haben Brüche etc.

Aber sie können’s.

Genau. Man stellt nicht mehr mit Lebenslauf an, sondern mit Kompetenz. Diese wird in der Regel mit Projekten nachgewiesen. Hier merken wir, dass es auseinanderläuft. Es nutzt nichts, wenn man Outlook bedienen und mit den Kindern What’sApp schreiben kann. Das ist einfach zu wenig.

Welches digitale Grundwissen sollen die Menschen heute erwerben? Was sollen sie können?

Sie sollen einen Grundkurs im Programmieren gemacht haben. Auch wenn man das so im Beruf nicht braucht, öffnet es einen ganz anderen Blick auf das Thema. Einen Blick über den Tellerrand.

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