"Die Wirtschaft soll nach Ostern wieder in Gang kommen"

Axel Greiner, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich
Axel Greiner, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, setzt darauf, dass die Wirtschaft nach Ostern wieder hochgefahren wird. Denn je länger die Krise dauert, umso teurer wird es.

Axel Greiner (55) ist seit 2013 Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich und Vizepräsident der Industriellenvereinigung Österreich.

KURIER: Wie stark ist der Einbruch der oberösterreichischen Industrie durch die Corona-Krise?

Axel Greiner: Das lässt sich nicht in einer Zahl darstellen. Wir haben automobillastige Unternehmen, die ihre Produktion ganz stark zurückfahren. Wir haben aber auch Unternehmen im Lebensmittel- und im pharmazeutischen Bereich, die unter Volllast laufen. Relativ gut laufen auch der Kunststoff-, Chemie- und Textilbereich.

Die Auswirkungen von Corona sind sehr massiv, weil auf die Sicherheit

und Gesundheit der Mitarbeiter geachtet wird. Arbeiten, die nicht unbedingt Anwesenheit erfordern, werden ins Homeoffice verlagert. Die Produktionen werden so gestaltet, dass möglichst wenig Mitarbeiter im Haus sind. Experten berechnen den Rückgang des Bruttoinlandsproduktes in Österreich mit 13 Milliarden Euro bis Ostern.

Reichen die von der Bundesregierung ergriffenen Gegenmaßnahmen?

Die Maßnahmenpakete sind hervorragend. Sie sind sehr schnell gekommen. Jetzt kommt die Umsetzungsphase. Ob sie ausreichen, hängt davon ab, wie lange der Shutdown aufrecht erhalten wird. Je länger die Unternehmen im Notbetrieb sind, desto stärker werden die Maßnahmen sein müssen, um die Wirtschaft später wieder hochzufahren. Und umso teurer wird es werden. Und zwar nicht linear, sondern exponentiell. Je länger der Shutdown ist, umso schwieriger wird es, da wieder rauszukommen.

Manche hoffen, dass der Einbruch in Form eines „V“ erfolgt, dass es also runtergeht und dann sofort wieder nach oben.

Das ist die Frage der Dauer. In China wurden die Betriebe nicht runtergefahren, die Lieferketten aus Asien sind nicht abgebrochen. Es brechen jedoch die europäischen Lieferketten ein, weil die Automobilindustrie steht. Wenn es uns gelingt, die Wirtschaft schnell wieder hochzufahren, dann haben wir möglicherweise ein „V“. Ich glaube aber nicht, dass es so schnell gehen wird wie nach der Finanzkrise 2008/09.

Denn diese Krise geht nicht von den Banken, sondern von der Realwirtschaft aus. Wir halten die Industrie so gut wie es geht am Laufenden und sichern damit Versorgung und Arbeitsplätze. Ein großer Dank gilt dabei allen Mitarbeitern.

Wie ist Ihre Erwartungshaltung gegenüber der Landesregierung, die angekündigt hat, dass sie ebenfalls Maßnahmen ergreifen will, ergänzend zum Bund?

Im Moment fahren wir alle auf Sicht. Jetzt einmal bis Ostern. Wir hoffen, dass die Wirtschaft nach Ostern wieder langsam in Gang kommt. Dann müssen wir uns überlegen, welche Maßnahmen auf der Landesebene angebracht sind, was ist notwendig? Wir lernen jetzt schon aus der Krise.

Was zum Beispiel?

Man soll das E-Government ausbauen. Die Digitalisierung hilft uns im Moment unglaublich.

Ein Schub für die Digitalisierung?

Die Digitalisierung muss ausgebaut werden. Auch an den Schulen. Es ist heute längst möglich, den Schülern Schulstoff im Fernunterricht über einen längeren Zeitraum in geeigneter Form zu vermitteln. Hier muss es zu Anpassungen kommen lässt. Ich spreche hier natürlich als Vertreter der Industrie, aber es gibt schon auch andere Dinge, die wir lernen sollten. Zum Beispiel, dass man die Pandemie-Pläne und -Maßnahmen ernst nimmt und dass im Gesundheitswesen die Kapazitäten für solche Fälle da sind.

Ist diese Pandemie ein Schlag gegen die Globalisierung?

Die Pandemie wird in manchen Bereichen die Globalisierung verstärken. Dass China mit Schutzausrüstung und Masken aushilft, ist ein Zeichen für die Globalisierung. Es gibt aber Bereiche, wo man sich die Frage stellt, ob es wirklich notwendig ist, alles aus einer Region oder von einem Unternehmen zu beziehen? Dieser Frage müssen wir uns in der Industrie permanent stellen.

Gesundheitsminister Jens Spahn meinte, es könne nicht sein, dass Deutschland bei Medikamenten völlig von der Produktion in China abhängig sei. Die Produktion müsse nach Deutschland rückverlagert werden, auch um den Preis, dass die Medikamente dann teurer sind.

Das kann Spahn jetzt groß fordern. Wenn aber die Frage nach dem Geld gestellt wird, muss man auch liefern. Die Umstellung der Strukturen kostet. Viele Jahre lang wurde von der Pharmaindustrie verlangt, dass sie die Medikamente möglichst billig zur Verfügung stellt. Auch für die Dritte Welt. Das bedeutet, dass man dort produziert, wo es am günstigsten ist. Wenn man das fordert, muss man bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen.

Die Realität ist, dass der Markt entscheidet. Der Konsument greift zu den billigsten Produkten.

Richtig. Es werden die T-Shirts um fünf Euro gekauft und gleichzeitig beklagt man sich darüber, dass die Umweltstandards nicht eingehalten werden.

So geht es nicht. Wenn hier die Globalisierung ein Stück weit überdacht wird, ist es sicherlich nicht falsch. Aber sie wird sicher nicht komplett aufgegeben werden.

Manche fordern ein Zurückholen der Produktion aus Asien nach Europa. Ist das realistisch?

Es gab immer schon Unternehmen, die Produktion nach Europa zurückgeholt haben, was durch die Digitalisierung und Automatisierung möglich ist. Dass man hierzulande das Produkt günstig und schnell herstellt, ohne es drei bis vier Wochen im Transport-Container zu haben. Damit kann man schneller auf die Anforderungen der Märkte reagieren. Diese Entwicklung gab es aufgrund der Digitalisierung schon vor der Krise, sie wird sich nun beschleunigen. Viele Firmen verfolgen die Strategie local to local. Sie produzieren in Asien für Asien, in Europa für Europa. Bei manchen Produkten geht es gar nicht anders.

Wird die Corona-Krise, die in Wuhan ausgebrochen ist, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China beeinträchtigen?

Schuldzuweisungen sind fehl am Platz. Ein derartiges Virus kann auch in Afrika ausbrechen, das haben wir bei Ebola gesehen. Wir müssen mit solchen Krisen umgehen können.

Es ist schwierig, von hier zu sagen, China hätte schneller reagieren und informieren müssen. Es gibt die einen, die sagen, totalitäre Systeme wie China haben die Tendenz, solche Krisen zu kaschieren, da sie die Wirtschaft beeinträchtigen könnten. Auf der anderen Seite hat China dann reagiert und fährt die Wirtschaft wieder hoch. Es hat das ziemlich rasch abgearbeitet. Das war dann sehr konsequent.

Die Staaten Europas haben ihre Grenzen geschlossen, der gemeinsame europäische Markt ist faktisch außer Kraft gesetzt.

Ja, das spüren wir. Der Güterverkehr funktioniert grundsätzlich schon, mit einer Zeitverzögerung an den Grenzen. Auch die Pendler in den Grenzräumen können ihrer Arbeit nachgehen, mit Ausnahme leider von Tschechien.

Es ist sehr wichtig, dass man aufgrund der Krise nicht den europäischen Binnenmarkt in Frage stellt und die Grenzen wieder hochzieht.

Welche Lehren sollen wir aus der Krise ziehen? Es sind ja alle am falschen Fuß erwischt worden.

Das ist die Lehre, die wir bei jedem Schwarzen Schwan ziehen wollen. Wir sind immer in einem Modus, wo wir sagen, wenn es so weitergeht, ist alles großartig. Wir rechnen nie mit dem Schwarzen Schwan. Wir haben bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 gefordert, dass der Standort resilient ist, damit wir finanziell so aufgestellt sind, dass wir Krisen gut durchstehen können. Es gibt viele Unternehmen, die sagen, mir ist das Eigenkapital sehr wichtig, um für Krisen gewappnet zu sein. Die Banken stehen heute besser da als in der Finanzkrise. Wir haben in Oberösterreich darauf gedrängt, dass wir ausgeglichene öffentliche Haushalte haben. Damit schafft man den Polster für Maßnahmen in der Krise.

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