Die Opfer haben keine Chance

Frauen mit altmodisch klingenden Vornamen werden von Enkeltrick-Betrügern gezielt angerufen.
Die Täter sind hochspezialisiert. Ermittler beklagen Ende der Vorratsdatenspeicherung.

Die Täter sind international organisiert, psychologisch und rhetorisch bestens vorbereitet. Bei den Opfern handelt es sich um betagte, psychisch und körperlich gebrechliche Menschen. Sogenannte "Enkeltrick"-Betrügereien gelten daher als besonders perfide.

"Das ist eine der wenigen Betrugsformen, bei denen man Opfern keine verwerfliche Neigung wie Gier nachsagen kann", sagt Rupert Ortner, Ermittler des LKA OÖ. Im Gegenteil: Geschädigt werden Menschen, die Bekannten oder Verwandten in finanzieller Notlage helfen wollen. Ortner: "Die Opfer haben der Raffinesse der Täter leider nichts entgegenzusetzen."

Altmodische Namen

Die Hintermänner sitzen im Ausland, vielfach in Deutschland oder Polen. Sie schicken Handlanger zu Beutezügen quer durch Europa – und dabei auch nach Österreich.

"Diese Leute quartieren sich in Grenznähe ein und fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Tatort", sagt Ortner. Systematisch werden Städte abgeklappert. "Sie reisen am Vormittag an und abends wieder aus." Dirigiert werden die "Abholer" der Beute von einem "Logistiker", der mit dem "Anbahner" im selben Büro im Ausland sitzt.In Telefonverzeichnissen wird gezielt nach altmodisch klingenden weiblichen Vornamen (80 Prozent der Opfer sind Frauen) gesucht. "Dann werden die Margaretes, Renates oder Waltrauds kontaktiert und um Geld angebettelt."

Die Anbahner geben vor, Verwandte oder Freunde zu sein. Gelingt das, behaupten sie einen finanziellen Notfall. Ist ein Opfer hilfsbereit, wird ihm erklärt, dass ein Bote vorbeikommt und Geld, Schmuck und Golddukaten holt. "Die Abholerteams stehen dann schon vor der Tür. Bei der Übergabe halten sie sich extrem kurz auf, um rasch die Beute wegschaffen zu können." Aus Steyr sei ein Fall bekannt, bei dem zwischen Anbahnung und Abholung nur 13 Minuten vergingen. Erscheinen die Täter nicht sofort, kann man davon ausgehen, dass sie misstrauisch wurden und die Alarmierung der Polizei und eine Falle vermuten. "Dann passiert auch nichts mehr", sagt Ortner. Die Beutesumme ist meist hoch. "Sie liegt pro Fall bei etwa 30.000 Euro." 2012 betrug der Schaden 4 Millionen Euro, im Vorjahr 1,3 Millionen und heuer bereits eine Million. Hotspots sind der Großraum Wien, Graz, Tirol und Vorarlberg. "Das sind nur die angezeigten Fälle. Aus Angst, dass Angehörige sie entmündigen könnten und aus Scham, verschweigen viele Opfer die Tat." Die Betroffenen machen sich enorme Vorwürfe. Ortner: "In Deutschland hat es sogar einen Selbstmord gegeben."

Rufdatenspeicher

Verdächtige zu überführen, fällt Ermittlern nicht leicht. "Es ist ein Puzzlespiel. Erschwerend ist, dass uns seit Ende Juni der Zugriff auf eine elektronische Vorratsdatenspeicherung nicht mehr erlaubt ist." Mithilfe der Rufdaten-Rückerfassung sei es zuvor möglich gewesen, Kontakte und Bewegungsmuster von Verdächtigen gut nachzuverfolgen. Da der VfGH die entsprechende Rechtsgrundlage gekippt hat, fällt das nun weg. Ortner: "Das war ein Super-Werkzeug, das aus meiner Sicht unverzichtbar ist."

Am 21. März 2012 erreichte Josefa S. (Name geändert) in Linz ein Anruf. „Grüß’ dich, kennst mich nicht? Ich bin die ...“, sagte eine Frau – und machte eine Pause. Die 87-Jährige dachte, es sei die Nachbarin. „Du, ich hab’ ein Problem, ich brauche dringend Geld für die Anzahlung einer Wohnung“, sagte die Anruferin. 30.000 Euro. Als S. erklärte, nicht so viel daheim zu haben, wurde sie gedrängt, zur Bank zu gehen. „Kannst mich nicht hinfahren?“, fragte S. „Ich kann nicht weg, nimm’ dir ein Taxi“, lautete die Antwort. S. wollte die Freundin nicht im Stich lassen. Ein Bankmitarbeiter war erstaunt, dass die alte Dame allein kam: Sie wurde sonst stets vom Ehemann der Nachbarin begleitet. S: „Er wollte bei ihm nachfragen, doch das Handy des Nachbarn hat nicht funktioniert.“ S. erhielt den Betrag.

Zu Hause erreichte sie neuerlich ein Anruf. „Komm’ doch rüber und hol’ dir das Geld“, sagte die 87-Jährige zur Anruferin. „Ich kann nicht, ich schick’ dir wen“, erwiderte diese. Gleich darauf klingelte es und eine Fremde übernahm das Bargeld. Doch es dauerte nicht lang und S. wurde wieder kontaktiert. Neue Forderung: 70.000 Euro. Die Witwe ließ sich in die Zentralstelle ihrer Bank bringen, wo man Verdacht schöpfte. Es gelang, den Nachbarn via Festnetz zu erreichen. Natürlich wusste er nichts von einem Wohnungskauf seiner Frau und empfahl, die Polizei einzuschalten.

Die Beamten observierten das Viertel und nahmen eine Verdächtige fest. Da S. sie nicht zweifelsfrei identifizieren konnte, wurde sie drei Tage später wieder freigelassen.

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