"Die Oma muss weg": Mordprozess in Ried
Unser Verhältnis war extrem eng, ich hab’ mich bei ihm sehr wohlgefühlt – er war mein Ideal“, sagt Lukas S. über die Beziehung zu seinem Großvater Leopold D.
Als der 72-Jährige ihn aber im Vorjahr zu dem Mord an seiner Oma Renate angestiftet habe, sei plötzlich eine völlig unbekannte Seite des angehimmelten Menschen für ihn sichtbar geworden. Leopold D. habe sich „wie ein Kasten“ vor ihm aufgebaut, mit stechendem Blick und einem bösen, aggressiven Ausdruck. „Die Person, die da vor mir gestanden ist, war nicht mehr mein Opa“, behauptet der 19-Jährige. Er habe große Angst vor ihm bekommen: „Ich konnte gar nicht anders, als das tun, was er verlangt hat.“
Unterdessen saß Lukas’ Großvater bei einem Maturatreffen. Nach seiner Heimkehr alarmierte er via Notruf Polizei und Rettung: „Bei mir ist eingebrochen worden.“ Seine Gattin liege „bewusstlos“ im Wohnzimmer.
Indizien
Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle des vergangenen Jahres. Anhand der Spurenlage konnten die Ermittler einen Einbruch rasch ausschließen. Auf den Glassplittern der von außen eingeschlagenen Terrassentür wurden Blutspuren des Opfers gefunden. Daher musste die Tat vor der Sachbeschädigung passiert sein.
Als später auf dem Fußraster des Mopeds von Lukas S., auf seinem Helm und seinen Schuhen Blutspuren der Oma sichergestellt werden konnten, war klar, dass er etwas mit dem Mord zu tun haben dürfte. Der 19-Jährige legte schließlich auch ein umfassendes Geständnis ab. Angebliches Motiv: Der Opa habe ihn zu der Tat gezwungen. Allerdings: Der 72-Jährige leugnet bisher, damit irgendetwas zu tun zu haben.
Seit Montag verantworten sich beide in einer auf Indizien aufgebauten Verhandlung im Landesgericht Ried. „Es war ein Fehler, und es tut mir sehr leid, was ich gemacht hab’. Es war mir aber nicht möglich, Nein zu sagen oder mich wem anzuvertrauen“, behauptet der 19-Jährige.
Es habe drei Gespräche mit dem Großvater gegeben, in denen dieser ihn zu dem Mord gedrängt habe. „Er hat gesagt, dass er mit der Oma nicht mehr kann, nicht mehr mit ihr zusammenleben will, und dass sie weg muss.“ Zunächst habe er „gedacht, der Opa spinnt“. Doch er sei von ihm dann immer mehr unter Druck gesetzt worden. „Er hat gesagt, dass der 26. Oktober für die Sache sehr gut geeignet wäre, weil er da bei einem Matura-Treffen ist und daher ein Alibi hat.“ D. soll ihm auch geraten haben, die Tat zu vertuschen: „Täusche einen Einbruch vor.“ Später sei er zu dem Maturatreffen nachgekommen und habe dem Opa heimlich zugenickt, damit er Bescheid wisse, dass die Oma jetzt tot sei.
Getäuscht
Leopold D. bestreitet jeden Zusammenhang mit der Tat. „Ich bekenne mich nicht schuldig.“ Seinem Enkel hätte er das nicht zugetraut, durch Brutalität sei er nie aufgefallen. „Ich habe mich in ihm einfach getäuscht“, betont der pensionierte Hauptschuldirektor. Er habe den Lukas, der musisch sehr begabt sei, von klein auf immer gefördert. „Als Musiker braucht man Einfühlungsvermögen.“ Warum der Enkel ihn nun als Anstifter beschuldigt, kann er nicht nachvollziehen: „Ich finde keine Erklärung dafür, weil ich ihn als Person überhaupt nicht so eingeschätzt habe.“
Laut einem psychiatrischen Gutachten sei jedoch eine eigenmotivierte Tatausführung durch Lukas S. als „nicht wahrscheinlich“ einzustufen. Demnach ist er auch nicht aggressionsaffin. Aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur aber dürfte er nicht in der Lage gewesen sein, sich den Aufforderungen des Opas zu widersetzen. Lukas S. scheint sich von ihm noch nicht völlig gelöst zu haben: „Ich weiß nicht, was ich täte, wenn alles wieder so wäre“, bestätigt er.
Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetzt.
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