„Die Nachfrage nach Öl wird weiter hoch bleiben“

Bernd Zierhut, Geschäftsführer der Doppler-Gruppe
Öl sprudelt weltweit aus allen Quellen. Sanktionen und Logistik-Probleme treiben den Preis nach oben, sagt Bernd Zierhut im Interview.

Bernd Zierhut (61) ist Geschäftsführer der Doppler Gruppe und Obmann der Sparte Energiehandel in der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Die Doppler-Gruppe mit Sitz in Wels ist mit 263 Tankstellen der größte private Tankstellenbetreiber Österreichs. Diese werden unter den Marken Turmoil, Turmöl quick und BP geführt.

KURIER: Die Benzin- und Dieselpreise an den Tankstellen haben neue Höchststände erreicht. Wird das so bleiben?

Bernd Zierhut: Wir gehen davon aus, dass sich Preis kurzfristig unter zwei Euro positionieren wird. Wie er im Oktober, November sein wird, lässt sich schwer sagen. Aus heutiger Sicht wird am 1. Oktober die CO2-Besteuerung dazu kommen. Das heißt plus 10 Cent. Ich gehe davon aus, dass die Wirtschaft etwas an Schwung verlieren wird, was zu einer deutlichen Verringerung der Rohölpreise führen wird. Das heißt, der Preis wird um 20 bis 30 Prozent runtergehen.

Manche Experten meinen, die Rohölpreise werden hoch bleiben, weil die Konzerne wegen der Energiewende nicht mehr in die Exploration investieren. Und die Nachfrage nach wie vor hoch ist.

Das ist eine These. Öl ist ein Produkt mit einer globalen Nachfrage. Wenn man davon ausgeht, dass Öl in einem wesentlich geringerem Ausmaß benötigt wird, dann spricht man heute immer nur von Europa und der Energiewende. Europa ist aber nicht die ganze Welt. Europa hat rund 500 Millionen Bewohner, die gesamte Welt 7,5 Milliarden. Wenn wir uns die großen Wachstumsmärkte Afrika, Indien und China ansehen, sind wir dort weit entfernt von einer Dekarbonisierung. Die Elektromobilität wird dort in den nächsten Jahrzehnten eine Randerscheinung bleiben. Ich sehe dort nicht das Ende des Verbrennungsmotors. Daher wird die Ölnachfrage weiter hoch bleiben. Nach Aussage der Internationalen Energieagentur wird der Höhepunkt 2030 erreicht, dann erwartet man sich da eine Umkehr.

Die EU will Verbrennermotoren ab 2035 verbieten, E-Fuels sollen erlaubt sein. Was bedeutet das?

Der Verbrennermotor wird für Pkw verboten, aber nicht für die Lkw. Die Kraftstoffe, die heute benötigt werden, werden zu einem Drittel von den Pkw und zu zwei Drittel von den Lkw verbraucht. Für uns stellt sich die Frage, ob das machbar ist. Ja, das ist machbar. Der Ersatz kann zweierlei sein. Auf der einen Seite das batteriegeladenen Auto, also die Elektromobilität. Das Zweite sind synthetische Treibstoffe. Hier hat die EU die entsprechenden Türen geöffnet. Wir können die bestehenden Flotten dadurch CO2-frei machen. E-Fuels werden auch bei Rettungs-, Polizei-, Militär- und Sonderfahrzeugen zum Einsatz kommen.

Und bei den Lkw.

Dort ist der Weg noch nicht vorgezeichnet. Hier bietet sich auch der Wasserstoff als Lösungsmodell an. Insbesondere auf der Langstrecke. Die Frage ist auch, ob es eine Weiterentwicklung bei der Batterietechnologie geben wird. Zum Beispiel für kleine Lkw. Die Zukunft wird es zeigen.

Wird das tatsächlich so passieren, wie Sie das beschreiben? Europa fährt mit den doch teureren E-Autos, die große Mehrheit der Welt weiterhin mit den Verbrennungsmotoren.

Europa begibt sich hier auf einen schwierigen Pfad. Wenn wir wesentlich teurere Energie verwenden, dann wird unsere Wettbewerbsfähigkeit darunter leiden. Wenn wir daraus keine globale Überzeugung zimmern können, wird es schwierig sein, das durchzuhalten. Der Ausgang ist offen. Das, was heute suggeriert wird, dass Europa die Welt ist, wird nicht funktionieren.

Das steirische Unternehmen AVL List beginnt nächstes Jahr mit dem Bau der ersten E-Fuel-Anlage. Wird die Doppler-Gruppe E-Fuel anbieten, wenn er 2025 zur Verfügung stehen wird?

Ich bin Vorstand der E-Fuel-Alliance. Wir brauchen jetzt ein klares Signal von Brüssel, dass diese Technologie zugelassen wird. Dann wird hier großflächig investiert werden. Österreich wird aber sicher nicht der Standort für eine Großproduktion für synthetische Flüssigkeiten sein, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Saudi Aramco baut momentan zwei Anlagen im Ausmaß von drei Millionen Litern und es will eine Großanlage bauen mit einem Output von 300 Millionen Liter errichten. Dort, wo heute die Sonne scheint, wird die industrielle Produktion erfolgen.

Die lokale und regionale Tankwelt hat sich auch geändert. Früher waren die Tankstellen an der Grenze zu Bayern teurer als im Zentralraum. Nun ist der Diesel in Ort/I. oder in Obernberg/I. um 10 Cent billiger als in Linz.

Das ist der Wettbewerb. Obernberg ist eine Grenzstation und steht im Wettbewerb mit dem deutschen Markt, der den Preis wesentlich gesenkt hat. Aufgrund der Reduktion der Mineralölsteuer. Die Tankstelle will für deutsche Kunden weiterhin attraktiv sein. Der Tanktourismus hat an Attraktivität verloren und damit sind auch Einnahmen für den Finanzminister weg. Die Regierungen der Nachbarländer wie Italien und Deutschland haben die Steueranteile an den Kraftstoffen gesenkt. Nur Österreich hat sich entschlossen, als Land der Zauderer nichts zu tun. So sind wir zu einem der teuersten Tankplätze Europas geworden.

Sie plädieren für eine ähnliche Aktion in Österreich?

Das, was übernotwendig ist, und was ich der Regierung schon ankreide, ist, dass, ist, dass man eigentlich nichts gegen die Inflation tut, die ja auch energiepreisgetrieben ist. Das Einzige, was man tut, ist einen Gutschein zu versprechen, der im September oder Oktober kommt. Ich halte nichts von diesen nachträglichen Gutschriften, sondern mehr von momentanen Aktionen, um diese Preislawine zu dämpfen. Der Markt muss sich ja später wieder normalisieren und zurückführen lassen.

„Die Nachfrage nach Öl wird weiter hoch bleiben“

Bernd Zierhut

Wir sind in diesem Dilemma wegen des unsäglichen Krieges in der Ukraine. Die Produktion läuft, nur die Logistikketten sind verworfen. Sie machen das so teuer, dass wir momentan mehr als zwei Euro an der Pumpe bezahlen. Wir kaufen nicht mehr vom Iran, nicht mehr von Russland, nicht mehr von Venezuela, aber die Norweger sind brav, deswegen kaufen wir bei ihnen. Bei den Saudis kaufen wir auch, die Aserbaidschaner sind seit Neuestem auch politisch korrekt. Das sind Verwerfungen unserer Bezugsquellen, die zu einer extremen Verteuerung des Produkts führen. Aber Öl wird derzeit genauso viel produziert wie früher.

Die Autofahrer sind trotz der hohen Preise genauso viel unterwegs wie früher. Eine Verkehrsentlastung ist nicht wirklich zu spüren.

Bis Ende Mai hat es einstarkes Plus beim Absatz gegeben. Das hat sich im Juni gedreht. Wir verkaufen im Vergleich zum Vorjahr weniger.

Um wie viel weniger?

Um sechs bis acht Prozent. Wir kommen aber von plus 20 Prozent. In den Monaten März, April, Mai ist mehr gefahren worden. Der Juli bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres.

Wenn die Preise hoch sind, verdient die Doppler Gruppe auch mehr.

Es ist umgekehrt. Wir brauchen niedrige Tankstellenpreise. Da ist der Verdienst der beste. Weil mehr gefahren wird und der Einkauf leichter ist. Der Händler ist eigentlich an niedrigen Preisen interessiert. Es ist aber schon so, dass die hohen Preise zu mehr Verdienst führen. Jammern ist nicht angesagt. Das rührt von dem Sondereffekt, dass wir momentan eine Produktknappheit haben. Wir haben in Österreich eine Versorgungskrise, insbesondere beim Diesel, aber auch beim Benzin.

Kann man tatsächlich von einer Versorgungskrise reden?

Vergangenes Wochenende sind im Burgenland Tankstellen leergelaufen. Es laufen auch Tanklager leer. Diese Knappheit betrifft vor allem den Osten Österreichs. Oberösterreich ist in der Versorgung wesentlich besser aufgestellt.

Warum?

Die Ursache ist der Raffineriestillstand in Schwechat. Und nachgelagert die Explosion der Destillerie im Juni. Schwechat versorgt den österreichischen Markt zu 65 Prozent. Die westlichen Bundesländer haben eine wesentliche bessere Versorgung durch die deutschen Raffinerien Ingolstadt, Neustadt und Coburg. Von allen drei Raffinerien können die Tankstellen durch Tankwagen angefahren werden. Weiters haben wir zwei große Tanklager. Eines im Linzer Hafen und eines in St. Valentin, wo auch Pflichtnotstandsreserven liegen.

Sie bieten an den Tankstellen auch Schnellladestationen für E-Autos an. Bei unserem Gespräch vor einem Jahr haben Sie gemeint, es gebe dort kaum Frequenz. Hat sich das verbessert?

Das hat sich wesentlich verbessert. Wir haben in der Zwischenzeit 28 Anlagen und mehr als 100 Ladepunkte. Wir sehen eine Diversifikation der Mobilität. Die E-Mobilität nimmt immer mehr Fahrt auf. Man kann, von einem niedrigen Niveau kommend, von einer Verdoppelung, an manchen Stationen von einer Verdreifachung der Stromeinheiten reden.

Die EU hat ein Importverbot von russischem Öl beschlossen. Wie wirkt sich das aus?

Jedes Importverbot wirkt sich negativ auf den Markt aus. Wenn ein geringes Angebot auf eine hohe Nachfrage trifft, treibt das den Preis. Die Sanktionspolitik fruchtet momentan sehr wenig. Österreich ist davon am stärksten betroffen, weil die Energieabhängigkeit von Russland eine maximale ist. Das trifft uns offensichtlich viel schlimmer als den Kriegsherrn Putin und seine Bevölkerung. Wir gehen hier völlig falsch beraten an die Sache. Schon als Schachspieler hätte ich das völlig anders gemacht.

Nämlich?

Wenn ich mich schon mit einem Gegner auseinandersetze, muss ich mich doch in die Position begeben, dass ich unabhängig von ihm bin, bevor ich auf seine Lieferung verzichte. Selbst auf keine Alternativen zu setzen, ist Selbstmord auf Raten. Wir haben sowohl bei Rohöl auch bei Gas in Österreich eine Inlandsförderung. Wir sollten sie mit allen Mitteln heben. Ich kenne hier keine Aktivitäten. Wenn ich weiß, dass der Konzern, der teilweise dem Staat gehört (OMV), große Erdgasfelder im Schwarzen Meer hat, würde ich sofort eine Pipeline bauen, um von Russland unabhängig zu werden. Alle diese Aktivitäten fehlen mir. Im Wärmemarkt würde ich nicht auf das grüne Gas setzen, sondern sagen, behaltet euch die Ölheizung noch ein paar Monate.

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