"Die Einheit ist längst dahin"

"Die Einheit ist längst dahin"
Klaus Dopler, der Pfarrer von Gallneukirchen, redet Klartext. Es gebe einen spürbarer Rückschritt, der Bezug zur Basis wurde verloren

Mehr als 80 Priester der Diözese Linz haben die Pfarrerinitiative "Aufruf zum Ungehorsam" von Helmut Schüller unterzeichnet. Unter ihnen der Pfarrer von Gallneukirchen, Klaus Dopler.

Kurier: Was war Ihre Motivation, den Aufruf zu unterzeichnen?
Klaus Dopler: Es ist wichtig, dass es einmal eine Initiative von den Priestern gibt. Von den Laien gab es schon verschiedene Aktionen.

Wo besteht der dringendste Reformbedarf?
Es geht um die Seelsorge insgesamt. Ich finde es schade, dass man die Diskussion auf Fragen wie die des Zölibats einengt. Wie kann Seelsorge mit weniger personellen und finanziellen Ressourcen gelingen? Wie wird Seelsorge organisiert? Seit einigen Jahren wird nur mehr gerechnet. Die Zahl der Gläubigen wird durch die Anzahl der Priester dividiert und so wird Personalpolitik betrieben. Wir haben Beispiele, wo der Dechant für vier Pfarren gleichzeitig zuständig ist.
Die Gottesdienste können zwar notgedrungen abgedeckt werden, aber wie kann hier Seelsorge gelingen? Es geht um Vor- und Nachbegleitung, zum Beispiel bei Taufe und Begräbnis, dass wir uns Zeit für das Gespräch nehmen. Es ist wichtig, dass wir den Bezug zu den Menschen haben in einer Zeit, in der viele, auch viele Gläubige, wenig Bezug zur Kirche haben.

Wie sehen Lösungsmöglichkeiten aus?
Die Zulassungsbedingungen für Priester sollten geändert werden. Da gehört für mich die Zulassung von Frauen dazu. Berufungen gibt es für mich viele. Wir haben in unserer Pfarre Personen und Persönlichkeiten, die wertvolle Arbeit leisten. Ich könnte sie mir gut für eine Gemeindeleitung vorstellen. Es ist sehr viel Potenzial da. Für mich gehören Gemeindeleitung und das Vorstehen in der Eucharistie ganz eng zusammen. Ich halte es für eine Katastrophe, wenn ein wildfremder Priester irgendwo hinfahren muss, um den Gottesdienst zu feiern, wo er überhaupt keinen Bezug zur örtlichen Gemeinde hat.

Die Pfarrerinitiative verlangt auch die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene.
Ich würde wiederverheiratete Geschiedene nicht ausgrenzen. Das wird auch in vielen Pfarren schon so gelebt. Es gibt auch die Form von Segensfeiern für wiederverheiratet Geschiedene. Man kann auch hier eine schöne und würdige Feier ermöglichen.

Mehr als 80 Priester der Diözese Linz haben die Pfarrerinitiative unterzeichnet. Das ist also die breite Meinung der Priester in Oberösterreich.
Ich glaube schon, dass es eine sehr breite Meinung ist. Sie unterscheidet sich vielleicht in einzelnen Punkten. Was mich überrascht, ist die Aufgeschlossenheit der älteren Priester für Änderungen, weil sie die Notsituation erkennen. Wenn ein 75-Jähriger noch für drei Pfarren zuständig ist, dann ist die Notwendigkeit für Änderungen ganz offensichtlich. Es ist für mich menschenverachtend, wie mit alten Priestern umgegangen wird. Es wird als Selbstverständlichkeit gesehen, dass sie bis zur bitteren Neige durchhalten.

Die Forderungen der Pfarrerinitiative sind nicht wirklich neu. Die Bischöfe sagen zwar, wir wollen den Dialog, aber es ändert sich seit Jahrzehnten nichts. Ist das nicht frustrierend?
Ja, das ist es. Das ist mit ein Grund, warum die Menschen der Kirche entweder den Rücken zukehren oder auf die Barrikaden steigen. Infolge des Treffens von Mariazell vor eineinhalb Jahren hat es regionale Treffen gegeben. Man wollte die gute Stimmung von Mariazell fortführen. Die Teilnehmer waren enttäuscht und zornig, weil das, was die Bischöfe versprochen haben, nämlich die Dinge bei der Bischofskonferenz zum Thema zu machen, nicht geschehen ist. Sehr viele Pfarrer haben nicht mehr die Energie zum Protest, weil sie sagen, es bringt eh nichts. Gegen die Bischofskonferenz anzukämpfen, bedeutet Energie in schwarze Löcher zu investieren. Damit geht die Rechnung der Bischofskonferenz und von Rom auf, nämlich Aussitzen, Zuwarten und nichts tun. Es ist hier ein ganz großes Spannungsfeld da. Man wirft der Pfarrerinitiative vor, sie würde die Einheit gefährden. Die Einheit ist längst dahin, weil die Bischöfe abgehoben sind und den Bezug zur Basis verloren haben.

Kardinal Christoph Schönborn hat eine Entscheidung gegen Schüller angekündigt.
Ich habe damit gerechnet. Es hat mich aber überrascht, dass er sich so scharf positioniert hat. Denn nachher zurückzuziehen wird schwierig werden.

Wie wird der Konflikt enden?
Einen Funken Hoffnung habe ich noch. Dass man nicht am Gehorsam hängen bleibt und fragt, ist das noch romtreu oder nicht, sondern dass man endlich einmal auf die Ebene der Anliegen geht und gemeinsam nach Lösungen sucht. Die Priester stellen sich ja nicht gegen die Kirche, sondern formulieren ihre Anliegen aus Sorge um diese Kirche.

Letztendlich landen die Dinge am Tisch des Papstes. Die Hoffnungen, die Josef Ratzinger am Beginn seines Pontifikats geweckt hat, sind verschwunden.
Genau so ist es, für mich ist ein spürbarer Rückschritt da.

Unter Ratzinger wird sich kaum etwas ändern, unter seinem Nachfolger wahrscheinlich auch nicht.
Wer hat 1989 damit gerechnet, dass die Berliner Mauer fällt? Vielleicht wird dieser dramatische Einbruch, in dem wir uns befinden, zu einer Änderung führen Der Altersdurchschnitt der Priester in Oberösterreich liegt bei 68 Jahren. Die Anzeichen gehen aber eher in die Gegenrichtung.

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