„Die Autonomie der Gemeinden wird ausgehöhlt“

Gabriele Lancaster, Bürgermeisterin von Steinbach am Ziehberg
Können Kleingemeinden überleben? Bettina Lancaster, die Bürgermeisterin von Steinbach am Ziehberg, fordert mehr Eigenständigkeit, mehr Geld und mehr Mitsprache.

Bettina Lancaster ist Bürgermeisterin der 866-Einwohner-Gemeinde Steinbach am Ziehberg. Die 58-Jährige ist kürzlich zur stellvertretenden Präsidentin des Österreichischen Gemeindebundes gewählt worden. Sie ist Bezirksparteivorsitzende der SPÖ des Bezirkes Kirchdorf/K., Vorsitzende des oö. Gemeindeverteterverbandes und seit Februar Bundesrätin. Sie ist mit einem gebürtigen Engländer verheiratet, die beiden haben zwei Töchter (28 und 30 Jahre jung).

KURIER: Aufgrund welcher Qualitäten sind Sie zur Vizepräsidentin gewählt worden?

Bettina Lancaster: Ich nehme die Arbeit an, ich bin nicht schüchtern (lacht). Ich lerne gern, ich scheue Herausforderungen nicht. Wenn ich wo gut im Sessel gesessen bin, habe ich gewusst, es geht mir etwas ab. Darum sage ich zu Herausforderungen leicht Ja.

Was ist Ihre Mission als Vertreterin der Gemeinden, was brauchen die Gemeinden?

Sie brauchen die Autonomie, die ihnen eigentlich zugesprochen wird. Diese geht durch finanzielle Einschränkungen für Gemeinden wie Steinbach am Ziehberg verloren. Wir sind eine Härteausgleichsgemeinde, also eine strukturschwache Gemeinde. Wir haben einen sehr geringen Spielraum, um die Autonomie zu leben.

Wie sieht Ihre Antwort daraus aus?

Wir bauen, obwohl wir kein Geld haben. Ich dürfte zum Beispiel das Gemeindeamt nicht sanieren und keinen Bauhof bauen, weil wir weniger als 1.500 Einwohner haben. Wir machen nun mit der Pfarre, dem Musikverein und einem potenziellen Gastronomiebetrieb eine Kooperation. Es ist nun ein Gemeindezentrum, ein Haus mit vielen Funktionen. Im Keller haben wir Platz für die Geräte des Bauhofs, den wir nicht bauen dürften (lacht).

Vor einigen Jahren gab es eine intensive Diskussion über Gemeindezusammenlegungen.

Mit einer Fusionierung kann ich wenig anfangen, mit Kooperation und Zusammenarbeit hingegen sehr viel. Das ist eine wichtige Zukunftsentwicklung. Die Gesetze sind inzwischen derart kompliziert, zum Beispiel die Standesamtsagenden, dass das eine kleine Gemeinde mit wenig Personal nicht mehr abdecken kann. Es braucht regionale Kompetenzzentren, wo man das gemeinsam macht.

Wie sieht das konkret aus?

Die Kirchdorfer Zentralgemeinden bilden einen Standesamtsverband mit Sitz in Kirchdorf. Dort werden alle entscheidenden Dinge abgewickelt, wir bieten aber Service vor Ort an. Es können Ehepaare nach wie vor hier lokal heiraten, solange wir einen ausgebildeten Standesbeamten haben.

Wir schauen, dass man Amtsgeschäfte auf kurzem Weg erledigen kann, damit sich die Leute nicht ins Auto setzen müssen. Denn Kirchdorf ist 13 km entfernt, nach Pettenbach sind es 11 km. Raiffeisen hat ihren Standort hier bereits aufgegeben, das Gebäude ist verkauft worden, es gibt nur mehr einen Bankomaten. Das sind Verluste. Wir brauchen wichtige zentrale Strukturen in den Orten. Wir haben es geschafft, den ADEG-Markt zu erhalten. Ich hoffe, dass wir den Bankomaten und das Gemeindeamt erhalten, und dass wir im Ort eine Kernstruktur bekommen. Eine Wohnbaugenossenschaft errichtet zwei Siedlungshäuser.

Verzeichnet Ihre Gemeinde Zuwanderung oder Abwanderung?

Eine leichte Zuwanderung. Was die Menschen hier schätzen, ist das Leben mit der Natur. Der Bauträger baut mit Vollholz. Mit 68 Prozent Waldanteil sind wir eine Holzgemeinde. Es gibt auch ein Sägewerk. Es gehört zu unserer Identität, möglichst naturnah zu bauen. Wir verkaufen im Tourismus das Nichts, es ist außer Natur nichts da.

Wo sehen Sie die Autonomie der Gemeinde noch gefährdet?

Für uns als Kleingemeinden ist die Schaffung von Wohnraum für die hier lebenden Menschen angesichts der Bestimmungen, den Flächenfraß einzudämmen, eine riesige Herausforderung. Wir wollen als Gemeinden mehr Entscheidungskraft im Umgang mit den Flächen.

Das heißt, Sie benötigen Baugründe, damit die Menschen sich ein Haus bauen können.

Genau. Wir haben bei uns so viel Grün und so viel Wald. Die Ökologie ist unser Aushängeschild. Wir sind eine Erholungsgemeinde. Niemand im Gemeinderat würde je auf die Idee kommen, oben (auf den umliegenden Hügeln und Bergen) zu bauen. Wir bauen sowieso nur im Tal. Wir überschreiben die Erschließungskosten für die Gründe direkt an die Baulandwidmer. Das ist bei uns am Land ziemlich viel Geld. Das hat zur Folge, dass sich das für die Widmer nicht rechnet und sie mir abspringen.

Was kosten die Baugründe?

Die letzten sind um 70 bis 80 Euro pro Quadratmeter verkauft worden. Sie werden jetzt teurer, weil die Erschließungskosten immer teurer werden.

Als Argument gegen mehr Mitsprache für die Gemeinden bei der Widmung von Grundstücken und Flächen wird das Beispiel der Abholzung von 18 Hektar Wald in Ohlsdorf für den Bau eines Billa-Logistikzentrums angeführt.

Ich plädiere für die Autonomie der Gemeinden. Wenn die Gemeinde ein gutes Raumordnungskonzept ausarbeitet, das im Gemeinderat einen Konsens findet, soll das von den Behörden in Linz überprüft werden. Aber häufig bekommen wir eine Ablehnung mit dem Argument der Bildung einer Splittersiedlung zurück. In Siebenbrünn, einem kleinen Siedlungsgebiet mit fünf Häusern, das komplett erschlossen ist, hätten wir gern noch einen Baugrund gehabt. Das wird abgelehnt. Dabei würde unsere Infrastruktur effizienter werden, weil wir mehr Abnehmer hätten.

Mit Michael Lindner haben Sie einen neuen Parteivorsitzenden. Wie sehen Sie die Situation der Landes-SPÖ?

Ich sehe sie sehr optimistisch, weil ich Michael Lindner schon sehr lange kenne. Er ist geerdet, er weiß, wie Politik funktioniert. Er kann auf Menschen gut zugehen. Ich bin nicht zufrieden, wie die Ablöse von Birgit Gerstorfer gelaufen ist. Das ist meine Kritik nach innen. Sowohl Lindner als auch Parteisekretär Florian Koppler sind in den Strukturen gewachsen. Mit ihnen gibt es eine gute Zukunft.

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