Bischof: "Das Verständnis für das Tun der Mönche fehlt"
Manfred Scheuer (68) ist seit 2015 Bischof der Diözese Linz. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz.
Der aus Haibach ob der Donau stammende Theologe war von 2003 bis 2015 Bischof von Innsbruck. Davor unterrichtete er als Professor für Dogmatik und Ökumene in Trier.
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KURIER: Die Trappisten haben bekannt gegeben, das Kloster Engelszell zu verlassen. Sehen Sie eine Möglichkeit, das Kloster weiterzuführen?
Manfred Scheuer: Es hat sich schon seit Jahren abgezeichnet, dass das monastische Leben dort schwieriger und teilweise unmöglich wird.
Das hängt mit der Altersstruktur zusammen bzw. mit der Gesundheit derer, die gegenwärtig da sind.
Deshalb war die Schließung abzusehen. Eine Zufuhr von anderen Trappistenklöstern war nicht möglich, weil im deutschen Sprachraum schon alle Trappistenklöster aufgelöst sind. Die Kultur der französischen Trappistenklöster ist eine etwas andere als die der deutschsprachigen.
Wo liegen die Unterschiede?
Das österreichische Mönchtum ist immer schon josephinisch geprägt gewesen. Die Österreicher haben nicht so viel Verständnis für das monastische Leben, für die Kontemplation, für das strenge Schweigen. So haben die Benediktiner oder die Zisterzienser in den letzten Jahrhunderten Seelsorge in den Pfarren und Bildungs- und Kulturaufgaben übernommen.
Sehen Sie die Chance, dass ein anderer Orden das Kloster übernimmt? Die Schließung wird als spiritueller Verlust empfunden.
Ich bin auf der einen Seite von der Reaktion überrascht.
Positiv überrascht?
Ja, weil das Verständnis doch breiter Kreise der Bevölkerung und auch innerkirchlich für diese Form des Klosterlebens enden wollend ist. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass es wie beim Brand von Notre Dame in Paris eine Art Phantomschmerz gibt. Eine Gesellschaft wie die französische hat die Kirche schon ziemlich an den Rand gestellt.
Aber wie Notre Dame abgebrannt ist, hatte man den Eindruck, dass den Menschen über etwas das Herz blutet, was sie eigentlich gar nicht mehr hat. So ähnlich habe ich es bei Engelszell empfunden.
Das Kloster war und ist mit der Herstellung von Kräuterlikör und Trappistenbier wirtschaftlich erfolgreich.
Diese Produkte kennt man. Es ist ein Kulturzentrum. Aber das innere Verständnis für das, was die Mönche tun, hat weitgehend gefehlt. Das ist im Grunde genommen das Schicksal der Ordensgemeinschaften insgesamt.
Es gibt zum Beispiel eine Wertschätzung für die Leistungen der Frauenorden im Bereich des Gesundheitswesens (Spitäler) und der Pflege, aber für den Verzicht (Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams), den sie mit ihrem Ordensleben leisten, ist das Verständnis nicht gegeben.
Dieser Verzicht kann aber Leben gelingen lassen, die Ordensleute setzen sich für ihre Anliegen ein und brennen dafür. Dieser Verzicht wird aber schnell auf die Couch der Therapie oder Psychiatrie gelegt.
Eintritte in Orden sind eine Ausnahme. Ist das Ordensleben mit den strengen Kriterien nicht überholt?
Es ist nirgends gesagt, dass die Orden alles überleben werden. Große Orden haben in der Geschichte wichtige Weichenstellungen gesetzt. Wenn ich zum Beispiel an die Benediktiner denke. Nach dem Zusammenbruch der römischen Zivilisation haben sie eine neue Ordnung aufgebaut.
Der Ordnungsgedanke des Mittelalters stammt von den Regeln der Benediktiner. Die Englische Verfassung ist letzten Endes auf der Basis von Ordensregeln entstanden, wo es die Mitentscheidung durch die Klosterregeln gibt.
Die Predigerorden standen als Kontrasymbol gegen die Verbürgerlichung. Diese Bettelorden haben bewusst auf Reichtum verzichtet und damit ein Signal gesetzt. Die Jesuiten hatten zu Beginn der Neuzeit eine unheimliche Dynamik und haben in der Wissenschaft sehr viel geleistet. Sie waren der Zeit voraus.
Im 19. Jahrhundert haben die Frauenorden, die das Wort Barmherzigkeit in ihren Namen tragen, in der Pflege viel geleistet. Sie waren oft Vorreiter.
Heute sind die Orden stark in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert.
Es waren und sind fast ausschließlich Orden, die sehr viel im Verhältnis von Nord und Süd leisten. Gegen die Kolonisatoren und gegen die Kapitalisten. Sie haben wichtige Voraussetzungen geschaffen, dass der Süden ein Selbstbewusstsein bekommt.
Orden sind so etwas wie Kirche im Brennpunkt. Oder im guten Sinn Salz der Erde. Es ist immer alles durchwachsen, niemand ist perfekt, im Gegenteil, natürlich gibt es auch Fehlformen, Mangelerscheinungen, Danebenstehen und Scheitern.
Gerade in der Gegenwart, wo es so viele Probleme gibt wie zum Beispiel die Vereinsamung und das Auffangen von Menschen, die nicht in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sind Orden oder ordensähnliche Ansätze wichtig.
Was könnte Orden wieder attraktiv machen?
Das ist nicht ein Produkt, das gekauft wird, sondern ein Lebensentwurf in der Nachfolge Jesu. Diese Bindung an Jesus braucht es, sonst ist das nicht lebbar. Es wird dadurch attraktiv, indem man sich darauf einlässt.
Das setzt die Freude am Glauben voraus, die Anziehungskraft des Evangeliums, und auch das Bewusstsein, dass man den Menschen damit etwas ganz Kostbares und Wichtiges vermittelt.
Ordensgründer haben oft in jahrelangem Ringen ein Charisma entwickelt und dafür Gefährten und Freunde gefunden. Allmählich hat sich dann eine Regel strukturiert.
Ist der Verzicht durch die Gelübde der Armut der Keuschheit und des Gehorsams zu groß?
Der Verzicht ist nicht das Erste, auf das man schaut, wenn man für etwas brennt, so ist zum Beispiel der Verzicht bei Wissenschaftern oft sehr groß. Der asketische Charakter der Spitzensportler ist enorm. Sie haben ihre Fastenzeiten und Diäten. Der Verzicht ist nicht in sich zu sehen, sondern im Hinblick auf ein anderes, höheres Gut. Wenn jemand meint, er kommt hier zu kurz, dann ist er fehl am Platz.
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