Ein Pfarrer predigt nicht nur in der Kirche: Das Wort Gottes als Online-Video

Eine teure Kamera, Scheinwerfer, ein Teleprompter und ein Greenscreen zum Einfügen eines anderen Hintergrunds – in der Pfarrkanzlei von Pfarrer Tom Kruczynski in Brunn am Gebirge (NÖ) hat sich ganz schön Equipment angesammelt.
Das braucht er aber auch, denn jeden Sonntag veröffentlicht Pfarrer Tom eine Predigt auf der Online-Videoplattform Youtube sowie der Pfarr-Homepage. Da geht es dann auch um Fragen, ob man zu alt für das Evangelium sein könne und warum die Kirchen leer bleiben. Bekannt wurde er kürzlich für seinen Predigt-Wettbewerb mit dem Chatpot ChatGPT.
"Begeistern, trösten, aufrichten"
Doch warum predigt ein Pfarrer mit eigener Gemeinde überhaupt online? „Ich bin jemand, der gerne experimentiert“, erklärt der 48-Jährige. Und natürlich: „Weil man Menschen erreicht, die sonst in keine Kirche gekommen wären. Ich will mit meiner Begeisterung für das Wort Gottes andere Menschen begeistern, trösten und aufrichten.“
Groß geworden ist Pfarrer Tom in der Pfarre Wien-Hernals, erst als Ministrant, dann als Pfarrgemeinderat. Die Kirche, sagt er, habe in seiner Familie schon immer eine große Rolle gespielt. „Ich habe all das, was ich dort gelebt habe, geglaubt habe, als normal angesehen“, erzählt er.
Studium an der WU
Priester war dennoch nicht seine erste Berufswahl. Er studierte an der WU Betriebswirtschaft, arbeitete bei der Caritas und als Datenbank- und Softwaremanager. „Mit Mitte 20 habe ich gespürt, dass da mehr ist“, sagt Pfarrer Tom. Doch es dauerte bis zu seinem 30. Geburtstag, dass er – nach einem Tandemsprung – entschied, ins Priesterseminar einzutreten.
Erste digitale Gehversuche machte Pfarrer Tom als Kaplan in Wiener Neustadt und Wien-Liesing. Dann, als Pfarrer in Stockerau, startete er durch – und blieb seinem Hobby auch 2021 nach dem Wechsel nach Brunn/Gebirge treu.
Ein Fanklub entstand
250 bis 350 Menschen sehen sich im Schnitt seine Sonntagspredigten an, rund die Hälfte sind Abonnenten des Pfarr-Kanals. Die meisten sind 45 Jahre oder älter. „Im Lauf der Zeit entstand schon ein Fanklub“, sagt Pfarrer Tom und grinst. Manche Videos – wie etwa jenes mit ChatGPT – erreichen auch Tausende Zuseher. Regelmäßigkeit sei jedenfalls wichtig. „Wenn man jeden Sonntag etwas hochlädt, wird das vom System honoriert und mehr Leuten vorgeschlagen.“ Somit greift Pfarrer Tom jede Woche zwischen Freitagfrüh und Sonntagmittag zu seiner Kamera und sucht sich einen netten Platz für seine Predigt. Das kann die Kirche sein, ein Weingarten oder die Pfarrkanzlei. Die verschiedenen Settings seinen ein „Zuckerl“ für seine Zuseher. Dann geht es an den Schnitt. Versprecher schneidet Pfarrer Tom raus. „Dann kann man überlegen, ob man seine Worte mit Bildern unterlegen will.“ Das zahle sich aus.

Für seine Videos sucht sich Pfarrer Tom unterschiedliche Orte. Er predigt online und offline in der Kirche.
Weniger Gläubige
Die Idee zum Wettstreit mit ChatGPT entstand übrigens im Fasching. Er sei selbst erstaunt gewesen, was technisch bereits möglich ist. „Die größte Überraschung war, dass die Maschine irgendwie gelernt haben muss, zwischen gutem und schlechtem Material zu entscheiden.“ Bedroht fühle er sich davon aber nicht, denn das Persönliche einer Predigt und den Zuschnitt auf die eigene Gemeinde schaffe eine künstliche Intelligenz nicht.
Pfarrer Tom ist mit seinen Online-Aktivitäten nicht alleine (siehe unten). Vor allem während der Pandemie hätten viele Pfarren auf Live-Streams der Messen gesetzt. In Brunn/Gebirge wird derzeit noch einmal im Monat die Kamera aufgedreht. Mehr sei nicht mehr möglich, sagt Pfarrer Tom. Nach Corona sei das Engagement der Ehrenamtlichen und die Zahl der Besucher jeweils um ein Drittel zurückgegangen. Man sei also in einer Konsolidierungsphase.
Generell sind dem Pfarrer persönliche Begegnungen aber ohnehin lieber: „Ich möchte den Menschen helfen, in eine lebendige Beziehung mit Gott zu treten.“
Auch die Kirche kommt an sozialen Medien nicht mehr vorbei. Immer mehr Geistliche sind auf diversen Kanälen vertreten, streamen die Sonntagspredigten in ihren Pfarren oder sind auf diversen Plattformen wie Facebook oder Instagram aktiv.
„Das sind Plätze, wo sich sehr viele Menschen bewegen. Wenn man dort nicht präsent ist, dann ist man für viele nicht mehr wahrnehmbar“, heißt es von der Erzdiözese Wien. Kein Wunder, dass auch Kardinal Christoph Schönborn auf Twitter, Facebook und Instagram vertreten ist. Mit Weihbischof Stephan Turnovszky möchte man zudem via Youtube die Jugend ansprechen. Gerade die Lockdowns während der Pandemie hätten einen Digitalisierungsschub gebracht, so die Erzdiözese. Es kommt aber auch auf das Engagement der einzelnen Geistlichen an.
So sind etwa die Messen aus der Pfarrkirche Maria Schutz in Schottwien, Bezirk Neunkirchen, auf zahlreichen Plattformen abrufbar. Wie Pfarrer Tom Kruczynski ist auch Clemens Abrahamowicz, Pfarrer in Baden, mit Videos auf der Videoplattform Youtube vertreten. Sowohl die Pfarre St. Othmar in Mödling mit Pfarrer Adolf Valenta als auch das Zentrum Johannes Paul II. in Wien mit Pater George Elsbeth geben über Instagram Einblicke ins Pfarrleben.
Pater Simon De Keukelaere von der Katholischen Hochschulgemeinde Wien hat sogar einen eigenen Insta-Kanal – etwas, was er mit Julia Schnizlein, Pfarrerin in der Lutherischen Stadtkirche Wien, gemein hat. Schnizlein betreut zudem eine eigene Homepage. Pfarrer Georg Fröschl der Wiener Pfarre Breitensee wiederum betreibt einen multimedialen Blog.
Kommentare