Neues Leben für die alte Kutschbockdecke des Bürgermeisters

Neues Leben für die alte Kutschbockdecke des Bürgermeisters
Mehr als 24.000 Objekte lagern im Textil-Depot des Wien Museum. Für sie zuständig ist Restauratorin Britta Schwenck.

Britta Schwenck deutet auf ihre Arbeitsmaterialien. „Ich fühle mich manchmal wie ein Mediziner und manchmal wie ein Friseur“, sagt sie. Auf dem Tisch liegt ein kleines Kissen voller gebogener chirurgischer Nadeln, daneben ein heller, geflochtener Zopf aus Seidenfäden. Für das spezielle Garn und die Nadeln gibt es aktuell ein wichtiges Betätigungsfeld: Mit ihrer Hilfe soll die Kutschbockdecke des Galawagens des Wiener Bürgermeisters restauriert werden.

Schwenck ist seit vorigen August als Textilrestauratorin im Depot des Wien Museum in Himberg tätig. Mehr als ein Fulltime-Job: Über 24.000 Objekte der Textilsammlung fallen in ihr Aufgabengebiet, dazu kommen Möbel, Fahnen und Teppiche. Die Kutschbockdecke ist eines ihrer ersten großen Projekte. Sie soll ab September im neuen Wien Museum wieder den ebenfalls restaurierten Galawagen zieren.

Aus dem Jahr 1853

Bis dahin ist viel zu tun, denn die Decke mit ihren Borten, Fransen, Kordeln und Stickereien aus dem Jahr 1853 ist in schlechtem Zustand. Viele der Dekorationselemente sind abgefallen, das Wollgewebe von Motten zerfressen. Wie kann ein solcher Schaden repariert werden? „Wir schauen, dass wir das nähtechnisch mit einem ähnlichen Trägergewebe unterlegen“, sagt Schwenck.

Dafür hat sie lange nach einem ähnlichen Baumwollstoff gesucht, den sie nun in beige-grau einfärben wird – je nach Schmutzpatina der Decke in zwei bis drei unterschiedlichen Farbtönen. Das neue Gewebe wird nun von mehreren Fachleuten angenäht. Der Schaden, erklärt die Restauratorin, soll so optisch in den Hintergrund treten.

Schneiderin mit Studium

Die 45-Jährige aus dem deutschen Kassel ist eigentlich gelernte Schneiderin. „Während der Schulzeit habe ich ein Praktikum in einer Theaterschneiderei gemacht. Da hat mich die Liebe zum Textil, zum Kostüm gepackt“, erzählt sie. 2006 hat Schwenck den Studiengang Textilrestaurierung an der Universität für angewandte Kunst abgeschlossen. 15 Jahre lang war sie selbstständig, restaurierte zuletzt das 89 m2 große gotische Gurker Fastentuch aus dem Jahr 1458.

"Es hält fit"

Ihr Arbeitsort ist kein Nähtisch. Vielmehr muss Schwenck – je nach Objekt – auch vornübergebeugt stehend, hockend und sogar liegend nähen. Anstrengend für Körper und Augen. „Es hält fit, aber man muss schauen, dass man eine gute Arbeitshaltung hat“, sagt sie.

Neben der Kutschbockdecke restauriert die Expertin auch weitere Objekte für die Ausstellung im neuen Wien Museum, etwa die von Besuchern beschädigte Bettdecke Franz Grillparzers. Gereinigt hat sie auch die Polsterbezüge von Bänken aus der Wohnung des Architekten Adolf Loos.

Neues Leben für die alte Kutschbockdecke des Bürgermeisters

Restauratorin Britta Schwenck an ihrem Arbeitsplatz

Gefährlicher Staub

„Staub verursacht langfristig Schaden“, erklärt Schwenck. Kleine Sandkörner etwa zerschneiden die Fasern. Deshalb werden Neuanschaffungen nicht nur auf ihr Material untersucht und vermessen, sondern – ebenso wie Leihobjekte – bei der Ankunft gesäubert. Zuvor müssen sie ohnehin sechs Wochen in einer Stickstoffkammer ausharren – damit keine Schädlinge eingeschleppt werden.

Stabile 18 Grad

Die ganze Textilsammlung kennt die Expertin auch nach einem halben Jahr im Job noch nicht. Muss sie auch nicht, denn die Textilien wollen ohnehin in Ruhe gelassen werden. Je weniger Licht, Staub und Manipulation, desto besser für den Erhaltungszustand. 18 Grad Lufttemperatur und 50 bis 55 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen im Textildepot. „Ist es zu trocken, wird die Kleidung spröde, ist es zu feucht, dann schimmelt es“, erklärt Schwenck.

Klimts Malerkittel

Das wäre verheerend, lagern in den Dutzenden Kästen und Laden doch historisch wertvolle Stücke, wie ein Malerkittel von Gustav Klimt. Das mit Indigoblau gefärbte Leinenkleid ist zu kostbar für die neue Dauerausstellung. Dort wird nur eine Kopie zu sehen sein. Die ältesten Kleidungsstücke aus der Sammlung stammen aus den Jahren rund um 1700, wie etwa ein von Metallfäden durchwirkter Scharfrichter-Rock. Neuere Stücke sind aus den 1950ern, -60ern und -70ern. Manche Textilien aus Kunstfaser zersetzen sich übrigens bereits.

Auch für Schwenck laufen die Vorbereitungen für den Transport der wertvollen Stücke vom Depot ins neue Museum auf Hochtouren. Derzeit sucht sie die passenden Puppen für die Präsentation der Kleider aus dem Fundus heraus. Die werden nun ausgepolstert, damit die Silhouette passt und die Kleidung gut sitzt. Schwenck ist eben auch ein bisschen Stylistin.

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