61 Prozent der Oberösterreicher geimpft

Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander
Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander ist voller Zuversicht, warnt aber vor Sorglosigkeit. Sie plädiert für ein soziales Jahr und leichtere Berufswechsel.

Christine Haberlander (39) ist seit 2017 Mitglied der Landesregierung und Landeshauptmannstellvertreterin. Sie ist unter anderem für Gesundheits-, Bildungs- und Frauenfragen zuständig.

KURIER: Als Sie als Vorsitzende der Denkwerkstatt academia superior die Diskussion mit dem Philosophen und Publizisten Richard David Precht Montagabend eröffnet haben, haben Sie gemeint, wir dürfen nun die Zuversicht nicht mit Sorglosigkeit verwechseln. Was stimmt Sie zuversichtlich, was treibt Sie wegen der Sorglosigkeit um?

Christine Haberlander: Zuversichtlich macht mich, weil wir immer mehr wissen, wie wir dem Coronavirus begegnen können und weil wir die große Waffe der Impfung haben.

Wie viele sind schon geimpft?

61 Prozent der über 12-Jährigen sind schon geimpft bzw. haben den ersten Impftermin. So können wir dem Virus dauerhaft entgegentreten. Die Infektionszahlen sind derzeit sehr gering. Es sind 13 Patienten in den Spitälern. Bei aller Euphorie und Lebensfreude dürfen wir aber nicht kopflos werden, denn das Virus ist da. Wir mussten kürzlich wegen der Delta-Variante wieder eine Schulklasse absondern.

Sie haben in Ihrem Statement gemeint, wir haben gelernt. Wo sind Fehler passiert? Wir haben generell den Umgang mit dem Virus gelernt. Wir haben im Krisenstab der Landes eine Art Ziehharmonikasystem, wir können das sehr schnell skalieren (die Größen verändern, Anm.), wenn die Fälle wieder ansteigen. Wir bleiben in den Krankenhäusern bei den Eingangskontrollen und bei der kontrollierten Besucherstruktur, um die Infrastruktur zu schützen. Wir haben in den Schulen gelernt, Präsenzunterricht durchzuführen. Man bekommt aufgrund der E-Medikation das Rezept per eMail. Wir haben auch gelernt, wie wir uns schützen.

Was hat sich bewährt, was war gut?

Ganz viele Landsleute haben sich an der Corona-Bekämpfung beteiligt, indem sie verzichtet haben, Geduld gezeigt haben und indem sie sich impfen lassen. In bin wirklich stolz auf die Krisenstäbe, auf den des Landes, der Bezirkshauptmannschaften und der Gemeinden. Wir waren oft mit sehr kurzfristigen Verordnungen des Bundes konfrontiert. Es stimmt, dass die Regelungen teilweise unübersichtlich sind. Sie für die Menschen zu übersetzen, war eine tolle Arbeit der Krisenstäbe. Es mag nicht alles perfekt gewesen sein, aber sie waren die Bindeglieder für die Vereine, Organisationen und Menschen.

Wir neigen dazu, die Dinge schnell zu vergessen. Wir hatten im November und Dezember die schlimmste Phase. Wir hatten damals weder die Impfungen noch das Testangebot. Das waren unglaubliche Leistungen des Zusammenhalts. Daher finde ich es traurig, dass durch Corona-Leugner und Zweifler diese Leistungen kritisiert werden, wo doch viele so viele Opfer gebracht haben.

Der Online-Unterricht in den Schulen hat sich in der Krise als schwierig herausgestellt, die Kinder wollen in die Schule. Haben die Kinder durch den Online-Unterricht Defizite erlitten?

Ja und nein. Der Lehrplan ist sicherlich nicht in allen Schulen, Schulstufen und Klassen zu 100 Prozent erfüllt worden. Muss das auch sein? Es ist ganz viel anderes vermittelt worden, wie zum Beispiel Selbstorganisation. Die Oberstufen waren mehrere Monate zu Hause. Sie haben sich daheim selbst diszipliniert und organisiert. Diese Maturanten haben sicherlich einen Startvorteil gegenüber anderen Maturajahrgängen.

Wir wissen, dass es auch Schüler gibt, die in der Schule direkt eine Förderung und den Kontakt mit der Lehrerin benötigen. Zum Beispiel eine Sprachförderung. Es ist viel an sozialer Interaktion und an sozialem Lernen verloren gegangen, wenn wir an die erste und zweite Klasse Volksschule denken. Deshalb gibt es Defizite. Es gibt aber auch die Highlights, wo die Schüler bewiesen haben, was sie können.

Sie haben Pläne für den Neubau des Kinderklinikums präsentiert, der rund 220 Millionen Euro kosten wird.

Der alte Bau ist aus den 1950er-Jahren. Das Haus ist einfach alt. Es haben sich aber auch die Medizin, die Pflege und die Beziehung zu den Eltern geändert. Behandlungsqualität benötigt mehr Platz, die Eltern werden mit einbezogen. Wir schaffen das modernste Uniklinikum.

Sie sind seit Kurzem auch Landesobfrau der ÖVP-Arbeitnehmerbewegung ÖAAB. Es gab in Steyr eine große Krise wegen der geplanten Schließung des MAN-Werks, die nun halbwegs glimpflich ausgegangen ist. Wie stellt sich die Situation für Sie dar?

Ich war in Kontakt mit Vertretern der Stadt, insbesondere mit dem ÖAAB. Die Gespräche des Landes wurden vom Landeshauptmann und von Markus Achleitner geführt. Ich war gut informiert und habe gesehen, dass das einen guten Verlauf nimmt, und bin froh über die Lösung.

Was ist Ihr Ziel als Obfrau des ÖAAB?

Gesundheit schützen und Arbeit sichern. Gerade in der Pandemie ist das das Wichtigste. Es ist auch wichtig, die Transformation der Arbeitswelt vernünftig und realistisch zu begleiten. Das eine Thema ist Homeoffice. Das andere sind die Wegzeiten und Wege, die zur Arbeit zurückgelegt werden. Gibt es die Möglichkeit, öffentlichen Verkehr zu benutzen?

Ganz relevant ist auch die Aus- und Weiterbildung. Berufswege verlaufen nicht mehr linear. Es gibt immer wieder Veränderungen. Wir wollen die Menschen ermutigen, ihren Talenten nachzuspüren und gleichzeitig Aus- und Fortbildungswege aufzeigen. Es gibt ganz wenige Fälle, in denen Menschen ganz etwas anderes machen, wie zum Beispiel von FACC zur Pflege zu wechseln. Aber von der Pflege in die Pädagogik zu wechseln erscheint mir gut. Ich fände es sehr schön, wenn eine Kinderpflegekraft in die Volksschule wechseln will.

Aber die Volksschullehrerinnen müssen doch ein fünfjähriges Studium absolvieren.

Wir müssen mehr Menschen für pädagogische Berufe gewinnen. Das geht nicht, indem man nur stur auf der fünfjährigen Ausbildung beharrt, sondern indem wir einen raschen Umstieg ermöglichen. Das muss schneller gehen.

Richard David Precht plädiert für zwei soziale Jahre für jede/n. Eines in der Jugend, das andere vor Beginn der Pension. Können Sie sich das vorstellen?

Der Vorschlag ist es wert, diskutiert zu werden. Ich sehe bei meinen Besuchen in den Kindergärten, wie sehr die Zivildiener geliebt werden und wie wichtig sie sind. Sie sind oft die einzigen männlichen Bezugspersonen. Aus Gesprächen mit den Zivildienern wiederum weiß ich, wie viel der Dienst ihnen in der Persönlichkeitsentwicklung gebracht hat. Bevor man das soziale Jahr zu einer Verpflichtung macht, wäre es zu klug zu prüfen, ob es nicht auch durch die Schaffung von Anreizen möglich ist. Indem man zum Beispiel freiwilliges Engagement bei Rettungsorganisationen für die Aufnahme zum Medizinstudium anrechnet oder Bewerbern sogar einen fixen Ausbildungsplatz anbietet.

Das soziale Jahr soll auch für Frauen gelten?

Sicherlich. Das soziale Jahr vor der Pension sollte man mit den Seniorenorganisationen diskutieren.

Was ist Ihr persönliches Ziel bei der Landtagswahl am 26. September?

Es soll einen klaren Auftrag für die ÖVP geben, damit unsere Pläne und Ideen auch umgesetzt werden können.

Die Neos kritisieren die geplante Digitaluniversität als „reines Wahlzuckerl“. Sie beziehen sich dabei auf eine entsprechende Äußerung von Sabine Seidler, der Präsidentin der Universitätenkonferenz.

Der Standort Oberösterreich hat eine technische Universität verdient. Wir sind das wirtschaftsstärkste Bundesland. Wir haben sowohl eine unglaublich innovative Unternehmerschaft als auch Wissenschaft. Das Thema Digitalisierung ist bei uns richtig aufgehoben. Ich würde es für fahrlässig halten, diesen Standortvorteil nicht zu nutzen. Wir haben in den vergangenen 16 Monaten gesehen, dass wir das Thema Digitalisierung nicht vor uns herschieben können. Wir müssen es anpacken. Wir treten mit dem Anspruch an, ein Leuchtturm zu werden und etwas zur bewirken. Wo, wenn nicht bei uns?

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