Linz am Ball: VP-Schelte für Demonstranten gegen Burschenbundball

56 Paare haben den Burschenbundball eröffnet
"Alerta, Alerta, Antifaschista", tönt es über die Landstraße in Linz. "Ihr seid so viele, die mit diesem friedlichen Protestzug gegen den Burschenbundball demonstriert habt", tönt ein Sprecher freudestrahlend ins Mikrofon. Die Menge jubelt.
Über 3.000 Menschen sind am Samstag gegen 20 Uhr am Martin-Luther-Platz gelandet, während ein paar Meter weiter die ersten Ballgäste - es sind weit weniger als 1.000 - zu eben diesem Ball ins Kaufmännische Palais strömen.
"Wir sind viele, aus den Parteien, aus allen Generationen", ruft der Redner in die Menge, "lasst uns geeint auseinander gehen. Bleibt widerständig."
Demonstranten und Ballgäste am Weg
Begonnen hat es schon früher. Ab 17 Uhr haben die Einsatzkräfte - wieder sind Hundertschaften mobilisiert - Aufstellung genommen. In der Landstraße, am Hauptplatz, am Ars Electronica Platz.

Der Nachtwächter "bewacht" das Rathaus
Selbst der "Nachtwächter" steht vor dem Rathaus und passt auf - wobei er in Wirklichkeit nur auf die nächste Gruppe wartet. Chinesische Touristen fotografieren unbeeindruckt davon die Mariensäule. So lange die Straßenbahnen gefahren sind, haben sich Ballgäste und Demonstranten gemeinsam auf den Weg gemacht.
Die einen mit Ballkleid und Anzug, in denen sie eintanzen, im Kleidersack. Die anderen mit selbstgebastelten Tafeln, mit denen sie später demonstrieren. Akkurat geschnittene Burschenfrisuren auf der einen Seite, bunte Haare auf der anderen.

Polizeiautos säumen die Landstraße
Weil FPÖ und ÖVP gerade an einer Regierung basteln, ist es dem Bündnis "Linz gegen Rechts" gelungen, stärker als in den vergangenen Jahren zu mobilisieren. "Wir sind gegen Nazis und haben wirklich Angst", sagen zwei Linzerinnen, 24 und 26 Jahre, ehe sie sich innig küssen und einander bestärken.
Palästina-Rufe und Antifa-Parolen
SPÖ und Grüne, ihre Vorfeldorganisationen, die Kommunisten, die Föderation der Arbeiter und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich, Omas gegen Rechts und viele mehr machen ihrem Ärger über "Rechtsextreme in der Landesregierung" Luft. Auch Palästina-Fahnen und "Free Gaza"-Rufe sind dabei, ebenso der Ruf "Bunt statt Rechts".
Vielen geht es um die Kickl-FPÖ. Aber auf vielen Bildern ist ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer zu sehen. Dass er für die im Extremismusbericht wegen ihrer Nähe zu den Identitären kritisierten Burschenschaften den Ehrenschutz des Balles übernimmt, stößt den Demonstranten sauer auf.
Kritik an Landes-ÖVP
Er mache „Rechtsextreme salonfähig“, sagen sie. Früher hatte auch die Johannes-Kepler-Universität Linz den Ehrenschutz, Ende 2019 hat der Senat empfohlen, diesen nicht mehr zu übernehmen.
Der Landeshauptmann selbst ist am Burschenbundball nicht angetanzt, wo mittlerweile 56 Tanzpaare Aufstellung genommen haben, um zu den Klängen des Radetzkymarschs einzuziehen.

Eröffnung am Burschenbundball
Bunt ist der Ball jedenfalls, die Kappen der männlichen Ballgäste und ihre Bänder spiegeln fast alle Farben wider. Und die Männer tragen ihren "Schmiss" - die Narbe von ihren Fechtkämpfen - mit Stolz im Gesicht.
VP-FP-Koalition hält am Burschenbundball
Mit Landesrat Christian Dörfel (ÖVP) folgt dieser auch auf dem Burschenbundball seinem Vorgänger Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) als Rechtsverbinder nach.
Wie er auch in der Integrationspolitik regelmäßig mit deutlichen Ansagen aufhorchen lässt, die gut in jedes rechte Partei-Programm passen. Zuletzt war es die Senkung des Strafalters von Unmündigen auf zwölf Jahre, die FPÖ applaudierte.
"Demonstranten fehlt der Respekt"
"Dieser Ball ist ein fester Bestandteil der Linzer Ballsaison", sind seine Worte Balsam für die Seelen der deutschnationalen Studentenverbindungen, die diesen Ball ausrichten. Ihm gehe es um den Austausch und das Zusammenkommen, "auch wenn dagegen lautstark demonstriert wird".
Den über 3.000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf der Straße richtet er vom Rednerpult im prachtvollen Palais aus: "Ist das noch Meinungsfreiheit, oder geht es nur gegen eine Gesinnungsgemeinschaft, die euch nicht passt?" Denn wer "Toleranz predigt, muss diese auch leben und zum Diskurs bereit sein", ergänzt Dörfel: "Es fehlt denen, die demonstrieren, an Respekt."
ÖVP-Landesrat: "Studentische Verbindungen müssen Vorreiter sein"
Alle müssten Zugeständnisse machen, meint Dörfel. "Schätzen wir das Miteinander. Die studentischen Verbindungen müssen weiterhin Vorreiter sein", wenn es darum gehe, Werte wie Heimat, Kameradschaft, Familie und Leistung als Grundlage für unser Zusammenleben zu erhalten.
Zuvor erinnert der frühere EU-Abgeordnete Franz Obermayr an die Anfänge des Balls in den 1930-er-Jahren, der heuer zum 75. Jubiläum veranstaltet wird.
"Freude und Frohsinn"
Das gemeinsame Europa müsse mit der Welt mithalten können, und nicht mit Kriegsgeschrei oder Corona- und sonstigen Einschränkungen zu einem Wirtschaftsmuseum werden. Dazu diene auch der Ball, denn "fleißige Menschen brauchen Freude und Frohsinn."
Diesen Frohsinn genießen Obermayr und Dörfel schließlich mit der FPÖ-Riege um Manfred Haimbuchner, Günther Steinkellner, Michael Raml und Sabine Binder oder LASK-Präsident Siegmund Gruber.
Kunstuni-Direktorin setzt auf "Wurscht-vom-Hund"-Ball
Vor dem Palais ist weiterhin das Platzverbot von Polizisten mit Straßensperren abgesichert.

Von den Demonstranten ist längst nichts mehr zu sehen. Sie haben sich nach Demo und "Linkswalzer"-Workshop am Hauptplatz zum schrill-bunten "Wurscht-vom-Hund"-Ball zusammengefunden.
Dort setzt Brigitte Hütter, Rektorin der Kustuni Linz, ein Gegenzeichen. Denn die Vorsitzende der Universitätenkonferenz übernimmt für diesen Ball den Ehrenschutz, der unter dem Motto „Keine Angst vor Vielfalt“ gegen "Angstmache und Hetze" eintritt.
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