"Brauchen wieder mehr Industrie"

"Brauchen wieder mehr Industrie"
Karl Frais, der SPÖ-Klubobmann, tritt ab. Er fordert mehr Arbeitsplätze und Perspektiven für die Jungen.

Karl Frais (62) tritt im November nach 20 Jahren als Klubobmann der SPÖ zurück. Er hat viele politische Funktionen durchlaufen, unter anderem war er zehn Jahre Büroleiter von Landeshauptmannstellvertreter Karl Grünner.

KURIER: Warum beenden Sie Ihre Karriere?
Karl Frais: Ich bin schon bei der Landtagswahl 2009 angetreten, um nur bis zur Hälfte der Periode zu bleiben. Aufgrund des schlechten Wahlergebnisses war klar, dass ich vor dem Landesparteitag im November aufhöre. Die Jungen sollen genug Zeit haben, sich aufzubauen. 20 Jahre Klubobmann sind ein langer Zeitraum, das Alter ist da. Eine Verjüngung der Partei ist dringend notwendig.

Wer sind die jungen Aufsteiger?
Ich will keine Namen nennen. Es gibt welche, die nach vorne drängen und sehr gute Talente, die sich im Hintergrund halten. Ich habe sie mir sehr gründlich angesehen, ein paar sind mir schon aufgefallen. Es ist Aufgabe der Parteiführung in den nächsten zwei Jahren, die Qualitäten dieser Leute zu heben und sie einzubinden. Es soll eine geordnete Übergabe geben. Die Neuaufstellung sollte nicht zu eng sein, sondern die breite Vielfalt der Partei und der Gesellschaft repräsentieren.

Sie betonen die Wichtigkeit einer geordneten Übergabe. Als Karl Grünner 1992 als Landesparteivorsitzender zurückgetreten ist, hat es einen Dreikampf um die Spitze gegeben: Ihre Person, Josef Ackerl und Fritz Hochmair. Sie sind gemeinsam durch die Bezirke gereist und haben sich in einem parteiinternem Wahlkampf gemessen. Barbara Prammer schreibt in ihrem soeben erschienen Buch, dass es hier die Partei beinahe zermalmt hat.
So etwas darf man nicht machen. Für die Partei und die Kandidaten war das eine Tortur. Es haben sich verschiedene Gruppen gebildet. Eine Lagerbildung kann die Partei überhaupt nicht brauchen. Die SPÖ sollte sich öffnen und die Menschen möglichst breit einbinden. Es geht nicht nur um die Besetzung der Spitzenpositionen, sondern um das Aufstellen einer ganzen Mannschaft, die miteinander kann. Es soll sich ein Team bilden, das breit aufgestellt ist und alle Interessen abdeckt.

Welches Resümee ziehen Sie aus ihrem langjährigen Engagement?
Es wurden von mir manche Dinge stark bewegt. Zum Beispiel die Fachakademien oder mit Christoph Leitl die Fachhochschulen. Ich habe das Bildungskonto initiiert. Ich war beim Nationalpark Kalkalpen und beim Naturschutzgesetz engagiert. Es hat weniger erfolgreiche Sachen gegeben, wie vor 13 Jahren die Zukunftsakademie. Mittlerweile ist sie beim Land installiert worden. Ich habe mich immer für die Neue Mittelschule stark gemacht. Auch die Ganztagsschule wird kommen. Forciert habe ich auch die Finanztransaktionssteuer.

Gab es auch Misserfolge?
Ja, die Ausverkaufsstrategie der ÖVP. Die völlige Privatisierung der voestalpine und der Austria Tabak, die Teilprivatisierung der Energie AG. Hier hat die Republik viel Geld verloren. Das Geld aus den Privatisierungserlösen des Landes ist inzwischen weg und ausgegeben worden.

Wo stehen die Sozialdemokraten heute?
Die Sozialdemokratie hat es in ihrer Geschichte geschafft, beginnend von den Ziegeleiarbeitern und Victor Adler bis herauf zu Bruno Kreisky, einen breiten Mittelstand aufzubauen. Jetzt muss die Sozialdemokratie angesichts der Krisen höchst bemüht sein, sowohl die Ärmeren als auch den Mittelstand abzusichern. Das sind zum Beispiel Fragen der Verteilungs- und der Bildungsgerechtigkeit in Österreich. Aber angesichts der großen, weltweiten Krisen bedarf es europäischer Initiativen. Die Spekulation gehört wesentlich reduziert, die Finanzmärkte neu geregelt. Geld gehört von der Finanzwirtschaft in die Realwirtschaft umgeleitet.
Ein weiterer Bereich ist die Frage, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen soll. Wir haben eine Entindustrialisierung, bei der sehr viel Produktion ins Ausland verlagert worden ist. Wir brauchen wieder mehr Industrien. Wir haben zum Teil eine sehr gut aufgestellte Produktion, aber die Arbeitsplätze werden weniger. Man sieht am Beispiel Griechenland, welche Probleme die Länder haben, die keine Industrien haben. Der Trend geht zu Dienstleistern, aber Dienstleister muss ich mir leisten können. Hier habe ich eine gewisse Sorge. Das Fundament ist die produzierende Wirtschaft. Dann kann der Dienstleister sehr gut leben.Wir sollten zum Beispiel in der Energiefrage eine führende Rolle einnehmen.
Mir fehlen hier die Perspektiven, wir streiten immer in den Alltagssachen herum. Wir müssen den Jungen eine Perspektive bieten.

Gertraud Jahn wird Ihre Nachfolgerin?
Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach am 18. November gewählt werden.

Was werden Sie in Zukunft mit Ihrer vielen freien Zeit machen?
Ich bin Vorsitzender der Naturfreunde in Linz, im Land und im Bund. Die Funktion in Linz will ich nächstes Jahr abgeben, auf Landesebene bin ich es noch zweieinhalb Jahre. Hier werde ich mich auch schrittweise zurückziehen. Bundesvorsitzender bin noch drei Jahre. Wir sind sehr erfolgreich, wir haben in Oberösterreich mit 43.000 Mitglieder die stärkste Landesorganisation.
Ich werde auf Wunsch von Joschi Ackerl noch im Aufsichtsrat der Spitalsholding gespag bleiben. Gerti Jahn wird mir im Landesschulrat nachfolgen. Bildung ist für uns ein zentrales Thema.

Was werden Sie privat machen?
Ich will einige Dinge nachholen. Mehr Lesen, mehr Wandern und mehr Skifahren, mehr und zeitlich ungebundener Reisen.

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