Bosch-Chef Ganser: „Wasserstoff für die schweren Antriebe“
Christian Ganser leitet die Niederlassung Linz der Robert Bosch AG, die 255 Mitarbeiter beschäftigt. Schwerpunkt war und ist die Dieseleinspritztechnik von Nutzfahrzeugen. Nun wird die Technologie Richtung alternativer Antriebe wie Wasserstoff weiterentwickelt.
KURIER: Sie testen seit rund einem Monat einen Wasserstoffmotor, einen ursprünglichen Dieselmotor, der auf Wasserstoff umgerüstet worden ist. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Christian Ganser: Es sind noch Umbauarbeiten im Gang, dass wir das Wasserstoffventil für Nutzfahrzeuge, das wir hier in Linz entwickeln, auf den Motor applizieren. Wir sind also noch in der Applikationsphase, der echte Dauerlauf ist noch nicht final gestartet.
Wie ist die Erwartungshaltung?
Wir wollen die beiden Ventile, die Bosch anbietet, testen. Einmal das Ventil, das den Wasserstoff direkt in den Brennraum einbläst. Und das andere Mal das Ventil, das wir hier in Linz entwickeln und das den Wasserstoff in den Ansaugtrakt einbläst. Das ist das sogenannte Portfuel-Ventil.
Das sind zwei verschiedene Zugänge.
Ja, genau. Beim Diesel haben wir ähnlich begonnen. Erst gab es den Vorkammermotor, später dann den Direkteinspritzer. Beim Wasserstoffmotor entwickeln wir beide Varianten parallel. Einmal lagert man den Brennstoff vor dem Ansaugventil an, das andere Mal wird er direkt in den Brennraum eingeblasen.
Sie testen nun, was die technisch bessere Variante ist?
Ja. Der Verbrennungsentwickler wünscht sich, den Brennstoff direkt einzublasen. Das stellt uns allerdings vor viele Herausforderungen. Im heißen Brennraum entsteht hoher Verbrennungsdruck. Die Belastung bei der Direkteinblasung ist eine viel höhere als bei einem Portfuel-Ventil. Bei diesem ist die Umgebung nicht so heiß und es gibt keinen Verbrennungsdruck, gegen den man abdichten muss.
Es gibt bereits Hersteller, die ihre Lkw mit Wasserstoff-Antrieben anbieten. Liebherr hat vor einem Monat im Werk Bischofshofen den weltweit ersten Großlader mit Wasserstoffmotor vorgestellt. MAN hat einen Wasserstoff-Lkw präsentiert und will mit 100 Fahrzeugen an die Kunden gehen. Sie verfügen also bereits über eine fertige Technologie.
Betrachtet man den Wasserstoff für die Mobilität, so gibt es zwei Zugänge: die Brennstoffzelle und den Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Technisch einfacher ist es, den Verbrennermotor für den Wasserstoff zu qualifizieren.
Ein größerer Aufwand ist es, eine Brennstoffzelle zu installieren. Deshalb gibt es neben der Brennstoffzelle ein großes Interesse an Wasserstoffmotoren. Beide Technologien sind für unterschiedliche Anwendungen sinnvoll.
Auf Entwicklungsseite gibt es noch viel zu tun. Aber die ersten Prototypen kann man sich schon ansehen. eine zentrale Herausforderung ist auch, dass es einer entsprechenden Tankstellen-Infrastruktur bedarf.
Welche Technologie wird sich künftig durchsetzen?
Bosch plädiert für Technologieoffenheit. Man kann nicht sagen, das eine wird kommen und das andere nicht. Es kommt auf die Anwendung an. Im Nutzfahrzeugverkehr rechnen wir damit, dass Zusteller im Nahverkehr mit Elektroantrieben unterwegs sein werden.
Wir gehen davon aus, dass die Brennstoffzelle eher bei den Lkw eingesetzt werden, die auf den Autobahnen unterwegs sind. Wir sprechen hier vom LongHaul-Verkehr. Die Brennstoffzelle kann Prozesswärme nicht einfach über Abgas loswerden. Sie braucht externe Kühlung und diese ist eben am effizientesten bei entsprechender Fahrgeschwindigkeit. Zudem läuft sie in diesen Betriebszuständen am effizientesten.
Im Offroad-Bereich, das sind die Bagger, Bau- und Erntemaschinen, etc. sehen wir eher den Wasserstoffverbrennungsmotor. Er hat im Volllastbereich Vorteile im Wirkungsgrad.
BMW testet derzeit mit dem Modell X 5 100 Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Wird es den Einsatz von Wasserstoffmotoren bei Pkw geben?
Wir gehen davon aus, dass der Wasserstoff eher bei schwereren Antrieben zur Anwendung kommen wird. Da und dort kann er bei Pkw in Nischen zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel bei großen SUV. Aber die breite Masse der Pkw wird elektrisch betrieben werden.
Was sind die Gründe? Zu wenig Effizienz?
Bei einem Wasserstoffverbrenner kommen wir heute schon in die Nähe der Effizienz eines Diesels. Aber das Aufwand-Nutzen-Verhältnis ist beim Elektroantrieb besser. Denn die Wasserstoffherstellung selbst benötigt auch Energie. Das macht sich natürlich im Wirkungsgrad bemerkbar.
Am effizientesten ist es immer noch, man verwendet den Grünstrom direkt und fährt elektrisch. Allerdings ist das nicht in allen Anwendungen möglich. Es braucht hier grundsätzliche Lösungen, um die alternativen Energien für uns alle optimal einsetzbar zu machen in Dunkelflauten sowie im Sommer und im Winter.
Eine Speicherfrage.
Ja. Mit dem Wasserstoff ist das möglich. Die Kritiker verweisen zwar auf den schlechten Wirkungsgrad. Aber gibt es bessere Zugänge? Alles elektrisch zu machen funktioniert nicht.
Unser Geschäftsführer Stefan Hartung bringt dafür ein gutes Beispiel. Eine Erntemaschine mit 300 kW Volllast fährt während der Erntezeit zwölf Stunden am Feld. Mit der Last einer dafür benötigten Batterie würde sie wahrscheinlich im Boden versinken. Und sie müsste in der Nacht wieder am Bauernhof aufgeladen werden. Auch das ist schwer vorstellbar. Hier macht der Einsatz eines Wasserstoffverbrenners Sinn.
Spannend wird sicher werden, wie man die dezentrale Wasserstoffversorgung realisiert.
Die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ist das Problem.
Wir müssen den Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen. Das kann man nur unter anderem mit der PEM-Elektroanalyse machen, für die wir in Linz seit zwei Jahren die Stacks entwickeln (generiert aus eletrischer Energie und Wasser Wasserstoff, Anm. d. Red.).
Wir haben uns hier darauf spezialisiert. Das ist unser größtes Projekt hier am Standort im Bereich Wasserstoff. Wir bauen nun ein Labor mit Prüfständen auf und investieren die nächsten beiden Jahre 28 Millionen Euro.
Wie schätzen Sie die E-Fuels ein?
Auf Basis des grünen Wasserstoffs muss man noch einen weiteren chemischen Schritt folgen lassen und den Kohlenstoff dazu nehmen. Das kann man technisch machen, benötigt aber weitere Energie und verringert damit den Wirkungsgrad. Es gibt Anwendungen, bei denen es dennoch Sinn macht. Denken wir zum Beispiel an den Flugverkehr.
Es gibt hier kaum andere Alternativen.
Mit Batterien ist es schwierig. Es gibt Bestrebungen, mit Wasserstoff zu fliegen. Aus technischer Sicht ist es aktuell am einfachsten, das Kerosin durch den E-Fuel zu ersetzen bzw. beizumengen. Bosch ist in diesem Geschäftsfeld allerdings nicht tätig.
Man könnte auch im Pkw den Diesel durch den E-Fuel ersetzen. Aber er ist wesentlich teurer.
Abgesehen von den Kosten könnte man ihn im normalen Tankwagen transportieren.
Man könnte die vorhandene Infrastruktur mit den Tankstellen nutzen.
Das ist ein Riesenvorteil. Wir sehen bereits jetzt, welche große Herausforderungen die Gesellschaft zu bewältigen hat, wenn es nur um die Installierung einer neuen Stromleitung geht. Es gibt nicht wenige, die sagen, ich mag keine Windräder, keine PV-Anlagen und keine Stromleitungen sehen.
Jeder möchte grüne Energie haben, aber in der Umsetzung tun wir uns schwer. Hier haben die Entscheider und die Politiker dicke Bretter zu bohren.
Was ist bei der Verbesserung der Verbrennermotoren noch möglich?
Wir beschäftigen uns schon seit 100 Jahren mit der Weiterentwicklung des Dieselmotors. Es gibt da und dort immer noch kleine Verbesserungen, zum Beispiel bei der Abgasreinigung oder bei der innermotorischen Verbrennung.
Wir Ingenieure hätten uns vor Jahren nicht träumenlassen, wie effizient heute die Euro 7 Verbrenner sind. Die Verbesserung der Verbrenner ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion von Emissionen, denn in vielen Teilen der Welt wird es viele Jahre noch keine E-Autos geben, weil schlicht die Stromversorgung fehlt.
Es ist ein wichtiger Beitrag zum Weltklima, dass auch die alten Motoren mit neuer Technologie ausgerüstet werden. Im Bosch Engineering Center Linz tragen wir dazu bei und treiben zudem die Transformation in Richtung alternative Antriebe voran.
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