"Bin für Koalition mit der FPÖ offen"

SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber
Die SPÖ-Abgeordnete liegt im Clinch mit der Bezirks- und der Landespartei.

Daniela Holzinger-Vogtenhuber ist Abgeordnete zum Nationalrat. Die 29-Jährige ist auch SPÖ-Ortschefin von Gampern. Sie ist bekannt für ihre eigenständige Linie, wodurch sie manchmal in Konfrontation mit der eigenen Partei gerät.

KURIER: Wie lange wird die Koalition aus SPÖ und ÖVP auf Bundesebene noch halten?Daniela Holzinger-Vogtenhuber: In den parlamentarischen Ausschüssen habe ich den Eindruck, dass es die ÖVP in Richtung Neuwahlen anlegt. Es wird immer schwieriger einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die Lösungsorientiertheit nimmt ab.

Ein Beispiel ist die Kürzung der Mindestsicherung, wo es im ersten Schritt um die Flüchtlinge geht, wobei die ÖVP aber eine Kürzung für alle Österreicher anpeilt. Wenn die SPÖ eine Tür aufmacht, bedeutet das eine Kürzung für alle.

Die Wallonen haben den Freihandelsvertrag CETA mit der EU lange blockiert.

Das imponiert mir sehr, das ist eine sehr mutige Haltung.

Manche sehen darin neuerlich ein Nichtfunktionieren Europas, wenn ein Bundesland die Einigkeit aller 27 Staaten blockieren kann.

Die Frage ist, welches Europa man will? Will man eine EU, die über die Nationalstaaten drüberfahren kann, dann funktioniert es nicht. Will man ein Europa mit starken Nationalstaaten, die den gemeinsamen Nenner umsetzen, dann hat es funktioniert. Es gibt Millionen von Menschen, die gegen CETA sind. Es wird Druck auf einzelne Staaten gemacht, vor allem finanzieller Druck.

Bundeskanzler Christian Kern ist also erpresst worden? Er hat sein Ja so ähnlich wie Sie argumentiert.

Das Wort erpresst möchte ich nicht verwenden. Aber er hat sehr wohl abgewogen, inwieweit seine Kritikpunkte erfüllt worden sind und wie weit unsere Rolle in Europa beschädigt worden wäre.

Wie geht es Ihnen mit Kern?

Ich war von der ersten Stunde an seine Unterstützerin. Seine neue Art, intern und mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, beeindruckt mich. Die Diskussionskultur hat sich gegenüber seinem Vorgänger extrem verbessert.

Viele Kommentatoren meinen, dass sich die Zeit der großen Koalition zu Ende neigt. Soll sich die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ offen halten?

Obwohl ich von den Linken dafür schon Prügel bezogen habe, bleibe ich bei meiner Überzeugung, dass man nicht sagen kann, weil das Auto blau ist, fällt es beim Pickerl automatisch durch. Ich bin für eine Koalition mit der FPÖ offen, aber es muss einen Kritierienkatalog geben. Wir wollen als Partei für die Bevölkerung etwas erreichen. Damit wir möglichst viele von unseren Punkten erreichen können, müssen wir Koalitionen schließen. Wenn wir von der ÖVP damit erpresst werden, dass sie der einzige Koalitonspartner für uns ist, werden wir nicht positiv aussteigen.

Der Kriterienkatalog muss Punkte wie Nein zu einer menschenverachtenden Politik und Nein zur Hetze enthalten. Wenn diese erfüllt sind, ist eine Koalition mit der FPÖ nicht ausgeschlossen.

In den Umfragen liegt die FPÖ derzeit vor der SPÖ. Sollte die SPÖ als kleinerer Partner in eine Koalition mit der FPÖ gehen?

Dazu sage ich dezitiert Nein. Eine Gegenfrage: Haben Sie den blauen Landesrat im Burgenland gegen die Asylpolitik schimpfen gehört, als die Flüchtlinge ohne Kontrolle über die Grenze gekommen sind? Nein. Denn er war dafür zuständig. Wäre er in Opposition gewesen, hätte er sich darüber das Maul zerrissen. Genau das ist der Punkt. Landeshauptmann Hans Niessl hat es verstanden, die Blauen klein zu halten. Die FPÖ wird es noch zerbröseln.

Wenn hingegen die FPÖ in der Regierung das Sagen hätte, würde es uns zerbröseln. Deshalb mein Nein zur SPÖ als kleinerer Partner im Bund.

Wie ordnen Sie sich in der Breite der SPÖ ein?

In Verteilungsfragen bin ich links. In der tagtäglichen Politik eher pragmatisch. Es soll für die Menschen die sachlich beste Lösung geben, nicht die beste für die Partei.

Sie haben die Kontakte mit der Bezirks- und Landesorganisation ruhend gestellt. Warum?

Ich möchte die Konflikte nicht wieder neu aufkochen. Ich habe bei der letzten Bezirkskonferenz als stellvertretende Vorsitzende nur die Unterstützung von 64 Prozent gehabt.

Das ist wenig, aber mehr als 50 Prozent.

Ich warte nicht, bis die Unterstützung unter 50 Prozent fällt. Ich spreche die Probleme offen an. Und ich lasse mich nicht auf Deals ein. Ich habe die Wahl nicht angenommen.

Die Delegierten haben Ihnen eine "Watsche verpasst".

Je näher Wahlen rücken, desto weniger geht es um politische Inhalte. Es geht um Posten. Aktuell geht es um mein Nationalratsmandat. Meine Konkurrentinnen und Konkurrenten haben noch immer nicht akzeptiert, dass ich 2013 in den Nationalrat gewählt worden bin. Während ich mich um politische Inhalte gesorgt habe, hat sich die andere Seite hinter meinem Rücken um mich in negativer Weise gekümmert.

Sie sägen an Ihrem Sessel?

Richtig. Es geht um das Nationalratsmandat.

Werden Sie sich darum wieder bemühen?

Solange diese Führungsspitze im Bezirk Vöcklabruck am Ruder ist, werde ich nicht mehr kandidieren.

Dann ist Ihre Karriere, die gerade erst begonnen hat, schon wieder vorbei. Ist das nicht schade?

Es geht mir grundsätzlich nicht um das Mandat.Ich finde es schade, weil ich mich gerne für die Anliegen der Menschen einsetze. Aber es gibt nicht nur einen Beruf. Wenn meine Basis will, dass ich weitermachen soll, werde ich für sie da sein. Ich werde nicht meine Art, Sachen und Probleme offen anzusprechen, zurückstellen und den Mund halten, damit ich eine ruhige politische Karriere habe. Ich vertrete die Position von Kern, der sagt, Grundsätze gehen vor Machterhalt. Ich mache ehrliche Politik. Im Bezirk scheitere ich mit Vorhaben, die Kern auf Bundesebene umsetzen will, nämlich mit Mitgliederentscheidungen und Hearings. Die Ortsparteien sollen die stärkste Stimme in der Organisation haben. Sie sind die kleinste Einheit.

Aber ohne Rückhalt im Bezirk und in der Landespartei werden Sie das Mandat nicht erreichen.

Ich habe es 2013 ohne Rückhalt in der Landespartei erreicht. Aber es gibt auch andere Berufe.

Es gibt mehrere SPÖ-Funktionsträger, die sagen, nicht Sie sind der Scharfmacher, sondern Ihr Mann, der Ihr Pressesprecher ist. Man könne mit Ihnen Kompromisse aushandeln, die Sie dann aber nach drei Stunden wieder zurücknehmen, nachdem Sie nach Hause gekommen sind.

Ich bin über diese Aussagen maßlos entsetzt. Sollte mein Mann Abgeordneter sein, würde niemand auf die Idee kommen und sagen, dass die Frau dahinter die Strippen zieht. Man unterstellt hier einer Frau, dass sie keine Meinung hat und dass sie die Unterstützung von einem Mann braucht.

Die Bezirksspitze hat drei Jahre gegen mich gearbeitet. Dieser Konflikt zieht sich seit meiner Wahl in den Nationalrat dahin.

Die neue Vorsitzende der Tiroler SPÖ hat gesagt, "es ist die verdammte Pflicht, uns zusammenzuraufen". Gilt das nicht auch für den Bezirk Vöcklabruck?

Ich würde es mir wünschen. Der Spruch, der mir gut gefällt, lautet "an einem Strang ziehen".

Ich würde gern an einem Strang ziehen, aber nicht dann, wenn er um meinen Hals liegt.

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