Bescheiden und mutig

Ernst Spitzbart, Direktor der Papierfabrik Steyrermühl, Paul Lendvai und ORF-Moderator Sepp Forcher mit Büchern über Rudolf Kirchschläger.
Steyrermühl feiert den Ex-Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger.

Er war der bescheidenste Politiker, den ich je kennengelernt habe. Rudolf Kirchschläger war ein Brückenbauer, der immer das Einende über das Trennende gstellt hat." Der Publizist Paul Lendvai war voll des Lobes über den ehemaligen Außenminister und Bundespräsidenten, der von 1974 bis 1986 zwei Perioden an der Spitze des Staates stand.

Rund 250 Gäste waren Freitagabend in das Papiermuseum von Steyrermühl gekommen, um sich jenes Mannes zu erinnern, der in seiner Kindheit hier fünf Jahre gelebt hatte. Anlaß für die Veranstaltung war der 100. Geburtstag, den Kirchschläger am Freitag gefeiert hätte – er verstarb am 30.3.2000. Organisiert wurde der Abend von Ernst Spitzbart, dem Direktor der Papierfabrik, der mit Texten und Bildern durch das Leben des Menschen Kirchschläger führte. Geboren wurde der spätere Präsident am 20. März 1915 im mühlviertlerischen Niederkappl. Sein Vater Johann arbeitete damals als Waagmeister in der Papierfabrik Obermühl, wechselte aber 1917 nach Steyrermühl. Seine Mutter Anna starb 1918 an den Folgen von Unterernährung, als Rudolf dreieinhalb war. Gemeinsam mit rund 1000 Arbeitern aus Laakirchen und Steyrermühl demonstrierte Johann Kirchschläger im Februar 1919 in Gmunden gegen den Hunger. Als Redner forderte er, dass die Sommergäste aus Gmunden abziehen sollten und der Bezirkshauptmann abgesetzt werdenmüsse, damit die Versorgung mit Lebensmitteln besser werde. 1920 wechselte er nach Rosenau am Hengstpaß, 1924 nahm er inKronstorf eine Stelle als Organist an. Er verstarb im Alter von 61. Rudolf war nun gezwungen, Geld zu verdienen, damit er in Steyr die Bürgerschule besuchen konnte. Als Zwölfjähriger seifte er am Samstag und Sonntag bei einem Aushilfsfriseur die Gesichter ein und säubverte den Boden.

Während der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 setzte sich Kirchschläger als Botschafter in Prag über die Weisung des damaligen Außenministers Kurt Waldheim hinweg und stellte Flüchtlingen Ausreisevisa aus. Bei der Bundespräsidentenwahl 1980 erzielte er 79,9 Prozent der Stimmen. Zum geflügelten Wort wurde Kirchschlägers Rede bei der Eröffnung des Welser Messe im August 1980, als er in Anspielung auf den AKH-Skandal "die Trockenlegung der Sümpfe und sauren Wiesen" forderte.

Die Zahl der Ehrengäste bei der Gedenkveranstaltung war groß. Unter ihnen Altbischof Maximilian Aichern, Bischofsvikar Josef Mayr, die Landtagsabgeodneten Martina Pühringer und Sabine Promberger, Bezirkshauptmann Alois Lanz, die Bürgermeister Christian Kolarik (Kronstorf,) Anton Holzleitner (Steyrermühl), Ulrike Hille (Desselbrunn), Josef Wögerbauer (Niederkappl) und ORF-Moderator Sepp Forcher mit seiner Gattin Heli.

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