„Fast alle haben Todesangst“

Ob Mädchen unter der Herrschaft der Taliban weiterhin Schulen besuchen dürfen, ist bis dato ungewiss
Die gebürtige Afghanin Liah M. erzählt von ihrer Flucht und ihren Freunden vor Ort

Drei Monate lang dauerte es, bis Liah M. (Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert) nach ihrer Ankunft in Österreich erstmals das Kopftuch abnahm. „Heute wäre es undenkbar für mich, es wieder zu tragen.“

2015 kam die junge Frau mit ihrem damaligen Mann und ihrem Kind nach Österreich. Von Afghanistan aus war sie zuvor schon in den Iran gegangen, hatte dort bereits einige Jahre gelebt. Weil es große Probleme mit ihrer Familie gab, weil Frauen und Mädchen nicht lernen und nichts selbst entscheiden durften, machte sie sich schließlich auf den Weg in ein neues Leben.

„Alles vorbei“

Was sich derzeit in Afghanistan abspielt, löst bei Liah M. viele Gefühle aus, vor allem aber große Traurigkeit: „Als ich gehört habe, dass die Taliban Kabul erobert haben, habe ich zwei Nächte lang nur geweint. Ich habe an alle die jungen Frauen und Mädchen gedacht, die Hoffnung hatten, die in die Schule gehen durften, die eine Chance auf einen Beruf hatten. Das ist nun alles vorbei. Viele Menschen haben Todesangst. Ich habe auch eine Freundin in Afghanistan, mit der ich in Kontakt bin. Sie hat seit einem Monat die Wohnung nicht verlassen, weil sie sich so fürchtet.“

„Fast alle haben Todesangst“

Liah M. hat „keine Hoffnung mehr für Afghanistan“

Wenn man die 28-Jährige fragt, wie sie die Zukunft ihres Geburtslandes sieht, ist Liah M. pessimistisch: „Ich habe keine Hoffnung mehr für Afghanistan. Das wird nichts anderes als wieder eine Diktatur werden.“ Dabei hätte es in den vergangenen Jahren schon einiges an Freiheit gegeben: „Es haben wieder Konzerte und Veranstaltungen stattgefunden, unsere Sängerinnen waren auf den Straßen. Mädchen durften Technik studieren. Nun ist alles wieder genau so wie vor zwanzig Jahren. Das tut mir so weh, wenn ich daran denke.“

„Fast alle haben Todesangst“

Viele Schulen könnten in Zukunft leer bleiben

Liah M. hat Anfang des Jahres unbefristet Asyl bekommen. Nach etlichen, erfolgreich absolvierten Sprachkursen macht sie derzeit einen Qualifizierungslehrgang, um dann 2022 die Ausbildung zur Mechatronikerin beginnen zu können. Ihr Kind ist auf dem Sprung ins Gymnasium, beide sind bestens integriert.

Die 28-Jährige freut sich jeden Tag über dieses Leben in Freiheit: „Mir stehen als Frau hier in Österreich alle Türen offen. Ich darf lernen, arbeiten, mein Leben leben. Und ich darf selbst entscheiden.“

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