„Als Vater stellt sich das Leben auf den Kopf“

„Als Vater stellt sich das Leben auf den Kopf“
Richard Schneebauer ist Berater und der „Männerkenner“. Er begleitet Männer durch Alltags- und Krisensituationen

Wann ist ein Mann ein Mann? Das wollte Herbert Grönemeyer bereits 1984 im Song „Männer“ wissen. 36 Jahre später ist diese Frage so aktuell wie eh und je. Richard Schneebauer ist stellvertretender Leiter des Zentrums für Familientherapie und Männerberatung in Linz und schreibend und beratend als „der Männerkenner“ unterwegs. Passend zum heutigen Vaterbild sinniert der Soziologe und Therapeut über die Ansprüche an den Mann von heute und das Leben als Vater.

KURIER: Ihr neues Buch heißt „Männerherz“. Haben Männer denn ein anderes Herz als Frauen?

Richard Schneebauer: Wenn man es allgemein betrachtet, natürlich nicht. Mir geht es darum, als Männerberater mit den Themen Freiheit, Beziehung, Selbstbestimmung Männer zu erreichen.

Sie haben Ihre eigene Trennung sehr offen in Ihrem Buch thematisiert. Warum? Was sind die größten Erkenntnisse aus diesem Prozess?

Ich habe aus der Männerberatung ganz viele Erkenntnisse über Trennung, die mir letztlich auch geholfen haben. Das gibt es die einen, die aus Verzweiflung alles zerstören. Und die anderen, die zu allem immer Ja und Amen sagen. Das Schwierigste ist dieser schmale Grat dazwischen. Mir war klar, den will ich unbedingt schaffen. Natürlich gibt es Menschen, die es irritierend finden, dass ein Männerberater getrennt ist: Dazu kann ich nur sagen, ein Arzt wird auch krank. Die Erkenntnis daraus ist die Wichtigkeit von offenen und wertschätzenden Gesprächen in einer Beziehung. Und dass man als Mann sich selber besser spürt und kennenlernt. Dann kann man auch in der Liebe bleiben.

Ich wollte ein Buch schreiben, das gut lesbar ist, aber trotzdem in die Tiefe geht. So bin ich. Deswegen gibt es auch die persönliche Komponente.

Welche Erwartungen werden denn heute an Männer gestellt? Das sind sicher andere als vor 50 Jahren.

Es gilt noch alles, was früher gegolten hat, nur ist noch jede Menge dazugekommen. Jetzt könnt ihr Frauen sagen, das ist ja bei uns genauso. Dann können wir sagen: Willkommen, dann geht es uns also allen gleich besch..eiden!

Ein Mann heute soll ein cooler Typ sein, der ein liebevoller Vater ist. Der viel Geld verdient und einfühlsam zu Frau und Kindern ist. Einerseits dürfen und können wir heute so viel, andererseits sollen wir auch so viel schaffen.

Heute ist ja Vatertag. Was passiert, wenn ein Mann Vater wird?

Das Leben stellt sich auf den Kopf. Nach der Geburt tut ein Mann zuerst alles für das Kind, dann für die Partnerin, dann gefühlt für sich selbst. Bei der Frau ist das genauso. Dabei wäre es so wichtig, zu fragen: Was will ich denn selbst wirklich? Die meisten Männer sagen, dass ihnen Familie das Wichtigste ist, und schaffen es dann vielleicht nicht, dem Chef zu sagen, dass sie weniger arbeiten und mehr Zeit daheim haben möchten. Und wenn Männer zu Vätern werden, werden sie berührbar. Das geht – zumindest am Anfang – voll ins Herz.

Diese intensive Zeit der Familiengründung, Karriereplanung, des Nestbaus, ist oft jene Rushhour des Lebens, in der Beziehungen scheitern. Was sind die größten Stolpersteine?

In dieser Zeit verliert man sich selbst. Jeder gibt sein Bestes, es gibt viele Erwartungen, der Druck ist groß. Wenn man sich nicht mehr spürt, dann stirbt die Liebe. Und wer traut sich schon sagen: Du, ich spüre uns grad nicht? Wobei dadurch wieder tiefe Gespräche zustande kommen würden. Und gleichzeitig ist es doch genial, was man in dieser Zeit alles schafft.

Die klassische, monogame Liebe fürs Leben, kann die gelingen und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Das Wichtigste ist die Erkenntnis, dass das ein Märchen ist. Wie jeder das lebt, ist noch mal was anderes. Wir sind leider sehr Hollywood- und Disney-verseucht. Das bedeutet nicht, dass jeder 500 Partner gehabt haben muss, bis er stirbt. Aber es ist natürlich ein irres Ideal, das alles noch schwerer macht. Jede Generation muss auf ihre Art und Weise zu sich selbst finden – und da gibt es keinen besseren Weg als über Liebesbeziehungen, Beziehungen und Kinder. Am allermeisten lernen wir dann, wenn es wehtut.

Wie groß muss der Leidensdruck sein, damit Männer sich mit sich selbst auseinandersetzen?

Das Leben bleibt lebendig und spannend, wenn wir uns selber kennenlernen. Selbstreflektierte Männer haben ein Problem damit, Beratung und Hilfe anzunehmen. Trotzdem kommen immer mehr Männer immer früher, wenn der Hut brennt. Die Themen haben sich nicht wirklich verändert, aber die Bereitschaft der Männer, an sich selbst zu arbeiten, ist auf jeden Fall gestiegen. Aber natürlich ist auch der Druck gestiegen – jener von den Frauen, aber gleichzeitig der Druck von allen Seiten. Wenn ich in der Zeit, in der wir leben, nicht anfange, mich mit mir selbst zu beschäftigen, brauche ich viele Tabletten, viele Drogen, viel Alkohol, einfach viel Ablenkung, um alles auszuhalten.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass sich viele Männer verloren und orientierungslos fühlen. Gibt es keine guten Vorbilder?

Das mit den Vorbildern wird schön langsam wieder. Viele Männer wissen, dass sie es auf keinen Fall wie der Großvater oder der Vater machen wollen, wollen unbedingt anders werden. Oft schlägt das ins gegenteilige Extrem dessen um, was man vermeiden will. Erst in den letzten Jahren verbinden sich diese zwei Pole: hart und weich, kraft- und liebevoll – das kann zusammengehen bei uns Männern. Es gibt heute keine Vorgabe mehr fürs Leben, wie es früher oft war: Mein Vater war Tischler, also werde ich auch Tischler und bin damit glücklich.

Sie schreiben darüber, was Sie als Person ausmacht. Was ist das denn?

Das ist natürlich sehr persönlich. Für mich geht es darum zu lernen, Ja zu sagen, wenn Ja gemeint ist und Nein zu sagen, wenn Nein gemeint ist. Gerade bei jenen Menschen, die mir am Nächsten stehen. Und die Suche nach der Verbindung zwischen den beiden Polen – des Kräftigen und des Liebevollen.

„Als Vater stellt sich das Leben auf den Kopf“

Zur Person

Richard Schneebauer ist stellvertretender Leiter des Zentrums für Familientherapie und Männerberatung in Linz. Außerdem schreibt er als der „Männerkenner“ Bücher, hält Vorträge, coacht und berät (www.dermaennerkenner.com). Nach dem Erstlingswerk „Männerabend“ erschien kürzlich „Männerherz“ im Goldegg Verlag.

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