Alois Brandstetter mit Verdienstkreuz ausgezeichnet

Landeshauptmann Stelzer verleiht Univ-Prof. Alois Brandstetter die höchste Kulturauszeichnung des Landes
Univ-Prof. Alois Brandstetter (80) hat das neue „Verdienstkreuz des Landes Oberösterreich für Kunst und Kultur“ von Landeshauptmann Thomas Stelzer überreicht bekommen. Seine Rede "Ehrungen" hat er dem KURIER zur Verfügung gestellt

Der Literat ist der erste, der mit der neuen und derzeit höchsten Kulturauszeichnung des Landes geehrt wurde. Der aus Pichl bei Wels stammende Professor für Philologie lehrte an den Universitäten Klagenfurt, Salzburg und Saarbrücken. Es wurden ihm unter anderem der Kulturpreis des Landes Oberösterreich, der Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig 1984 sowie der Adalbert-Stifter-Preis und Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich verliehen.

Folgende Rede hat Univ.-Prof. Brandstetter anlässlich der Auszeichnung am Mittwoch gehalten und sie nun dem KURIER zur Verfügung gestellt:

Brandstetters Rede

"Ehrungen, sicher solche für ein „Lebenswerk“, wie es bei dem mir heuer vom PEN-Club verliehenen Franz Theodor Csokor-Preis hieß, sind, genau besehen, auch eine „Alterserscheinung“. Man „erlebt“ sie… Alt werden allein ist natürlich kein Verdienst, sondern menschliches Schicksal. Eine der Hauptaktivitäten der Bürgermeister in Landgemeinden ist die „Altenehrung“, die einem meiner Romane den Titel gegeben hat… Der Bürgermeister von Wien kann natürlich nicht jedem, der in der Millionenstadt 70 wird, persönlich gratulieren… In Wien muß einer oder eine schon 100 Jahre werden, wenn er oder sie vom Stadtoberhaupt besucht werden will… Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein, hat Ferdinand Hochedlinger, der lange in Pichl Pfarrer war und den ich in seinem Welser Alterssitz besucht habe, seufzend und lachend zu mir gesagt: Senectus ipsa est morbus… Von Peter Rosegger heißt es, daß er über den Glückwunsch Wilhelm Raabes zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1903 alles andere als „amused“ war: „Willkommen im Kreise der Greise!“ In Aichkirchen bei Lambach, der kleinsten oö. Gemeinde hat mir Anfang Dezember 1977 nach einer Lesung der Bürgermeister erzählt, daß sie bis vor kurzem in diesem ganzen Jahr noch keinen einzigen Todesfall hatten. Und dann ist doch einer gestorben. Der Bürgermeister war ihm direkt gram, daß er ihm die rekordverdächtige Statistik verdorben hat…

Ehre, wem Ehre gebührt

Ja, Ehre wem Ehre gebührt. Vor allem den biologischen Autoritäten, den Eltern, also den „Älteren“, wie es schon das 4. Gebot des Dekalogs „vorschreibt“… Hoch im Ansehen stehen auch die Kunstschaffenden. Mit Richard Wagner gesprochen: Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst. Oft genug gab es in der Geschichte aber auch schon ein „Zuviel der Ehre“ für einige „Auserwählte“, Liebkinder des Zeitgeistes… Boshafte sprechen von „Staatskünstlern“... Manche wurden „mit Ehren überhäuft“ und  „über Gebühr“ geehrt… Wie vielen durch Straßen- und Plätzenamen Geehrten mußte nicht, nachdem sich ihre „Ehrlosigkeit“ und „Ehrenrührigkeit“ herausgestellt hat, die Ehre aberkannt werden. Historikerkommissionen durchforsteten die Ortsnamen auf „Verdächtige“ hin und wurden fündig… Ich habe in meinem letzten Buch „Lebenszeichen“ über Umbenennungen und „Namensänderungen“ in Klagenfurt geschrieben, vor altlanger Zeit auch einmal über Wels, wo die Ottokar Kernstock-Straße jetzt Thomas Mann-Straße heißt. Man soll nicht alles relativieren, aber bei allen Ehrungen, nicht nur der Vergangenheit, der Verleihung von Titeln und Orden etc., kann man die alten Fragen aus der Poetik stellen, die in den lateinischen Hexameter gefaßt sind: Quis quid ubi, quibus auxiliis, cur quomodo quando. Oder konkreter: Wer hat wen wann, wo und wofür ausgezeichnet. Quibus auxiliis: Wer hat es betrieben, wer hat „nachgeholfen“ und „befürwortet“? Wer hat „gegutachtet“.

Es gibt nichts zu loben

Ich möchte mich aber nicht mit so grundsätzlichen Gedanken über Ehrungen für diese Ehre, die mir heute in meiner oberösterrechischen Heimat zuteil wird, auch nicht mit dem bekannten Wort des Thomas Bernhard anläßlich einer Verleihung des (kleinen) Staatspreises („Es gibt nichts zu loben“, und: „Es ist alles lächerlich wenn man an den Tod denkt“) oder gar mit dem „Theologem“ (Johannes 5/44): „Ehre gebührt Gott allein…“, oder auch mit dem Staunen darüber, daß mit dieser Ehrung wieder der alte Spruch widerlegt erscheint: Nemo propheta in patria, oder: Der Prophet gilt nichts in der Vaterstadt, -  ich will mich also nicht mit solch Grundsätzlichem bedanken und Sie ermüden, sondern mit einer kurzen, wie ich finde heiteren Anekdote, wie sie zu mir, einem als humorvoll „gepriesenen“ (und von der Kritik auch manchmal gescholtenen, ja „verrissenen“,  „verschrieenen“) Autor - und wohl auch, vielsagend für den österreichischen Amtsschimmel, paßt, den man dabei leise wiehern hört:

Fünf Jahre alte Urkunde

Ich sollte also auf Ansuchen und Einreichen meines Verlages vor 5 Jahren zu meinem 75. Geburtstag mit dem Silbernen Ehrenzeichen für  Verdienste um die Republik dekoriert werden. Die Verleihung hat sich aber, angeblich wegen einer bevorstehenden Nationalratswahl verzögert, und das Vorhaben schien schließlich überhaupt eingeschlafen zu sein. Umso erstaunter aber war ich, der ich die Angelegenheit nicht betrieben oder initiiert und schon fast vergessen und ganz sicher nie nachgefragt habe, als nun heuer buchstäblich plötzlich wie aus heiterem Himmel diese Verleihung durch den Kärntner Landeshauptmann und den zuständigen Sektionschef des Bundeskanzleramtes anberaumt wurde und kurz darauf tatsächlich im Spiegelsaal des Regierungsgebäudes am Arnulfplatz in Klagenfurt stattgefunden hat. Ich habe mich artig bedankt. Wir, meine Frau und ich, haben aber nach der Verleihungsfeier daheim beim Studium der schön geschriebenen, kalligraphisch gestalteten Urkunde, eines wahren Schmuckblattes, zuerst schmunzeln und schließlich lauthals lachen müssen, als wir sahen, daß ich eine fünf Jahre alte, vom vorletzten Bundespräsidenten, also nicht von Prof. Alexander van der Bellen, sondern von Dr. Heinz Fischer unterzeichnete, offenbar lange liegengebliebene Urkunde bekommen hatte… Jetzt bin ich mir gar nicht sicher, ob meine Ehre nicht verjährt ist… Sie ist jedenfalls „veraltet“… Überhaupt kein Problem habe ich damit, daß man mich „nur“ mit dem Silbernen und nicht mit dem Goldenen Ehrenzeichen dekoriert hat. Peter Handke, dem der zweithöchste Landesorden verliehen werden sollte, hat man freilich, nach Leserbriefprotesten, schließlich „upgegradet“ und auf Gold erhöht…

11.11. 11 Uhr

Die Verleihung des Franz Theodor Csokor Preises aber ging am 11.11. 11 Uhr 2018 über die Bühne der „Buch Wien“, also an dem Tag, an dem der Fasching, die fünfte Jahreszeit, beginnt. Ich gehe aber doch davon aus, daß sie ernst gemeint war… Meine Stammtischbrüder unserer wöchentlichen Meetings im Cafe der Diakonie in Klagenfurt, Buchhändler, pensionierte Latein- und Griechisch-Lehrer des Gymnasiums Tanzenberg, haben mich mit einem in klassischem Latein verfaßten Diplom zum Poeta Laureatus ernannt. Damit darf ich mich in der Tradition Francesco Petrarcas und des Enea Silvio Piccolomini sehen… Auch ein vergoldeter Lorbeerkranz, wie man ihn von Bildern Dantes kennt, wurde mir auf das kahle Haupt gedrückt… Über die sich häufenden Insignien und Orden muß ich, auch auf die Gefahr hin, für frivol gehalten zu werden, hier schreiben, denn beim Opernball stolzierend ausführen werde ich sie ja nie. Ich bin Philologe und nicht Tänzer. Vor allem beherrsche ich weder den Rechts- noch den dort erwarteten Linkswalzer…

15. Auflage von „Zu Lasten der Briefträger“

In einem Interview anläßlich meines 80. Geburtstages habe ich gesagt, daß mir immer mehr als Preise und Auszeichnungen Leser bedeutet haben. Darum habe ich den Briefträger, als er mir die Belegstücke der 15.Auflage von „Zu Lasten der Briefträger“ im Deutschen Taschenbuchverlag brachte, auch dankbar und glücklich umarmt… Schließlich gilt immer noch, was der römische Dichter Martial in einem Epigramm geschrieben hat: „Laudant illa, sed ista legunt“ (Jenes loben sie, aber dieses lesen sie) Iste ista istud ist nach meiner Erinnerung an den Lateinunterricht am Kollegium Petrinum und laut  „Stowasser“ (Kleines Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch) ein Demonstrativpronomen und mit „dieser da, diese da, dieses da“ zu übersetzen, im Gegensatz zum neutralen hic haec hoc „verächtlich“. Martial verspottet also, genau genommen, die Neigung der Massen zu Kitsch und Trivialliteratur… Gotthold Ephraim Lessing hat Martial in einem „Sinnspruch“  aktualisiert und konkretisiert:  „Wer wird nicht einen Klopstock loben! Doch, wird ihn jeder lesen? Nein! Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein!“ "

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