„Kündigung Älterer ist Sauerei“

Die Zunahme des Arbeitsdrucks ist ein Thema, das fast alle Arbeitnehmer beschäftigt: Johann Kalliauer.
Der Arbeiterkammerpräsident über die Ängste, es bis zur Pension zu schaffen

Johann Kalliauer ist seit 2003 Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich. Der 61-Jährige wohnt in Wels, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er ist Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die AK-Wahl, die vom 18. bis 31. März über die Bühne geht.

KURIER: Viele Landsleute sind zum Pendeln gezwungen. Das kostet sie viel Geld, Energie und Zeit. Was kann man für sie tun?
Johann Kalliauer:
Es sind verschiedene Ansätze notwendig. Die Wurzel liegt darin, dass das Arbeitsplatzangebot nicht ausgewogen ist. Wir haben Bezirke, wo 70 Prozent auspendeln müssen. Wir sollten mittelfristig schauen, in den schwächeren Gebieten mehr Arbeitplätze zu haben. Das hängt mit der Infrastruktur zusammen. Das sich das auswirkt, kann man an den Betriebsansiedelungen entlang der Innkreisautobahn in den Bezirken Schärding und Ried sehen.
Den Pendlern kann man durch eine faire Entschädigung helfen.Wir sollten mit dem jetzigen System aufhören und es durch eine kilometerabhängige Vergütung ersetzen. Es soll für die Entfernung von der Wohnung zum Arbeitplatz eine bestimmte Leistung geben. Das kann man in Form eines steuerlichen Absetzbetrages oder in Form einer Direktzahlung machen. Jetzt haben wir 17 Wenn und Aber, die sicherstellen sollen, dass die Arbeitnehmer ja nicht einen Cent zuviel bekommen.
Die dritte Möglichkeit des Gegensteuerns ist, dass mehr Arbeitnehmer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Dass alle Pendler umsteigen, wird nicht funktionieren.Man sollte die öffentlichen Verkehrsmittel vor allem im Zentralraum attraktiv machen.

Alle Fraktionen in der Arbeiterkammer treten dafür ein, dass den Arbeitnehmern netto mehr bleibt. Auf welches Niveau sollte der derzeitige Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent gesenkt werden?
Auf 25 Prozent. Man sollte gleichzeitig das gesamte System umstellen. Die niedrigeren Progressionsstufen sollten auch valorisiert werden. Denn ansonsten frisst die kalte Progression die Lohnerhöhungen wieder auf.

Das dafür notwendige Geld wollen Sie den Reichen wegnehmen?
Durch eine Millionärssteuer. Je nach Modell kommen dadurch zwischen drei und fünfeinhalb Milliarden Euro herein. Wenn jemand eine Million hat, dann ist eine Steuerbelastung von 1,5 Prozent zumutbar. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, sich dieses Geld ausgabenseitig zu holen. Denn in der Größenordung kann man nicht sparen, ohne dass es die Menschen nicht wieder spüren. Meine Kritik an den Subventionen ist, dass man ihre Wirkungen nicht überprüft. Hier wäre einiges drinnen, aber die Einsparungen von sechs Milliarden Euro, von denen Christoph Leitl spricht, sehe ich nicht.

Joachim Haindl-Grutsch, der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, und Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Trauner beklagen das schlechte Funktionieren der Sozialpartnerschaft. Zum Beispiel bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit.
Ich halte diese Diskussionen über die Flexibilisierung für völlig überzogen. Das bestätigen mir mehrere Unternehmer, die sagen, sie kommen mit den bestehenden Möglichkeiten völlig aus. Es gibt andere, die meinen, sie kommen damit nicht aus. Es gibt Extremfälle, wo die Möglichkeiten nicht ausreichen. In vielen Fällen geht es darum dass die Arbeitgeber das alleine bestimmen wollen, ohne es mit den Betriebsräten abzustimmen. Und sie wollen es zum Nulltarif machen. Hier geht es nur um das billigere Produzieren. Die Arbeitgeber wollen sich die Überstunden- und Nachtzuschläge ersparen. Mehr Flexibilität zum Nulltarif gibt es nicht.
Es gibt auch Regelungen, wo wir uns neuen Lösungen nicht versperren, zum Beispiel bei Reisezeiten. Auch die moderne Arbeitswelt braucht gewisse Rahmenbedingungen. Es gibt keinen einzigen Betrieb, der wegen mangelnder Flexibilität einen Auftrag verloren hat. Wir sitzen bei den Kollektivvertragsverhandlungen zusammen und in den meisten Branchen ist das Hauptthema das Geld, die Arbeitszeit hingegen nur ein Randthema.
Es ist unbestritten, dass die Sozialpartnerschaft besser laufen könnte. Das liegt aber daran, dass manche glauben, Sozialpartnerschaft praktizieren sie nur dann, wenn es ihnen passt. Wir sind kein Dekorationsmaterial für politische Inszenierungen. Weil wir die Dinge beim Namen nennen, sind wir die Bösen. Es gibt eine kleine Gruppen von Unternehmern, die systematisch Rechte mißachten.

Besteht aufgrund des globalen Wettbewerbs heute ein höherer Druck auf die Entlohung?
Ja, wobei es oft der Lohndruck nicht alleine ist, der Probleme verursacht. Es istnach Branchen sehr unterschiedlich. Der Großteil der Betriebe sind so kleinstrukturiert, dass sie fast ausschließlich den österreichischen Markt bedienen. Jene Unternehmen, die stark im Export sind, sind meist nicht so lohnintensiv. Es spielen hier die Material- oder Energiekosten eine viel größere Rolle als dieLohnkosten.
Was uns beschäftigt, ist die Zunahme des Arbeitsdrucks. Stress und Burnout treffen heute auch die Arbeiter. Der Termindruck ist beispielsweise auf den Baustellen ganz eklatant.

Was kann man dagegen tun?
Innerbetriebliche Gesundheitsförderung ist heute in aller Munde, aber in vielen Fällen reduziert sie sich auf den Obstkorb. Man muss ein vermehrtes Augenmerk auf die Arbeitsbedingungen richten: Arbeitsorganisation, Führungsverhalten, Kommunikation. Es sind oft die kleinen Dinge, die Probleme verursachen. Man ist nicht informiert, man bekommt einander widersprechende Anweisungen, etc. Wenn man nicht vernünftig miteinander umgeht, führt das dazu, dass man das Mehr an Arbeit nicht mehr verkraftet.
Es gibt ein paar Dinge, die für die Arbeitnehmer von ganz großer Bedeutung sind: dass man überhaupt einen Job hat, dass man halbwegs davon leben kann und dass man ihn auch überleben kann, dass man ihn auch aushält. Dass man das Gefühl hat, ich kann das bis zur Pension schaffen. Wir haben nun dafür eine eigene Abteilung geschaffen.
Es geht um die gesamtheitliche Sicht. Ich komme oft in Unternehmen, die sich viel überlegen und dann enttäuscht sind, wenn das nicht funktioniert. Da werden große Fitnesscenter errichtet und sie werden nicht genützt. Da liegt es an etwas anderem. Mit einer Maßnahme allein ist es nicht getan.

Die Wirtschaftsvertreter verlangen zwar die Erhöhung des Pensionsalters, gleichzeitig kündigen die Unternehmen nach wie vor bevorzugt die älteren Arbeitnehmer.
Das ist ein Riesenproblem und ein Widerspruch, den die Leute als Sauerei empfinden und der Aggression auslöst. Ich verstehe das. Ich ärgere mich immer, wenn ich die Realität bei den Beratungen sehe. Die Menschen fragen sich, behält mich der Betrieb bis zur Pensin, schaffe ich es bis zur Pension? Auf der anderen Seite hören die Menschen stets die Botschaft, sie sollen länger arbeiten.
Wie soll das funktionieren? Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Die Arbeitsbedinungen müssen so gestaltet werden, dass die Menschen die Pension auch erleben können. Und manmuss die Arbeitgeber zwingen, dass sie die älteren Arbeitnehmer in einem entsprechenden Umfang beschäftigen.

Sie sind nun 61 und treten jetzt nochmals zur Wahl an. Die Periode dauert fünf Jahre. Werden Sie sie fertig machen?
Ich habe vor, sie fertig zumachen. Es macht mir nach vor Spaß. Ich will hier keine Parallelen zum Landeshauptmann herstellen (lacht). darüber hinaus habe keine weiterführende Pläne.

Kommentare