"170 Priester ohne Amt sitzen herum"

"170 Priester ohne Amt sitzen herum"
Systeme konnen nur geändert werden, wenn Gegenentwürfe gemacht werden, glaubt Pfarrer Gilbert Schandera.

Unzufrieden mit dem Verlauf der durch die Pfarrerintiative ausgelösten Diskussion ist Gilbert Schandera, der derzeit als Kurat im Dekanat Gmunden tätig ist. Der 63-Jährige, der 20 Jahre in Bad Schallerbach und elf Jahre Pfarrer in Schwanenstadt war, ist selbst Mitglied der Initiative. "Wenn Kardinal Schönborn oder Gerhard Wagner sagen, man muss sich entscheiden, ob man in der Kirche bleibt oder nicht, ist das absurd. Gerade wenn ich das Wohl der Sache im Visier habe, kann ich etwas kritisieren. Man übt Kritik aus Sorge und aus Liebe zur Kirche."
Denn, so Schandera, man streite nicht mit jenen, die einem fern stehen, sondern mit Freunden, mit dem Ehepartner, mit Menschen, die einem am Herzen lägen. Schandera verweist auf das Evangelium vom vergangenen Sonntag, in dem Jesus sage, wenn der Bruder sündige, solle man ihn zurechtweisen. Im weiteren Sinne könne man das auch so verstehen, dass es einem Seelsorger erlaubt sei, darauf hinzuweisen, dass das, was in den Pfarren ablaufe, zu wenig sei.

Keine Messen mehr

"Ich finde es ganz krass, wenn nicht einmal mehr die Eucharistie als zentrales Geschehen in jeder Gemeinde gefeiert werden kann." Hier gehe Substanz verloren. "Wenn die Verantwortlichen das nicht sehen, ist es die Pflicht der Seelsorger, darauf hinzuweisen." Im Kirchenrecht gebe es sogar eine Passage, in der es heiße, die Christen hätten die Möglichkeit, ihre Meinung den Oberen kundzutun. "Das ist kein Akt des Ungehorsams, das steht im kirchlichen Gesetzbuch."
Der Begriff des Ungehorsams sei von der Pfarrerinitiative provozierend in den Raum gestellt worden, damit man auf gewisse Themen aufmerksam mache.
Schandera zieht einen Vergleich mit dem Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Entgegen der Anweisung der Mutter versteckt sich das kleinste der sieben Geißlein im Uhrkasten. Damit rettet es das eigene Leben und das der anderen. "Auch jene, die das Verbot ausgesprochen haben, freuen sich, dass sie gerettet wurden. Ungehorsam kann lebensrettend sein."
Schandera verweist auf die Kirchengeschichte. Auch hier hätten sich die wesentlichen Dinge nur dadurch geändert, dass sich Leute über das, was geboten gewesen sei, hinweggesetzt hätten. Wenn Menschen das nicht getan hätten, hätten wir noch die Monarchie und den Kommunismus. Es gäbe den Arabischen Frühling nicht. "Die Systeme bewegen sich nicht von selbst, sie bewegen sich nur, wenn man einen Gegenentwurf macht."

Reform findet statt

Auf die Frage, ob unter Papst Benedikt XVI. noch Änderungen zu erwarten seien, sagt Schandera, es gebe einen ganz starken Akt der Bewusstseinsbildung. Der Pastoraltheologe Paul Zulehner meine, die Reform finde bereits faktisch statt. Viele Punkte der Anliegen seien schon verwirklicht.
Für wirklich bedauerlich hält es Schandera, dass allein in Oberösterreich 170 Priester ohne Amt herumsitzen, "hoch qualifizierte Leute, die ihr Leben lang leiden". Sie wären hochmotiviert. Dieses Potenzial lasse die Kirche links liegen. Es gehe nicht darum den Oberen eines auszuwischen, sondern in den Dialog zu treten. Er habe aber nicht den Eindruck, dass dieser gesucht werde.

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