Zwei Kinder sind tot: „Die Höchststrafe bekam sie bereits“
Drei Seiten sind es, nicht mehr, die in kühlem Beamtendeutsch eine Tragödie zusammenfassen, die österreichweit für Diskussionen sorgte. Doch bei dem Fall, der am Montag im Landesgericht Korneuburg in Niederösterreich verhandelt wird, geht es nicht nur um die Klärung der Schuldfrage, sondern auch um das Schicksal einer Mutter, die bei einem Unfall ihre beiden Töchter verlor. „Die Höchststrafe“, sagen ihre Anwälte Nicole Nossek und Wolfgang Polster, „bekam sie bereits durch den Verlust ihrer Lieben.“
Es war noch hell, als Susanne H. (alle Namen geändert, Anm.) am 4. August 2019 mit ihrem E-Bike auf dem Heimweg war. Auf dem Gefährt angekoppelt befand sich ein Fahrradanhänger, in dem Stefanie (1) und Sandra (4) saßen. Zehn Kilometer vor dem Ziel, gegen 20.35 Uhr, wurde das Gespann in Hausleiten von einem Auto erfasst. Der Pkw, etwa 70 km/h schnell, rammte den Anhänger mit der rechten Frontseite, die Kinder wurden in den Straßengraben geschleudert. Das einjährige Mädchen starb noch am Unfallort, die Schwester erlag im SMZ Ost ihren schweren Verletzungen. Die 39-jährige überlebte knapp, eine Rippe hatte sich in ihre Lunge gebohrt.
Ohne Helm unterwegs
Fünf Monate später müssen sich Susanne H. und Harald S., der Pkw-Lenker, vor Gericht verantworten. Während die Staatsanwaltschaft dem 60-Jährigen fahrlässige Tötung vorwirft (bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe), wurde die Tullnerin sogar wegen grob fahrlässiger Tötung (bis zu drei Jahre Haft) angeklagt. Zur Begründung, warum auch die Frau auf der Anklagebank Platz nehmen muss, listet die Anklage gleich mehrere Punkte auf: Zum einen trugen die Kinder keinen Helm, außerdem befanden sich auf dem Anhänger keine Rücklichter und die im Gesetz vorgeschriebene mindestens eineinhalb Meter hohe Fahne mit Wimpel am Anhänger fehlte ebenfalls.
Laut Nossek hatte H. den Anhänger bei einem Anbieter im Internet gekauft. „Meine Mandantin ging davon aus, dass das Produkt, das sie geliefert bekam, für den Straßenverkehr in Österreich zugelassen ist“, berichtet die Rechtsanwältin.
Selbst bei der Montage überließ die 39-Jährige nichts dem Zufall und wandte sich an ein Fachgeschäft, wo der Anhänger an das E-Bike angebracht wurde. Auch dort, betont Polster, habe es keine Beanstandungen gegeben. Mit dem Vorwurf, dass die Kinder keinen Helm trugen, wird die Frau allerdings leben müssen. „So tragisch es klingen mag, aber auch mit einem Helm hätten die Mädchen vermutlich nicht überlebt. Denn durch die Wucht des Anpralls wurde der Anhänger komplett zusammengedrückt“, sagt Nossek.
Am Montag wird nun Susanne H. der Prozess gemacht. „Wir hoffen auf einen raschen Abschluss des Verfahrens und ein mildes Urteil, damit unsere Mandantin, die mit der Situation verständlicherweise psychisch komplett überlastet ist, abschließen kann“, betonen die beiden Rechtsanwälte.
Ruf nach Radweg
Nach dem Unfall waren Diskussionen entbrannt. Die Radlobby kritisierte, dass bei der Erneuerung der B19 kein Begleitradweg errichtet wurde. Vom Straßendienst hieß es, dass bei der Sanierung einer Landesstraße nicht automatisch auch ein Radweg angelegt werde. „Es ist dort ein großes Problem, dass es einfach keine andere Verbindung von Tulln ins Tullnerfeld gibt als die Freilandstraße“, so Roland Romano von der Radlobby.
Diese Vorschriften sind einzuhalten:
Wer in einem Fahrradanhänger Kinder befördert, muss folgende Vorschriften beachten:
Helmpflicht für Kinder unter zwölf Jahren.
Bei der Beförderung muss sichergestellt sein, dass die Insassen nicht in die Speichen des ziehenden Fahrrades oder des Anhängers geraten können.
Eine vom Fahrrad unabhängige Lichtanlage.
Ein rotes Rücklicht.
Anhänger, die breiter als 60 Zentimeter sind, brauchen zwei Rücklichter, sodass die Breite des Anhängers erkennbar ist.
Nach vorne: weißer Reflektor mindestens 20 Quadratzentimeter Lichteintrittsfläche.
Nach hinten: roter Reflektor mit mindestens 20 Lichteintrittsfläche.
Zur Seite: gelbe Reflektoren.
Anhänger, die breiter als 60 Zentimeter sind, brauchen zwei weiße und zwei rote Rückstrahler.
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