Wie Ziesel und weitere Tiere viele Baustellen blockieren

Dort, wo die possierlichen Ziesel leben und sich vermehren, ist es mitunter eine ziemliche Herausforderung, zu bauen
Monatelange Naturschutzverfahren für bauliche Großprojekte. Bevor das neue Landesklinikum in Wiener Neustadt gebaut werden kann, muss eine Kolonie Erdhörnchen übersiedelt werden

Spermophilus citellus ist der lateinische Name für eine Gattung putzig kleiner Nagetiere – landläufig Ziesel genannt. Doch so süß und verspielt die possierlichen Erdhörnchen auch sind, rauben sie Architekten, Bauplanern, Straßenbauern oder Polieren mitunter den letzten Nerv.

Ziesel stehen unter Artenschutz, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hält EU-weit die schützende Hand über die Vierbeiner. Aber auch Feldhamster, Biber, Fischotter oder einige Vogelarten unterliegen dem Artenschutz. Was bedeutet, dass dort, wo die Tiere ihren Lebensraum haben, jedes auch noch so wichtige Bauprojekt ausgebremst wird.

Aktuell bekommen das die Planer des neuen Landesklinikums Wiener Neustadt am eigenen Leib zu spüren. Im Stadtteil Civitas Nova soll eine der modernsten Kliniken Europas mit 14 Abteilungen auf einer Fläche von 55.000 Quadratmetern auf die grüne Wiese gestellt werden. Eine Wiese, wo aber Hunderte geschützte Ziesel ihre Zuhause haben.

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Brut- und Nistplätze

Um das knapp 700 Millionen Euro teure Spital überhaupt bauen zu können, ist im Vorfeld eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung beim Land Niederösterreich einzuholen. „Die Beschädigung oder Zerstörung der Nist-, Brut-, Laich- oder Zufluchtsstätten geschützter Tiere ist ebenso verboten, wie die Störung der Tiere in ihren Lebensräumen“, erklärt Sandra Klingelhöfer, Leiterin der Abteilung Naturschutz des Landes.

Eine solche Ausnahmegenehmigung setzt allerdings besondere Gründe wie zum Beispiel das Interesse der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sicherheit voraus, erklärt Klingelhöfer. Der Bau eines Krankenhauses fällt darunter. Dafür ist die Umsetzung an massive Auflagen gebunden. „Wir müssen die Tiere genau so einplanen, wie jedes andere Gewerk bei diesem Vorhaben auch“, erklärt Josef Bichler von der Abteilung Landeshochbau. Um im Zeitplan nicht ins Stocken zu geraten (geplanter Baubeginn ist 2024) wurde das Naturschutzverfahren vorgezogen.

Sofern Tierschützer das Verfahren nicht torpedieren, müssen die Ziesel aufwendig auf Ersatzflächen umgesiedelt werden. „Davon haben wir zum Glück genug in der Umgebung“, sagt Bichler. Das darf aber nur zu bestimmten Zeiten im Sommer erfolgen – natürlich unter Aufsicht.

Wie Ziesel und weitere Tiere viele Baustellen blockieren

Der geschützte Triel hat bisher den Bau der S8 im Weinviertel verhindert

Aber wie bringt man Erdhörnchen dazu ihre Bauten zu verlassen? Davon kann das Bundesheer ein Lied singen. Auf dem Trockenrasen des Flugfeldes wird beim Jagdkommando in Wiener Neustadt für 4,3 Millionen Euro gerade ein hochmoderner Zwinger für die scharfen Militärhunde errichtet.

Gemäß den Vorgaben des Naturschutzes musste davor drei Monate lang eine Ziesel-Kolonie von dem Gelände „sanft vertrieben“ werden. Durch Abtragen der obersten Humusschicht wurde den Erdhörnchen das Leben am Areal ungemütlich gemacht. „Damit hat man erreicht, dass die Population absiedelt, ohne dass sie dabei Schaden nimmt“, erklärt der „Zieselflüsterer“ Oberst Davy Lambach vom Jagdkommando des Heeres.

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Bau des neuen Hundezwingers beim Jagdkommando in Wiener Neustadt

Je nach Bauprojekt ist die artenschutzrechtliche Bewilligung mit jeder Menge Auflagen verbunden bzw. an Befristungen oder Bedingungen geknüpft, erklärt Klingelhöfer. Da es sich um projektbezogene Einzelfallbeurteilungen handelt, fallen die Auflagen immer anders aus. Laut der Naturschutz-Expertin hängen die Maßnahmen wesentlich von den betroffenen Tierarten ab.

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