Winnetous Erben
Sobald sie ihre Feinde besiegt hatten, sollen sie ihnen die Häupter abgetrennt haben, diese in einem komplizierten Prozess zuerst geschrumpft und dann mumifiziert haben. Anschließend sollen sie ihnen die Münder zugenäht haben, um die bösen Geister nicht ausfahren zu lassen. Die Rede ist von den Shuar-Indianern; sie leben im südamerikanischen Amazonastiefland, östlich der Anden in Ekuador.
Auch Giovanni Smiles a lot ist Shuar-Indianer. Köpfe hat er weder abgetrennt, noch geschrumpft. Er wohnt in Gföhl (Bezirk Krems) und kocht beruflich vor allem Schweinsbraten. Geboren wurde Giovanni Smiles a lot in einem Regenwald in Ekuador. Nach seiner Adoption ist er in Deutschland aufgewachsen. Er ist einer von fünf amerikanischen Ureinwohnern in Niederösterreich, sein Alter verrät er nicht. "Das ist unwesentlich", sagt er.
Gemeinschaft
Niederösterreichs Indianer leben verstreut im ganzen Land. Regelmäßig vereinbarte Treffen gibt es unter ihnen nicht: "Es gibt keine Terminabsprache. Nicht so etwas wie morgen um genau diese Uhrzeit, in St. Pölten, im Café neben der Kirche treffen wir uns. Natürlich haben wir Kontakt, aber wir sehen uns, wenn es das Leben so beschließt." Telefonieren, eMails schreiben, Briefe schreiben, "diese Möglichkeiten wende ich so gut wie nie an", erzählt Giovanni, der tatsächlich oft lächelt. Sein eMail-Konto hat er längst wieder abgeschafft.
Oberflächliche Gespräche führt er nicht. "Für uns ist wichtig, wie es einem geht, wie man sich im Inneren fühlt. Aber das muss man nicht besprechen. Das weiß man." Seit einigen Jahren verdient Giovanni Smiles a lot sein Geld im Waldviertel. Unter der Woche kocht er beruflich "vor allem Hausmannskost"; an den Wochenenden tritt er als Indianer auf der Freilichtbühne Gföhlerwald auf. Für das Publikum spielt er die indianische Flöte bei den Karl-May- Spielen. Als Schauspieler sieht er sich aber nicht. Und mehr erfährt man von Giovanni nicht. Die indianische Gemeinschaft in Niederösterreich will nicht zu viel über ihre Kultur preisgeben.
Viel über die Kultur der Lakota-Indianer spricht dagegen ein anderer. Einer, der seine Vorfahren in den indigenen Völkern Nordamerikas vermutet. In selbst geschneideter Indianertracht, geschmückt mit Perlen und Pelzen, bewaffnet mit einer Friedenspfeife und einem Schamanenstab, tritt er auf. Manuel Pürrer, 32 Jahre. Indianischer Name: Kachina - "Geist der unsichtbaren Lebenskräfte".
Liebessegen
Manuel ist Niederösterreichs einziger Indianer-Priester. Sein Amt hat er von Niederösterreichs wahrscheinlich ältestem Indianer übernommen: Rouven Silverbird, ein 93-jähriger Pueblo-Indianer, der sich aus der Szene mittlerweile zurückgezogen hat.
"Ich mache den Menschen eine Freude, das ist das Wichtigste. Wenn sie auch den Naturgedanken haben, passt es", sagt Pürrer. Tamara und Günter Pratl waren das erste Paar, das er segnete. "Es war sehr bewegend. Im Segenstext ging es darum, dass es nur miteinander funktioniert und nicht gegeneinander. Ob bei Mitmenschen, Tieren oder der Natur", erzählt Pratl. Friedvoll soll alles sein.
Drei Paare hat Pürrer seit seinem Debüt im Jahr 2008 gesegnet. Amtlich besiegelt - denn den Segen vom Indianer gibt es nur bei einer standesamtlicher Hochzeit. Jedes Paar traut Pürrer aber nicht. Man müsse schon mit der Natur in Einklang stehen und einen gewissen Bezug zu dem Ganzen haben. "Ich habe schon einige Paare abgelehnt. Nur aus Jux und Tollerei geht das nicht. Man muss sich damit identifizieren", erklärt Pürrer.
Die, die für die Trauung auserwählt werden, kriegen aber das gesamte Programm: Segensspruch, gemeinsamer Tanz aller Hochzeitsgäste und den Trunk des Heiligen Wassers. Dazu muss das Brautpaar aus einer indianischen Vase mit zwei Öffnungen Wasser trinken. Wenn kein Tropfen verschüttet worden ist, ist die Ehe gültig. Manuel Pürrer ist verheiratet, der indianische Segen blieb ihm bis jetzt aber verwehrt. Giovanni Smiles a lot ist nicht verheiratet. Vom niederösterreichischen Indianer-Priester hat zum ersten Mal gehört.
Rund 30 Indianer in Europa
Gemeinschaft: Etwa dreißig amerikanische Ureinwohner leben in Europa. Fünf von ihnen leben laut KURIER-Informationen in Niederösterreich. Sie alle gehen unter der Woche einem Brotberuf nach. Sie arbeiten als Koch oder Kultur-Botschafter, schnitzen Masken aus Holz oder verdienen ihr Geld mit der Pferdezucht.
Tour: Im Sommer sind sie in Niederösterreich nur schwierig anzutreffen. Die Indianer gehen auf Tour, um sich Geld dazuzuverdienen oder sind auf sogenannten "Pow Wows" anzutreffen. Das sind indianische Tanzfeste, die in ganz Europa abgehalten werden. Die gesamte Gemeinschaft trifft sich dort, um zu feiern. Diese Feste werden sowohl ohne als auch mit und teilweise für Publikum abgehalten.
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