Wie die letzte Ruhestätte von Franz Ferdinand Besucher anzieht
„An diesem Ort sind wir verpflichtet, Initiativen für den Frieden zu setzen.“ Alix de La Poëze d’Harambure-Fraye ist die Ururenkelin des 1914 in Sarajevo mit seiner Gemahlin Sophie ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand. Am 28. Juni, 110 Jahre nach dem Attentat, findet auf Schloss Artstetten eine Gedenkfeier statt. Das Schloss gehörte dem Thronfolger. Er und seine Frau haben hier die letzte Ruhestätte.
Mit Gästen, vor allem auch aus den Häusern Habsburg und Hohenberg sowie staatlichen Repräsentanten soll nicht nur der Ermordung des Thronfolgerpaars gedacht werden. „Ihnen folgten auch noch 17 Millionen Tote im darauffolgenden Weltkrieg“, sagt Alix d’Harambure-Fraye.
Die Feier ist viel kleiner angelegt als jene zum 100-Jahr-Gedenken 2014. Das damalige Großevent wurde noch von der Mutter der heutigen Hausherrin, Anita Hohenberg, organisiert.
Damals kamen die Spitzen des Landes, der Kirche sowie der adeligen Familien, angeführt vom jungen Ferdinand Habsburg und über 500 bunt uniformierte Mitglieder der Traditionsverbände der k.u.k-Armee zusammen. Hunderten Interessierten wurde ein beeindruckender Blick in die Geschichte geboten.
Friedensbotschaften
Es gab dabei auch viele nachdenklich stimmende Szenen. Beim Gottesdienst in der Basilika Maria Taferl und dem Festakt im Schlosshof waren Friedensbotschaften angesagt.
„Es wurde gemahnt, den Friedensgeist zu bewahren. Niemand ahnte damals, wo wir jetzt stehen. Wir sind sehr verwöhnt, es ist unser Auftrag, zu erinnern, dass man für Frieden etwas tun muss“, sagt Alix, die mit ihrem Mann Francois-Xavier und fünf Kindern auf Schloss Artstetten lebt und arbeitet.
Auch der kommende 28. Juni bietet Anlass zur Erkundung und zur Analyse, wie es zur Kriegskatastrophe kommen konnte. Eine neue Franz-Ferdinand-Monografie wird von Autor Hannes Etzldorfer vorgestellt. Christian Ortner, einst Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums, wird die Großmachtpolitik des Querdenkers Franz Ferdinand analysieren.
Der „Bund ehemalige 4er Dragoner“, jene Einheit in der Franz Ferdinand seine militärische Ausbildung in Enns erhielt, wird einen Kranz niederlegen. Natürlich halten die Dragoner vor dem Grabmal von Franz Ferdinand und Sophie Ehrenwache. Festliche Klänge wird zudem die Original Hoch- und Deutschmeisterkapelle erschallen lassen.
Bei dieser, aber auch anderen Events will das Schloss Offenherzigkeit und Zugänglichkeit signalisieren. Im sechs Hektar großen, mit uralten Bäumen bepflanzten Schlosspark, schmückten zuletzt Schulkinder eine Blutbuche mit Friedenssymbolen.
Besucher aus aller Welt
30.000 Interessierte aus aller Welt besuchen das Schloss Artstetten und das Franz-Ferdinand-Museum jährlich. In den Sälen zeigen Exponate viel über das Leben, die Familie und den Tod des Kaiserneffen.
Der Nachbau des Sarajevo-Autos, Jagdtrophäen, Souvenirs von Franz Ferdinands Weltreise, Familienfotos oder seine Vision der „Vereinigten Staaten von Groß-Österreich“ beeindrucken. Die Schau ist sorgsam, hell und zeitgemäß gestaltet. Immer zugänglich ist die Familiengruft mit dem Thronfolgerpaar.
Den Schloss-Betrieb halten zwölf Beschäftigte in Schwung. „Man muss sich anstrengen, das Haus war immer Witwensitz und hat fast keinen Besitz rundum“, so die Schlossherrin, die im Haus als „Gräfin Alix“ angesprochen wird. Und es kommt nicht selten vor, dass sie bei Hochbetrieb im Schloss-Café aushilft.
Oder sie lässt sich leutselig auf ein kurzes Tratscherl im blühenden Park ein. Ganz sicher wieder beim großen Pfingstrosenfest am nächsten Sonntag.
Rückblick ins Jahr 1914
Das Schloss des Erzherzogs lässt jedenfalls den Puls der Geschichte spüren. Der Habsburger Franz Ferdinand durfte wegen nicht standesgemäßer Heirat nicht in der Wiener Familiengruft begraben werden, weshalb er hier bestattet wurde. Blitze zuckten und ein Unwetter ging nieder, als die Leichname von Franz Ferdinand und Sophie bei Pöchlarn am 8. Juli 1914 mit einer Fähre auf der Donau übergesetzt wurden.
Der Thronfolger durfte nicht in der Wiener Kapuziner-Gruft der Habsburger beigesetzt werden, sondern ließ sich durch seine eigene Verfügung auf seinem Schloss in Artstetten bestatten. Seine Eigenwilligkeit und vor allem die hartnäckig errungene Heirat mit der nicht standesgemäßen tschechischen Adeligen Sophie waren der Grund.
Über 50.000 Bücher sind über Sarajevo und das Attentat samt den Folgen erschienen. Das gespannte Verhältnis zwischen dem Kaiser und seinem Neffen wurde vielfach analysiert. „Dass es kein Staatsbegräbnis in Wien gab und sich so die europäischen Staatsführer nicht persönlich treffen konnten, ist sicher ein Mitgrund, warum es zum Weltkrieg kommen konnte“, glaubt Alix d’Harambure-Fraye, die Ururenkelin von Franz Ferdinand.
Mächtige Gegner
Dieser habe stark polarisiert. Er wurde entweder sehr verehrt oder stark abgelehnt. Vor allem die Vertreter der Hofetikette am Sitz des Kaisers waren gegen ihn, erzählt die Schlossherrin. Die Familienlinie der Hohenbergs trifft sich alljährlich am 28. Juni, dem Tag des Schussattentats, und zu Allerheiligen auf Schloss Artstetten, um Gedenkgottesdienste zu feiern.
Franz Ferdinand bekam das Schloss 1889 von seinem Vater Carl Ludwig, einem Bruder des Kaisers. Er baute es so um, wie es heute zu bewundern ist. Bald gab es Strom, Warm- und Kaltwasser im Bad oder einen Lift, was am Kaiserhof noch lange auf sich warten ließ.
Nach der NS-Enteignung gab die Republik das Schloss 1949 an Maximilian Hohenberg, der das KZ überlebt hatte und später zweimal Artstettner Bürgermeister war, zurück. Alix d’Harambure-Fraye übernahm das Familienerbe Ende 2015 von ihrer Mutter Anita Hohenberg.
Neben der täglich geöffneten Franz-Ferdinand-Ausstellung gibt es Sonderprojekte, etwa eine Führung mit Dienstboten-Geschichten. Infos unter www.schloss-artstetten.at
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