Wenn einer eine Reise tut – ein Leben lang

Wenn einer eine  Reise tut – ein Leben lang
Der Mostviertler Sepp Kaiser ist seit 38 Jahren unterwegs und hat alle Länder rund um den Globus bereist

Schuld war der Onkel aus Amerika – genauer: aus Kanada. Jahrelang schickte er Karten, doch dann kam er persönlich mit Familie auf Überraschungsbesuch. Für den 13-jährigen Sepp Kaiser war der Kontakt mit der fremdsprachigen Verwandtschaft am elterlichen Bauernhof im Traisental ein „Aha-Erlebnis“, wie der heute 58-Jährige sich zurückerinnert. „Damals habe ich mir geschworen, dass ich ihn einmal in Kanada besuchen werde“.

Sepp Kaiser ist ein Reisender, ein „Vagabund“, wie er selbst sagt. Auf internationalen Weitreise-Hitlisten wird er auf den vordersten Plätzen geführt und in einer Hinsicht dürfte er einzigartig sein: „Es gibt einige, die alle Länder der Welt gesehen haben, aber ob es noch einer in einer einzigen Reise geschafft hat, ist fraglich“, so Kaiser.

Doch zurück auf den Bauernhof im Traisental. Mit 19 Jahren hatte Sepp Kaiser seinen Kanada-Plan nicht vergessen. Er kündigte seinen Job als Tischler, um sich „über die Häuser zu hauen“, wie er schmunzelnd erzählt. Für die Eltern und die Umgebung war das ein Schock. Ein Bekannter riet der Mutter sogar, mit dem Sohn zum Psychiater zu gehen. „Ich habe verstanden, dass sie mich nicht verstanden haben“, sagt Kaiser. Trotzdem setzte er sich auf sein Moped, packte Gitarre und Rucksack und fuhr los.

Und er schaffte es nach Kanada, um neun Monate später zur Hochzeit des ältesten Bruders zurückzukehren. Doch lange hielt es ihn nicht zu Hause. 15 Monate fuhr er kreuz und quer durch Europa, arbeitete als Gärtner und „Gelegenheitsbutler“ – und kehrte zur Hochzeit des zweiten Bruders zurück.

Inzwischen hatte sich ein kühner Gedanke eingenistet: „Ich wollte einmal rund um den Globus reisen“. Kaiser packte Rucksack und Gitarre und macht sich mitten im Winter zu Fuß auf den Weg.

Wenn einer eine  Reise tut – ein Leben lang

Die Gitarre und die Osterinsel: Auf seinen Reisen war die Musik immer mit dabei

Zehn Jahre unterwegs

Auf seiner Weltreise hatte Sepp Kaiser ein zentrales Problem: Er musste sparen. „Also bin ich per Autostopp unterwegs gewesen, die Leute haben mich dann auch oft zu sich eingeladen.“ Und er hatte es nicht eilig. „In Jugoslawien bin ich in einen Schneesturm geraten. So hab ich umgedreht und bin nach Italien.“ Kaiser ließ sich treiben. Asien war eine Offenbarung, dreieinhalb Jahre verbrachte er dort und hielt sich mit Jobs wie beim Katastrophendienst in Bangladesch über Wasser. „In Japan bin ich ohne einen einzigen Dollar in der Tasche angekommen, habe als Sänger aber dann ganz gut verdient.“Auf der Südseeinsel Samoa kam es zu einer folgenschweren Begegnung mit einem deutschen Segler. „Er erzählte mir, dass er einmal alle Länder der Welt besuchen möchte. Zuerst habe ich gedacht, das ist doch verrückt, aber dann hat sich die Idee im Hinterkopf eingenistet.“ Und weil er eh schon so weit und viel gereist war, wollte Sepp Kaiser den Plan gleich umsetzen. „Es gibt drei Arten von Reisenden. Der erste Typ läuft vor irgendetwas davon, der zweite läuft irgendetwas hinterher und der dritte genießt das unterwegs sein. Ich wurde vom Typ C zum Typ B“, sagt Kaiser.

Wenn einer eine  Reise tut – ein Leben lang

Entspannt: Lange Zeit ließ sich Sepp Kaiser auf seinen Reisen rund um die Welt treiben

 

Einige Länder erwiesen sich als hart. „Nach Afghanistan kam ich mit gefälschten Papieren, nach Somalia und in den Irak reiste ich illegal über die Grenze“. Dann kam eine Nachricht aus der Heimat: „Mein dritter Bruder wollte heiraten und und gab mir ein Zeitlimit von zwei Jahren“, erzählt er. Dabei lag noch ganz Afrika vor ihm. „Das war echt schwer. Es gab so viele bürokratische Hürden, ich erkrankte an Typhus und Hepatitis, doch drei Monate vor der Hochzeit hatte ich nur mehr vier Länder vor mir und die Flugtickets und Visa in der Tasche“. Doch am Weg zum Flughafen in Nairobi wurde Kaiser überfallen. „Ich habe nur gedacht, jetzt ist alles aus, bin den Mann angesprungen und hab ihm die Pistole entrissen, völlig verrückt.“ Doch Sepp Kaiser schaffte es. Vier Tage vor der Hochzeit kam er zu Hause an, zehneinhalb Jahre nach seinem Aufbruch. 192 Länder hatte er bereist, das brachte den Eintrag ins Guinness Buch der Weltrekorde.

Wenn einer eine  Reise tut – ein Leben lang

Der musikalische Weltenbummler erzählt bei Vorträgen über seine Erlebnisse

 

„Ich habe den Rucksack an die Wand genagelt.“ Was ihn am Reisen reizte: „Die Sehenswürdigkeiten waren nebensächlich, das Interessanteste passierte am Weg. Ich wusste meist nicht, wo ich am Abend sein werde, das war ein enormer Reiz.“

 

Heute ist Kaiser Reisebegleiter bei Raiffeisen Reisen. „Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen und habe viele Stammkunden für weniger touristische Länder. Heuer konnte ich wegen Corona aber erst eine Reise durchführen“. Gibt es noch Pläne? „Vielleicht schreib ich noch ein Buch. Material hätte ich ja genug.“

Wenn einer eine  Reise tut – ein Leben lang

Große Sprünge: Beim Reisen geht es Sepp Kaiser nicht nur um Sehenswürdigkeiten, sondern darum, „was am Weg passiert“

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