Wanderboom mit blutiger Bilanz

Wanderboom mit blutiger Bilanz
Im Sommer stieg die Zahl der Bergunfälle deutlich an. Viele Wanderer erklimmen völlig unvorbereitet die höchsten Berge des Landes.

Obwohl der Kalender bereits den 19. November zeigt, gibt es auf den niederösterreichischen Bergen angenehme Plusgrade und prachtvolles Wanderwetter. Auf Grund des gewaltigen Ansturms von Ausflüglern und besonders Kletterern fällt die Sommerbilanz der Alpinpolizei heuer dementsprechend blutig aus. Bei einem Negativrekord von insgesamt 370 Bergunfällen sind auch dreizehn Todesopfer zu beklagen. Der Großteil der Einsätze (212) mit insgesamt zehn Toten fällt auf die beliebten Destinationen Schneeberg, Rax und Hohe Wand im südlichen NÖ.

Was Bergbahnen, Touristiker und Bergrettung bestätigen, spiegelt sich in den nackten Unfallzahlen. Die Schneebergbahn auf den höchsten Gipfel des Landes verzeichnete mit 154.000 Fahrgästen die beste Sommersaison in ihrer Geschichte. Die beliebten Routen auf Rax oder Schneeberg gleichen an schönen Sommertagen wahren Trampelpfaden. "Wandern und Klettern liegt voll im Trend. Fast jeder will heutzutage auf den Berg. Leider sind aber nur sehr wenige gut darauf vorbereitet", erklärt der Leiter der Alpinen Einsatzgruppe (AEG) NÖ-Süd der Polizei, Michael Schneider. Das merkt der erfahrene Bergfex, wenn er mit seinen Männern und den freiwilligen Helfern der Bergrettung mehrmals wöchentlich zu lebensrettenden, aber auch lebensgefährlichen Einsätzen ausrücken muss.

So wie am 4. September dieses Jahres, der beinahe zum Sterbetag eines unerfahrenen 25-jährigen Kletterers wurde. Der Wiener wagte mit einem Freund den Abstieg von der Rax über den Alpenvereinssteig. Während sein Freund zügig voran kam, passierte dem 25-Jährigen an einer schwierigen Stelle in 1600 Meter Seehöhe ein fatales Missgeschick. Der junge Mann rutschte aus und drohte mehrere hundert Meter über eine senkrecht abfallende Felswand zu stürzen.

Rotorblätter

Mit Leibeskräften konnte er sich gerade noch an den Felsen klammern und um Hilfe rufen. "Als wir mit dem Hubschrauber eingetroffen sind, ist er bereits mehr als eine Stunde dort am Abbruch gehangen. Wir konnten ihn aus der Luft nicht bergen, weil der Abwind der Rotorblätter ihn sonst abstürzen hätte lassen", schildert Schneider. Stattdessen wurde in allerletzter Sekunde ein Bergretter zu dem Verunglückten abgeseilt.

Die Ausflügler strömen in Scharen auf die Berge und vergessen dabei, dass sie sich im hochalpinen Gelände mit all seinen Gefahren befinden, warnt die Bergrettung. Früher seien nur die konditionell guten und erfahrenen Leute auf die Gipfel gestiegen. "Heutzutage kommt jeder mit der Seilbahn hinauf", so Schneider.

Bernhard Ebner, Leiter der Bergrettung Gmunden, nennt ebenfalls die massive Zunahme der Bergwanderer und das schöne, stabile Wetter als Hauptgründe für die heuer so zahlreichen Unfälle. "Die Berge werden gestürmt." Die Leute seien aber oft konditionell überfordert. Geschwächt von den Strapazen des Aufstiegs unterschätzten sie die Anstrengung des Abstiegs. Das führe zu Unfällen.

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