Waldviertler Karpfenteichwirtschaft wird Weltkulturerbe

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Produktionssystem wird zum landwirtschaftlichen Kulturerbe – und steht damit in einer Reihe mit asiatischen Reisterrassen.

Der Waldviertler Karpfen ist seit Jahrzehnten in aller Munde – im wahrsten Sinne. Seit 1999 ist er eine beim Patentamt registrierte nationale Schutzmarke. Geben tut es ihn freilich schon viel länger – die Karpfenteichwirtschaft im Waldviertel ist 1140 in der Gründungslegende des Stiftes Zwettl erstmals schriftlich dargelegt.

Jahrhunderte später wird dieses Lebensmittel-Produktionssystem von der FAO (Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen) als landwirtschaftliches Kulturerbe ausgezeichnet – nämlich am Freitag in Litschau (Bezirk Gmünd). Im Rahmen des „Globally Important Agricultural Heritage Systems“(GIAHS) wurden bisher 89 Systeme in 28 Ländern von der Welternährungsorganisation FAO zertifiziert – darunter sind die Hani Reisterrassen in China, die Andine Landwirtschaft in Peru oder die Hängenden Gärten von Djebba El Olia in Tunesien.

Mit der Karpfenteichwirtschaft im Waldviertel scheint Österreich nun zweimal in der Liste des landwirtschaftlichen Kulturerbes auf: Heumilch aus den heimischen Alpen wurde 2024 aufgenommen.

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Die Karpfenzucht geht im Waldviertel bis ins 12. Jahrhundert zurück. 

Vor fünf Jahren hat der Teichwirteverband NÖ mit derzeit 130 Mitgliedern den Aufnahmeantrag gestellt. Das Ganze sei mit viel Arbeit verbunden gewesen – in einem 120 Seiten starken Papier habe man dargelegt, was die Teichwirtschaft im Waldviertel so besonders macht, erklärt NÖ-Teichwirteverbandschef Leo Kirchmaier.

Fünf Punkte müssen erfüllt werden: Einerseits muss das Produktionssystem der Nahrungs- und Existenzsicherheit dienen und die Agro-Biodiversität fördern. Anderseits aber auch lokales und traditionelles Wissen erhalten, auf traditionellen sozialen Strukturen (Kultur und Wertesysteme) basieren und typische Landschaftsstrukturen zeigen.

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Bis ein Waldviertler Karpfen in der Küche landet dauert es mindestens drei Jahre.

Soziale Komponente

Zur Agro-Biodiversität meint Kirchmaier: „Wir sind Biodiversitätshotspots. Zahlreiche bedrohte Pflanzen- und Tierarten erhalten einen Lebensraum, eine bedeutende Menge an Insekten steigen von Teichen in die Luft und dann gibt es noch Tiere, die mitnaschen, wie Fischotter und Adler“, zählt er nur einige Aspekte auf. Wissen werde von Generation zu Generation weitergegeben: „Jeder Teich ist ein Unikat, keiner funktioniert gleich, da kann man kein allgemeines Regelwerk verfassen, aus dem man lernt. Mündliche Überlieferungen stehen im Mittelpunkt.“ Die soziale Komponente sei bei der Karpfenzucht im Waldviertel ebenso gegeben – beim Abfischen würden viele Freiwillige mithelfen. Beim jährlichen Abfischen am Bruneiteich bei Heidenreichstein würden sich etwa 2.000 Helfer versammeln.

Während sich die Waldviertler Teichwirte über die Auszeichnung freuen, wird in ihren Teichen für Nachwuchs gesorgt: Es ist Laichzeit. Doch dafür braucht es eine gewisse Wassertemperatur. „Diese Woche hat uns ein wenig zurückgeworfen. In Litschau hatten wir Mittwochfrüh 1,5 Grad. Da haben Karpfen keine Lust, sich zu vermehren“, erklärt der Waidhofner Teichwirt Andreas Kainz. Die Brütlinge haben drei Jahre in den Teichen vor sich, bis sie echte „Waldviertler Karpfen“ sind.

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